Rebound. Effizienz. Backfire. Wie bitte?
Da ich mich privat seit meiner Jugend mit Basketball befasse, ist mir „Rebound“ auf jeden Fall ein Begriff: Der Ball prallt bei einem nicht erfolgreichen Korbwurf von Korb oder Brett zurück und wird von einem Spieler wieder gefangen. Meistens waren das die größeren Mit- oder Gegenspieler. Aber ein Rebound war und ist immer die Option für einen neuen Angriff.
Als ich angefangen habe, mich mit nachhaltigem Wirtschaften, Klimawandel und Energieeffizienz zu befassen, bin ich wieder auf den Begriff „Rebound“ gestoßen. Die Freude, endlich einem mir bekannten Begriff zu begegnen wich jedoch schnell der Ernüchterung, als die Bedeutung von „Rebound“ und Rebound-Effekten in der Ökonomie klar wurde: Effekte die das Einsparpotenzial von Effizienzmaßnahmen reduzieren oder ganz vernichten.
Gut. Um den Begriff (oder das Konzept) Rebound-Effekt zu verstehen, muss man also erst einmal wissen, was Effizienz ist. Die Wirkung von Effizienz & Rebound kann, oder eigentlich muss, sowohl bei die Materialressourcen als auch bei Energieressourcen betrachtet werden.
Der Fokus dieser Blog-Serie liegt aber im Bereich Klimaschutz – und damit auch im Bereich Energie. Auf Effizienz und Rebound-Effekte bei der Materialnutzung werde ich in diesem Beitrag nicht oder kaum eingehen. Dass es aber einen grundlegenden Zusammenhang zwischen Materialverbrauch und Energienutzung bzw. Klimaschutz gibt, habt ihr ja wahrscheinlich ohnehin in unserem Beitrag zu „Grauen Energie“ erfahren. Aber zurück zur Effizienz, genauer zur Energieeffizienz.
Efficiency first!?
Energieeffizienz ist ein Maß für den Aufwand von Energie zur Erreichung eines bestimmten Nutzens. Also wie viel Strom benötige ich, um ein Loch in die Wand zu bohren. Oder wie viel Kraftstoff verbraucht mein Gefährt, um 100 Kilometer weit zu kommen. Durch Effizienzsteigerungen kann also entweder die eingesetzte Energie bei gleichbleibender Leistung verringert werden oder die Leistung pro eingesetzter Energieeinheit erhöht und damit das wirtschaftliche Wachstum (mehr Konsum!) weitgehend vom Energieverbrauch entkoppelt werden. Schließlich kann ich doch zehn Mal so viele Kühlschränke betreiben, wenn jeder Kühlschrank nur noch ein Zehntel verbraucht. Es ist also kein Wunder, wenn die Politik Energieeffizienzsteigerungen als probates und kostengünstiges Mittel sieht, um den fossilen Energieverbrauch und damit die Treibhausgasemissionen zu vermindern – bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum.
Ist Effizienz also die Wunderwaffe für den Umwelt- und Klimaschutz? Prinzipiell ja. Aber ganz so einfach ist das leider nicht. Denn effizientere Technologien können auch zu mehr, statt zu weniger Verbrauch führen. Genau dieses Phänomen nennt man „Rebound-Effekt“. Und jeder von euch kennt es.
Ich möchte mehr vom weniger!
Um klar zu machen, was ein Rebound-Effekt ist und wie er zustande kommt, möchte ich ein paar Beispiele aufzeigen:
- Autos, oder zumindest deren Leistung, werden durch Effizienzsteigerungen günstiger. Beim nächsten Kauf kann die Entscheidung dann zugunsten des größeren Modells ausfallen, das wiederum mehr verbraucht. Die geringeren Kraftstoffkosten (pro Kilometer) können sich aber auch auf das Fahrverhalten auswirken. Weil es ja billig ist, werden kürzere Wege häufiger mit dem Auto zurückgelegt, längere Strecken gefahren und öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad dafür weniger genutzt. Durch die Effizienzsteigerung wird das Auto also intensiver genutzt. Inklusive CO2-Ausstoß.
- 2000 Jahre nach seiner Erfindung durch die Chinesen wird Papier nur noch mit einem Hundertstel an Material und Energie hergestellt. Gleichzeitig verbraucht die Menschheit so viel Papier wie nie zuvor.
- Durch Effizienzmaßnamen ist der durchschnittliche Energieverbrauch pro Quadratmeter Wohnfläche von 2000 bis 2015 um ca. 15 Prozent gesunken. Im selben Zeitraum nahm aber auch die tatsächlich genutzte Wohnfläche pro Person um 13,9 Prozent (von 39,5 m² auf 46,5 m²) zu.
