Versteckter Energieverbrauch
Dass unser Energieverbrauch Umwelt und Klima schädigt, davon haben die meisten inzwischen gehört: Wir nutzen abschaltbare Steckerleisten, schalten den Fernseher richtig aus, dämmen unsere Häuser besser und nutzen Erneuerbare Energien zum Heizen. Energieeffizienz ist in aller Munde. Weniger bekannt ist den meisten die sogenannte „Graue Energie“, hier kann man noch viel mehr für den Klimaschutz tun – aber was genau ist Graue Energie?
Seit über zehn Jahren befasse ich mich mit der „Grauen Energie“. Als Einstieg nehme ich gerne die Erdbeere als Beispiel: Eine Erdbeere im Juni und eine Erdbeere im Dezember unterscheiden sich – von Geschmack und Preis abgesehen – eigentlich nicht. Doch stammt die Erdbeere im Juni höchstwahrscheinlich von Obstbauern aus der Region. Im Dezember hingegen muss die Erdbeere von der Südhalbkugel importiert oder in Europa in beheizten Gewächshäusern angepflanzt werden. Sie hatte also eine extrem weite Anreise – wahrscheinlich mit dem Flugzeug – oder sie wurde für ihr Wachstum künstlich beleuchtet und beheizt. Transport, Beleuchtung und Beheizung sind mit Energieaufwand und entsprechenden CO2-Emissionen verbunden. Fazit: Die „Winter–Erdbeere“ schadet dem Klima elf Mal mehr als die „Sommer-Erdbeere“.
Dieser Energieaufwand und die CO2-Emissionen sind dem Produkt in der Regel nicht anzusehen, es ist eine Art versteckter Energieverbrauch, der für die Konsumenten nicht direkt sichtbar ist. Daher wird die Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes oder einer Dienstleistung notwendig ist, als „Graue Energie“ bezeichnet. Dabei werden auch alle Vorprodukte bis zur Rohstoffgewinnung berücksichtigt und der Energieeinsatz aller angewandten Produktionsprozesse addiert.
„Graue Energie“ steckt in jedem Produkt – sei es ein Bleistift, eine Schokolade, ein Auto oder mein Regal. Selbst Dienstleistungen wie das Haareschneiden (Anschaffung und Verbrauch von Föhn, Haarschneidemaschine, Schere) oder die Nutzung des Internets beinhalten einen versteckten Energieverbrauch. Leider erfährt die „Graue Energie“ in der öffentlichen Wahrnehmung nahezu keine Beachtung. Dabei gibt es hier enormes Einsparpotenzial!
Wenn man ein neues Produkt kauft, sollte man darauf achten, woher das Produkt kommt und unter welchen Bedingungen es hergestellt wurde. In vielen Teilen der Welt werden die von uns konsumierten Produkte überwiegend nicht mit erneuerbaren Energien hergestellt, die Herstellungsprozesse sind nach Einschätzung des NABU in der Regel ineffizient. Bislang ist es sehr aufwändig, die Menge an versteckter Energie zu bestimmen, das ist kompliziert und teuer – aber machbar. Der NABU fordert, dass zukünftig alle Unternehmen, in die Lage versetzt werden, den Verbrauch an „Grauer Energie“ benennen zu können: als Zwischenschritt zum Beispiel durch freiwillige Deklarationen, mittelfristig müssen politische Mindeststandards und Grenzwerte formuliert und umgesetzt werden.
Gerade bei elektronischen Produkten und Gebäuden wird deren Bedeutung immer wichtiger: Auch dank der EU-Gesetzgebung verbrauchen sie immer weniger Strom oder Energie zum Heizen. Diese Einsparungen werden allerdings zunichtegemacht, wenn wir immer schneller neue Produkte kaufen, die Lebensdauer der Geräte immer kürzer wird oder Wohnflächen immer größer: Dann steigen Energieverbrauch und CO2-Emissionen trotzdem – denn dem Klima ist es letztlich egal, ob das CO2 aus unserem eigenen Schornstein kommt oder aus den Fabrikschloten der Hersteller.
Die beste Möglichkeit, um versteckte Energien im eigenen Alltag zu reduzieren und damit das Klima zu schützen, ist, sich immer zu überlegen, ob eine Neuanschaffung überhaupt notwendig ist. Hält das Handy nicht noch ein Jahr? Muss es das dritte Paar Laufschuhe sein? Ist der Fernseher wirklich zu klein? Müssen es Erdbeeren im Winter oder Tomatensoße im klimaschädlichen Einwegglas sein? Weniger zu konsumieren, ist der effektivste Weg, um „Graue Energie“ und damit CO2 einzusparen. Das funktioniert auch durch Leihen in der Nachbarschaft oder den Kauf gebrauchter Dinge – ob Elektrogeräte, Kleidung oder Möbel: Das Klima dankt!
Mehr Infos und 77 Klimaschutz-Tipps vom NABU vom Einkaufen bis zum Verkehr findest Du hier.
Dieser Tipp ist als Gastbeitrag des NABU auf dem IKEA-Unternehmensblog erschienen. Seit Januar 2020 veröffentlichen wir jeden Monat einen Tipp für ein nachhaltigeres Leben. Der NABU und IKEA sind seit 2011 Kooperationspartner. Die Illustrationen stammen von der Grafikerin Jule Roschlau.
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1 Kommentar
Wolfgang Nießen
17.12.2020, 15:39Sehr guter Artikel. Meine Frau und ich ärgern uns oft über Produkte von minderer Qualität, und auch genau deswegen, weil da viel CO2 in die Atmosphäre abgegeben wird, was durchaus vermeidbar wäre, wenn die Produkte einfach qualitativer wären. Viele Grüße Wolfgang