„Sharing Non-Economy“ statt „Sharing Economy“

Zum heutigen Verbrauchertag hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände das Thema „Sharing“ aufs Programm gesetzt. Eigentlich hatte das Thema seine Hochphase schon vor zwei Jahren, als „Sharing“, „Teilen“ und „Collaborative Consumption“ medial erst völlig überbewertet, und dann als Unterwanderung von Sozialstandards und als neues Geschäftsmodell hoch kapitalistischer Start-Ups genauso stark kritisiert wurde.

Nachbarschaftliches Leihen von Werkzeugen hat einen umweltfreundlichen Mehrwert. Foto: Pumpipumpe

Nachbarschaftliches Leihen von Werkzeugen hat einen umweltfreundlichen Mehrwert. Foto: Pumpipumpe

Aktuell hält Uber das Thema noch in der Diskussion, weil Städte, Kommunen und die Taxibranche gerichtlich gegen Uber vorgehen. Aber ist es ruhig geworden um die Idee, mit einer Stärkung des Konzepts „Nutzen statt Besitzen“ auch Umweltvorteile zu erzielen. Das hat auch der NABU mit dem Konzept verbunden und daher 2012 mit der Heinrich Böll Stiftung die erste Studie zum Thema in Auftrag gegeben.

Die ökologische Utopie: Mehr Teilen und länger Nutzen führt dazu, dass weniger neue Klamotten, weniger neue Autos, weniger neue Elektrogeräte oder weniger neue Hotels produziert oder gebaut werden. Das bedeutet, weniger Verbrauch an natürlichen Ressourcen und mehr Umwelt- und Naturschutz. Damit haben die Geschäftsmodelle der „Sharing Economy“, die heute die Diskussion um „Sharing“ prägen, jedoch nichts zu tun. Der Verdacht ist sogar, dass sie den Ressourcen- und Energieverbrauch beflügeln: airbnb ermöglicht erst günstige Kurztrips, am besten mit dem Flugzeug, Free Floating Carsharing à la Mercedes und BMW lässt die Leute von der U-Bahn auf die kleinen Flitzer umsteigen, die seit Neuestem die Städte zupflastern.

Ob der Eindruck richtig ist oder täuscht, müssten Öko-Bilanzen klären. Die sind aber wegen der starken Verhaltensabhängigkeit nur schwierig und teuer zu erstellen.

Aber vielleicht wäre auch anderes viel wichtiger: Modelle wie foodsharing.de oder tauschring.de nicht mit car2go und airnbn in einem Topf zu werfen. Die Erinnerung daran wieder zu beleben, dass wir schon ewig geteilt haben, und solidarische und umweltfreundliche Aspekte einer „Sharing Non-Economy“ zu stärken, die in der aktuellen Debatte um „Sharing Economy“ gar nicht mehr vorkommen: öffentliche Bibliotheken und Parks, öffentlicher Nahverkehr, Wohngemeinschaften, Spielplätze, nachbarschaftliches Leihen, Flohmärkte etc.: Solidarität und Suffizienz statt Gewinnmaximierung.

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Katharina Istel
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5 Kommentare

David Schlüter

06.07.2015, 16:09

Persönlich finde ich das pauschale Abwerten von Carsharing ohne echte Grundlagen sehr kritisch, siehe Ihre Aussage: "...mit car2go und airnbn in einem Topf zu werfen." und "Free Floating Carsharing ...die seit Neuestem die Städte zupflastern." 1. Genau wie jeder Art von Dienstleistung oder Technik kann auch "Sharing" so oder so verwendet werden. Das es auch hier Konzepte gibt, die auf den Prüfstand gehören ist ok, aber... 2. Können Sie Ihre Aussage belegen "Mercedes und BMW lässt die Leute von der U-Bahn auf die kleinen Flitzer umsteigen"? Bitte schicken Sie mir eine Nachricht mit Datum und Quelle dieser Aussage (Vorschlag: Vielleicht denkbar über Anzahl gekündigte BVG-Abos?). Ich habe übrigens gegenteiliges gelesen, dass Car2Go zum 01.04.2014 erstmals die Geschäftsgebiete in Deutschland verkleinert hat. Wie passt Ihre Theorie mit der aktuellen Entwicklung zusammen? 3. Sagen Sie indirekt das stationäres Carsharing besser ist? 4. Das Thema wäre hochgradig spannend zu diskutieren (wie es auch die verbraucherzentrale gemacht hat). Ihr Beitrag ist aber weder aufklärungsorientiert noch bietet er inhaltlich was neues, sondern meinungsmachend trotz zugegebener fehlender Faktenbasis ("Ob der Eindruck richtig ist oder täuscht, müssten Öko-Bilanzen klären"). Gegenthese / Vision zur Diskussion: Wenn alle Berliner statt einem Auto Carsharing nutzen würden, hätten wir 90% weniger Autos und trotzdem an jeder Ecke ein verfügbares Auto. Wenn davon die meisten Elektroautos wären, sehe es noch besser aus. Wenn der Markt reif wäre, könnte man Carsharing-Angebote für Familien oder auch im Premium-Segment anbieten, um hier eine Diversifizierung zu haben. Auswirkung auf Umwelt / Wirtschaft / Arbeitsplätze / Stadt- und Luftqualität / Möglichkeiten des Ausbaus von Radwegen / Verhinderung von Staus und Smog / Parkplatzproblematik / etc.