- Energetisch sanierte Wohnungen erreichen oft nicht die versprochenen Energieverbrauchswerte. Das liegt häufig auch daran, dass die Bewohner nun die Wohnung etwas wärmer beheizen als vorher.
- Fernseher, Handys, Smartphones, Tablets. Alles wird energieeffizienter. Doch haben wir immer mehr elektronische Helferlein und wir nutzen sie lange nicht bis zum Lebensende, sondern kaufen neue, obwohl die „alten“ immer noch völlig funktionsfähig sind.
- E-Bikes waren einst die Hoffnung, Autofahrer auf ein (elektrisch unterstütztes) Fahrrad zu locken. Durch den Preisverfall und die Weiterentwicklung der Akkus steigen nun aber viele Fahrradfahrer vom „normalen“ Fahrrad zum E-Bike um. Zwar werden durch den Umstieg auf E-Bikes nun auch weniger Autos verwendet, aber durch die schlechtere Ökobilanz der E-Bikes im Vergleich zum muskelbetrieben Fahrrad schlägt auch hier ein stückweit der Rebound zu.
Die Beispiele zeigen, dass eine (gewollte?) Energieeinsparung schneller zu einem höheren Verbrauch führen kann, als erwartet. Es gibt also Rückkopplungseffekte, die überwiegend auf Verhaltensänderungen zurückzuführen sind.
Es gibt nicht DEN Rebound-Effekt
Beim genauen betrachten der Beispiele zeigt sich, dass es verschiedene Dimensionen der Rebound-Effekte gibt. Nun, Wissenschaftler haben 28 verschiedene Definitionen ausfindig gemacht. Die drei gängigsten Definitionen lauten:
- Direkte Rebound-Effekte = erhöhte Nachfrage nach einer durch die Effizienzsteigerung günstiger gewordenen Energiedienstleistungen / Produkte – ein Preiseffekt (ein Produkt wird billiger, deshalb kaufen es mehr Menschen),
- Indirekte Rebound-Effekte = erhöhte Nachfrage nach anderen energie- und ressourcenverbrauchenden Produkten und Dienstleistungen, da die eine Energiedienstleistung infolge der durch die Effizienzsteigerung eingesparten Energiekosten kostengünstiger geworden ist – ein Einkommenseffekt (durch die Einsparung bspw. beim Tanken kaufe ich mir „endlich“ das zweite Tablet) und
- Makroökonomische Effekte = Effizienzsteigerungen verändern potenziell Angebot und Nachfrage in der gesamten Wirtschaft und führen zu Strukturveränderungen und meist auch zu wiederum ressourcenverbrauchsfördernden Wachstumseffekten
Die Vorstellung der 25 weiteren Definitionen erspare ich mir an dieser Stelle. Wer aber gerne tiefer in diese spannende Materie eintauchen möchte, dem seien die Arbeiten von Tilmann Santarius empfohlen.
Auf einen Begriff möchte ich dennoch kurz eingehen: Backfire! Es kann vorkommen, dass der Rebound-Effekt so stark zuschlägt, dass der gesamte Verbrauch sogar zunimmt (d. h. mehr als 100 % Rebound). In diesem Fall spricht man vom Backfire-Effekt. Dazu drei Beispiele zur Illustration: (Quelle: energie-lexikon.info)
Wenn neue Straßen gebaut werden, um Staus zu vermindern, könnte bei gleich bleibender Verkehrsmenge der Benzinverbrauch reduziert werden. Erfahrungsgemäß steigt aber der Verkehr in Ballungszentren immer so lange an, bis die jeweiligen Kapazitäten überbeansprucht sind, weil erst dann ein Umstieg auf öffentlichen Verkehr auch einen Zeitgewinn oder erhöhte Bequemlichkeit bedeutet. Deswegen dürften Erhöhungen der Straßenkapazitäten zumindest in Ballungszentren mittelfristig zwar den Kraftstoffverbrauch pro Fahrzeug ein wenig reduzieren, vor allem aber die Verkehrslast und damit auch den gesamten Kraftstoffverbrauch erhöhen.
Die Energieeffizienz der Straßenbeleuchtung wurde in den letzten 100 Jahren gewaltig gesteigert, und trotzdem ist der Energieaufwand pro Kilometer beleuchteter Straße erheblich gestiegen, weil die Ansprüche an die erreichte Helligkeit stärker zunahmen als die Effizienz der Leuchtmittel. Ein wesentlicher Teil dieser Zunahme der Ansprüche dürfte der erhöhten Effizienz und den deswegen reduzierten Kosten zuzuschreiben sein, also ein Rebound-Effekt sein. Allerdings ist schwer festzustellen, in wieweit die Ansprüche an die Straßenbeleuchtung auch ohne Effizienzgewinne gestiegen wären.
