Vogelzug im Klimawandel

Vögel passen sich an veränderte Umweltbedingungen an. Sie tun das unterschiedlich erfolgreich, je nachdem wie eng oder weit ihre ökologische Nische ist. Der Haussperling alias Spatz kommt heute fast überall auf der Welt vor, weil er sich neue Lebensstätten und Nahrungsquellen durch den Menschen erschlossen hat. Der Brillenpinguin lebt nur an Südafrikas Küsten. Da seine Nahrungsfische dort verschwinden, ist er inzwischen sehr selten, findet aber keinen alternativen Lebensraum, da er kalte Meeresströmungen braucht. Der Klimawandel zeigt sich bereits deutlich, und er bringt Veränderungen, die gerade für Arten mit komplexen Lebensweisen eine große Herausforderung darstellt. Er beschleunigt sich mit all seinen Symptomen zu schnell, als dass eine evolutionäre Anpassung mithalten könnte. Die Zugvögel gehören zu den Verlierern, denn ein einzelner Vogel ist auf intakte Verhältnisse an mehreren Orten der Welt angewiesen.

Unergiebige Rastplätze

Die meisten Zugvögel, die sich im Herbst auf den Weg in die nahrungsreichen Winterquartiere machen, fliegen nicht nonstop. Gerade Langstreckenzieher benötigen mehrere Rastplätze auf ihrem Zugweg von oftmals 5.000 bis 10.000 Kilometern Länge. Dort füllen sie ihre Energiereserven auf, um den Weiterflug zu schaffen. Für viele Wat- und Wasservögel, aber auch seltene Singvögel, wie den Seggenrohrsänger, sind Feuchtgebiete dabei unersetzlich. Hier gibt es genügend Insekten und Wasserorganismen zum Fressen.

Weißstörche und Schwarzstörche

Viele Feuchtgebiete entlang der Zugroute versalzen oder verschwinden komplett. Zugvögel wie Ströche haben es immer schwerer, ihre Reserven aufzufüllen. – Foto: Thomas Krumenacker

Der Klimawandel bewirkt, dass gerade in Afrika und Südeuropa die Trockenheit zunimmt und somit Niederschläge über lange Zeit ausbleiben und Gewässer trocken fallen. Gleichzeitig führt die dadurch intensivierte Kultivierung der verbliebenen,  wasserversorgten Gebiete dazu, dass Sümpfe neuen Feldern weichen müssen. Landnutzung zusammen mit dem allmählichen Meeresspiegelanstieg können außerdem zu einer Versalzung der Böden in Küstennähe führen. In der Folge veröden und verkleinern sich einst ergiebige „Tankstellen“, wie es bereits der südspanische Nationalpark Doñanae zeigt. Rastvögeln bieten sich wenige Alternativen und so bleiben vermutlich viele unterernährt auf der (Zug-)Strecke.

Wüste ohne Ende

Sowohl auf dem Hinflug als auch dem Rückflug ins Brutgebiet überqueren viele Vögel das Mittelmeer und die Sahara auf direktem Weg. Es ist eine unglaubliche Leistung, denn gerade unsere kleinsten Zugvögel wie Gartenrotschwanz, Grauschnäpper, Nachtigall und Dutzende andere Sing- und Kleinvögel schaffen dies. Zumindest bisher… Höhere Temperaturen durch Klimaveränderungen und die Überweidung durch Nutztiere bedingen vor allem in der Sahelzone die Ausbreitung der Wüste. Hunderte Kilometer müssen Non-Stop zurückgelegt werden. Selbst wenn sich ein kleiner Vogel in seinem Überwinterungsquartier oder Rastgebiet ein maximales Fettpolster anfressen konnte, reicht dies gerade, um die Sandwüste zu überqueren. Mit fortschreitender Desertifikation bleibt ihm nichts anderes übrig, als erschöpft zu landen, ohne vor Ort Nahrung zu finden.

Der späte Vogel fängt den Wurm …nicht

Kuckuck

Viele Singvögel brüten aufgrund des Klimawandels schon früher. Wenn der Kuckuck aus Afrika zurückkehrt, gelingt es ihm nun nicht mehr, sein Ei unbemerkt in fremde Nester zu legen. – Foto: Tom Dove

Der Klimawandel wirkt global. In Mitteleuropa blühen inzwischen Obstbäume zwei Wochen früher und Bienen und Hummeln werden früher wach. Der zeitiger endende Winter führt dazu, dass Kurzstreckenzieher und Standvögel wie Star oder Kohlmeise auch früher mit dem Brutgeschäft beginnen. Die Ankunft von Afrika-Überwinterern wie Trauerschnäpper und Kuckuck läuft inzwischen asynchron mit den Umweltbedingungen im Brutgebiet. Während für den einen die Brutplätze von daheimgebliebenen Höhlenbrüter bereits besetzt wurden und sich die Nahrungsinsekten für die Vogeljungen nicht mehr im Larvenstadium befinden, findet der andere weniger Wirtsvögel, denen er sein Ei ins Nest schmuggeln kann, weil dort schon Küken geschlüpft sind.