Indra Enterlein

08.07.2015, 15:25

Hallo Herr Schlüter, danke für Ihren Kommentar. Derzeit gibt es ein Forschungsvorhaben vom Ökoinstitut zum Thema, das ist aber noch nicht abgeschlossen. Es gibt viele Gründe warum Menschen Car-Sharing-Angebote nutzen. Manchmal steht da ein ökologischer Gedanke dahinter, manchmal ist es einfach praktisch. Freefloater sind Kleinwagen, manchmal Zweisitzer. Im stationären Carsharing findet man zumeist eine Auswahl an Wagen wieder, auch Combis, die man für einen größeren Einkauf nutzen kann. Ich spreche jetzt mal für mich. Ich habe kein Auto. Ich brauche dann eins, wenn ich was transportieren will. Ein Zweisitzer würde mich da vor eine sehr große Herausforderung stellen. Viele Grüße Indra Enterlein (i.V. für Katharina Istel, die gerade im Urlaub ist)

Bibo

29.06.2015, 23:07

Gerade das Beispiel Car2Go bringt doch Leute nicht von der U-Bahn auf die kleinen Flitzer, sondern vom eigenen Auto. Und das ist gerade in verstopften Städten wie Köln, dringend notwendig. Ich habe 2013 mein eigenes Auto abgeschafft und fahre seitdem Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel. Auf Carsharing würde ich mich wohl noch einlassen, um mal etwas schweres zu transportieren wären nicht die Grenzen zu eng gesetzt. Was der Artikel total ignoriert, sind nicht kommerzielle Systeme, wie Bookcrossing, öffentliche Bücherschränke, Foodsharing, Give-Boxen, Umsonstläden, Couchsurfing, Homecrossing. Es muss wirklich nicht mehr jeder alles besitzen.

Katharina Istel

30.06.2015, 09:57

Hallo Bibo, danke für deinen Kommentar. Du hast natürlich Recht damit, dass wenn die Leute in Städten z.B. ihr Auto abschaffen und hauptsächlich mit Fahrrad oder mit dem ÖPNV fahren würde, und ab und an auf Carsharing-Modell umsteigen würden, einen ökologischen Mehrwert hätte. Aber es gibt jedoch auch die andere Seite, dass Leute durch das Angebot animiert werden, Leihautos zu nutzen, wo sie ansonsten vielleicht das Fahrrad genommen hätten. Foodsharing, öffentliche Bibliotheken sind in der Tat zu begrüßen - wir haben diese System im letzten Absatz unseres Artikels angesprochen :-)

Bibo

30.06.2015, 11:08

Und ich glaube, das sind völlig verschiedene Nutzergruppen. Klar ist: Wenn ich in der Innenstadt lebe und ein Fahrrad besitze, brauche ich kein Auto. Leute, die sowieso schon immer viel Rad und ÖPNV genutzt haben, werden also nicht komplett umsteigen, sondern höchstens wenn etwas zu transportieren ist, was nicht auf das Rad passt. Ebenso wird jemand, der schon immer viel Auto gefahren ist und glaubt, ein Auto zu "brauchen" nicht auf das Fahrrad oder den ÖPNV umsteigen. Aber wenn an jeder Ecke so ein blaues Kleinauto steht, wird er sich vielleicht überlegen, das eigene Auto doch abzuschaffen. Die Frage ist: Wer genau sind die Kritiker? Vielleicht Autohersteller? Ich glaube auch nicht, dass für normale Gäste jetzt kein Platz mehr in der Wohnung ist, weil da ein Couchsurfer schläft.

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