Den größten Backfire findet man wohl bei Computern: Jeder Effizienzgewinn in der Rechenleistung hat für einen exponentiellen Anstieg in der Anwendung und Leistung von Rechnern geführt. Manche beschreiben das auch als „Neue Märkteeffekt“.
Was tun?
Wie hoch sind denn die Auswirkungen des Rebound-Effektes überhaupt? Tilmann Santarius gibt die Faustformel „Fifty-Fifty“ für die Berechnung von langfristigen, mittleren gesamtwirtschaftlichen Rebound-Effekten an. Das heißt, Effizienzmaßnahmen realisieren nur 50 Prozent der versprochenen Einsparung.
Dennoch: Die Erhöhung der Effizienz im Umgang mit Energie und natürlichen Ressourcen hat sich zu einer Schlüsselstrategie nationaler sowie globaler Umwelt- und Wirtschaftspolitik entwickelt. Denn effizientere Technologien und Verhaltensweisen sollen den Energie- und Ressourcenverbrauch der Menschheit reduzieren und somit einen effektiven Beitrag zur Erfüllung der notwendigen Umwelt- und Klimaschutzziele leisten. Durch die Wirkung der Rebound-Effekte wird das Erreichen dieser Ziele erschwert. Experten sind sich weitestgehend einig, dass es möglich ist, zumindest eine Zeit lang in diesem Zustand der Grenzüberziehung zu verweilen. Aus der Ökologie ist aber hinreichend bekannt, dass sich jede parasitäre Lebensform zum Zweck des Selbsterhalts an einer Grundregel orientieren muss: Vernichte nie deinen Wirt! Dem grenzenlosen Mehrverbrauch sind also naturwissenschaftliche Grenzen gesetzt.
Der effektivste Weg, Rebound-Effekte zu vermeiden, und damit tatsächlich zu Energie- und CO2-Reduktion beizutragen ist wohl Genügsamkeit – also Suffizienz. Dabei geht es nicht um Askese oder totalen Verzicht. Vielmehr geht es um die freiwillige Einschränkung des Verbrauchs durch den Verzicht auf übermäßigen (und unnötigen?) Konsum. Ein suffizientes Leben ist das Streben nach einer hohen Lebensqualität, die sich aber nicht (alleine) durch den Konsum definiert. Es mag vielleicht paradox klingen, aber die (vollständige) Nutzung von Smartphones kann bereits ein Suffizienzansatz sein. Smartphones können durch ihren großen Funktionsumfang und die immer weiter steigende Rechenleistung viele andere Energieverbraucher ersetzen: MP3-Player, Navigationssystem, Handy, Wecker, Kamera und zukünftig vielleicht sogar das Notebook
Aber selbst Suffizienz ist nicht zwingend frei von Rebound-Effekten. Wer beispielsweise auf eine teure (klima- und umweltschädliche) Weltreise verzichtet, kann sich stattdessen einen Anbau für sein Haus leisten. Dies hat aber einen erhöhten Bedarf an grauer Energie für den Bau und einen dauerhaft erhöhten Aufwand an Betriebsenergie zur Folge.
Fazit: Effizienz ist wichtig, wenn sie effektiv eingesetzt wird!
Wir brauchen Energieeffizienz! Als wertvolles Instrument für den Klimaschutz kann sie aber nur funktionieren, wenn der Rebound-Effekt verhindert oder wenigstens minimiert wird! Und das kann nur gelingen, wenn wir unsere Verhaltensweise auf den Prüfstand stellen und endlich die gesamtgesellschaftliche Suffizienzdebatte starten. Um effektiven Klimaschutz zu betreiben, muss das Motto lauten: Suffizienz! Effizienz! Naturverträgliche erneuerbare Energien!
Bild oben im Header: Immer mehr elektronische Helferlein, die den Energieverbrauch in die Höhe treiben. Foto: NABU / Sebastian Hennigs
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1 Kommentar
Sabine
30.08.2017, 21:01Dies ist insbesondere auch beim Licht zu sehen. Es wird dank LED nicht nur massiv heller, sondern leider wird beim Thema künstliches Licht nur noch auf Effizienz geschaut. Das bedeutet, das vornehmlich grelles Licht eingesetzt. Frühere 'Licht-Katalysatoren' wie Lichtlenkung und Lichtfarbe (Insektenfreundliches Orange) spielen kaum eine Rolle. Aber es gibt auch positive Beispiele wie das des Sternenpark Rhön. Dort wird bei Neuinstallationen nur noch umweltverträgliches Licht eingesetzt: nur voll-abgeschirmte Leuchten mit nicht mehr als 3000 K Farbtemperatur.