Neue Reiseziele

Gerade Kurzstreckenzieher werden bei ihrem Zeitpunkt von Abflug und Ankunft deutlich stärker von der Witterung beeinflusst. Sie sind genetisch weniger auf ihre innere Uhr festgelegt, die sich vor allem an der Tageslänge orientiert. Ihnen fällt es grundsätzlich leichter, sich an den Klimawandel anzupassen. Das erstaunlichste Beispiel für eine tatsächlich beschleunigte Evolution stellt die Mönchsgrasmücke dar. Dieser Art ist es bereits innerhalb weniger Generationen gelungen, neue Flugrouten und Winterquartiere im Erbgut zu speichern. Statt nach Spanien und Nordafrika zieht ein Großteil unserer Mönchsgrasmücken heute nach Großbritannien. Der klimawandelbedingt immer mildere Winter in Kombination mit vielen britischen Vogelfreunden, die Vögel füttern, machte es möglich, dass die Vögel auf der Insel erfolgreich überwintern können. Und sie haben bessere Startbedingungen: Ihr Zugweg ist kürzer, wodurch ihre Überlebensrate steigt und sie sind früher im Brutgebiet zurück und können somit öfter zwei oder drei Bruten im Jahr machen. Langfristig ersetzen diese Populationen sogar jene, die unangepasster sind.

Betrachtet man die Roten Listen und Bestandskurven unserer Brutvögel, nehmen augenscheinlich die Arten ab, die ziehen. Da die meisten von ihnen Insektenfresser sind, lassen sich die Rückgangsursachen noch nicht eindeutig zuordnen und vermischen sich etwa mit dem Insektenrückgang im intensiv bewirtschafteten Deutschland und dem Verlust von Brutgebieten. Wissenschaftliche Untersuchungen gibt es bisher zu einzelnen Zugvogelarten wie Braunkehlchen oder Turteltaube, klären aber viele Fragen zu der Komplexität der Bestandseinbrüche nicht ausreichend. Auswirkungen des Klimawandels sind bereits bemerkbar, doch es bleibt noch zu klären, wie stark er unsere Tierwelt verändert und noch verändern wird.

CO2-Rechner
Klimaschutz geht uns alle an. Aber wissen wir, wo wir stehen und welche Maßnahmen zukünftig unseren CO2-Fußabdruck entscheidend verbessern können? Das lässt sich rausfinden mit dem NABU-CO2-Rechner. In dieser persönlichen CO2-Bilanz werden verschiedene Bereiche des Lebens von der Heizung über den Konsum bis zu den Fortbewegungsmitteln betrachtet. Auch das Thema Ernährung spielt in dem Rechner eine Rolle und damit indirekt auch die Landwirtschaft, die man durch sein persönliches Verhalten unterstützt. Berechnet wird nicht nur der individuelle CO2-Ausstoß, sondern auch das CO2, das durch einen klimafreundlichen Lebensstil nicht mehr in die Atmosphäre entweicht. Zum Vergleich wird auch der deutsche Durchschnitt angezeigt.

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Eric Neuling
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2 Kommentare

R. Kappenstein

12.10.2017, 18:41

Die im Artel erwähnten frühzeitigeren Heimkehren der Zugvögel muss m.E. sehr mit Vorsicht geäußert werden. Ich führe Buch und kann berichten, dass das m.E. gar nicht der Fall ist. Es kommt sogar vor, dass Zugvögel - wie die Mehlschwalben dieses Jahr - später zurück kamen.

Eric Neuling

13.10.2017, 13:53

Lieber Herr Kappenstein, natürlich gibt es jährlich schwankende Ankunftzeiten von Zugvögeln und für einige Arten sicher auch spätere Ankunftstermine. Laut Auswertungen von 50.000 Datensätzen für den European Bird Census Council konnten Veränderungen bei 51 Vogelarten aus 18 europäischen Ländern zwischen den Jahren 1990 und 2008 festgestellt werden. Dabei wurden für Deutschland frühere Rückkehrtrends bei einigen Kurzstreckenziehern festgestellt, u. a. Heidelerche und Stieglitz.

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