Europäische Kommission legt Grundstein für Klimaschutz in der Seeschifffahrt

Europäische Kommission legt Grundstein für Klimaschutz in der Seeschifffahrt

Die Schifffahrt wurde in der Klimadebatte lange sträflich vernachlässigt, trägt jedoch insgesamt etwa zwei Prozent der weltweiten Treibhausgasemission bei. Nachdem die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) keine effektiven Klimaschutzmaßnahmen vorlegte, sollen nach dem Willen der Europäischen Kommission europäische Vorgaben zukünftig dazu beitragen, die enormen Emissionen in der Seeschifffahrt nachhaltig zu verringern. Die Kommission veröffentlichte am 14. Juli das lang erwartete „Fit for 55“-Package, welches einen klimafreundlicheren Ansatz in der europäischen Industrie und Gesellschaft verankern und das Ziel von 55 Prozent Treibhausgasminderung bis 2030 umsetzen soll, mit gravierenden Auswirkungen auf die Schifffahrt. Und tatsächlich sind die geplanten Maßnahmen so weitreichend und umfassend wie nie zuvor im marinen Sektor. Doch es gibt auch Schwachstellen, wie ein genauerer Blick auf das Paket und dessen Auswirkungen auf den Schiffsverkehr zeigt.

Emissionshandel in der Seeschifffahrt

Das europäische Emissionshandelssystem (Emission Trading System, ETS) soll über die Wirkweise des freien Marktes geringere Emissionen unter geringen volkswirtschaftlichen Kosten bewirken. Die Schifffahrt war lange von diesem Handel ausgenommen, soll jedoch nach den Plänen der Europäischen Kommission diesen Sonderstatus zeitnah verlieren.

Innerhalb der EU sollen die Emissionen des Schiffsverkehrs zu 100 Prozent, Fahrten mit entweder Start- oder Zielhafen innerhalb der EU zu 50 Prozent in den Emissionshandel einbezogen werden. Greifen sollen die Vorgaben schrittweise ab 2023 für Schiffe ab 5000 Bruttoregistertonnen, insgesamt wären somit etwa zwei Drittel der Gesamtmissionen in der Seeschifffahrt vom ETS betroffen. Auch wenn der Entwurf eine vielversprechende Grundlage zur Senkung der Treibhausgasemissionen in der Schifffahrt darstellt, kann dies doch nur ein erster Schritt sein, um die enorm klimaschädlichen Emissionen von Container- und Kreuzfahrtschiffen zu beschränken.

Die schrittweise Einführung ab 2023 sieht den vollständigen Handel der Schifffahrtsemissionen erst drei Jahre ab Einführung vor, laut Vorschlag der Kommission also ab 2026. Die regulierte Instanz wird laut Vorlage der Schiffseigentümer sein, nicht der Betreiber – diese Regelung unterläuft jedoch das Verursacherprinzip und sollte nachgebessert werden. Die Erlöse aus dem ETS sollen in den sogenannten ‚Innovation Fund‘ einfließen, welcher Forschung und Implementierung klimafreundlicher Technologien unterstützen soll.

Nachbesserungsbedarf bei alternativen Kraftstoffen

Neben der Ausweitung des ETS nimmt auch die Verordnungsvorlage „FuelEU Maritime“ großen Einfluss auf die Pläne der EU für eine klimafreundlichere Schifffahrt. Während verbindliche Vorgaben zur Dekarbonisierung mariner Kraftstoffe im Zeitraum bis 2030 prinzipiell dringend notwendig sind, steuert die Europäische Kommission mit diesem Entwurf im Gegensatz zur Einbindung der Seeschifffahrt in den ETS  geradewegs auf ein Klimaschutz-Desaster zu. Die Antriebsdiskussion in der Schifffahrt könnte um Jahre zurückgeworfen und langfristige Lock-in-Effekte hervorgerufen werden.

Die Förderung nachhaltiger Schiffskraftstoffe und emissionsfreier Technologien durch die Einführung einer Treibhausgasminderungsquote für marine Energieträger ist zwar grundsätzlich begrüßenswert, sieht jedoch grundlegend falsche Ansätze vor. Durch die angestrebte Technologieoffenheit würde  indirekt eine starke Verschiebung hin zur vermehrten Nutzung von Flüssiggas (Liquified Natural Gas, LNG) und Biokraftstoffen, beides mit stark negativer Klimabilanz, bewirkt werden. Auch die überarbeitete Verordnung über Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (Alternative Fuel Infrastructure Directive, AFID) fordert ab 2025 LNG-Bunkerstationen in Häfen und wird diesen Trend noch weiter befeuern.

Während LNG durch den niedrigen Preis und geringe Luftschadstoff-Emissionen als Treibstoff in der Schifffahrt zunehmend an Fahrt gewinnt, ist der dabei nicht zu verhindernde Methanschlupf ein veritabler Klimakiller. Die Klimabilanz von LNG verschlechtert sich durch diesen Effekt grundlegend und kann laut einer Studie des International Council for Clean Transportation (ICCT) mit Schweröl und Marinediesel auf eine Stufe gestellt werden. Aufgrund der langen Lebensdauer von Schiffen (ca. 20-40 Jahre) bietet eine Umstellung auf LNG somit die Gefahr langfristiger Lock-in-Effekte für fossiles Erdgas. Die Argumentation, dass LNG als ‚Übergangstechnologie‘ diene, trägt so jedenfalls nicht.

Auch Biokraftstoffe bieten keine wesentlichen Vorteile – im Gegenteil, die ökologischen Kosten dieser Technologie übertreffen die Vorteile bei Weitem. So sind sie aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit nachhaltiger Biomasse nicht skalierungsfähig. Der notwendige Fokus auf Monokulturen von Mais und Raps zur Herstellung von Biokraftstoffen kann nur mit erheblichen Schäden für Natur und Umwelt einhergehen. Weitere Anreize für diese Energieträger sollten somit unbedingt vermieden und stattdessen strombasierte flüssige oder gasförmige Kraftstoffe stärker in den Fokus gerückt werden.

Erfreulich ist hingegen, dass die Nutzung von Landstrom für Container- und Passagierschiffe verpflichtend wird. Zwar ist die Vorlaufzeit bis 2030 deutlich zu großzügig bemessen, nichtsdestotrotz ist die Intention aus NABU-Sicht positiv zu bewerten. Eine verpflichtende Einführung schon ab 2025 etwa würde jedoch den Klimaschutzeffekt gerade in Hinsicht auf die Klimaziele 2030 enorm erhöhen.

Weiterer Ausblick

Die Pläne der europäischen Kommission übertreffen die dramatisch unterambitionierten Vorgaben der IMO um ein Weites und könnten so auch auf globaler Ebene schärfere Emissionsvorgaben in der Seeschifffahrt bewirken. Mit Nachbesserungen zur stärkeren Berücksichtigung von nachhaltigen Treibstoffen wie Wasserstoff, gegebenenfalls auch Ammoniak oder Methanol, könnte eine klima- und umweltfreundlichere Schifffahrt von dem Entwurf durchaus profitieren. Ein Ende des LNG-Hypes sowie der grundsätzlichen Steuerausnahmen für maritimen Treibstoff ist jedoch dringend notwendig, um eine Stagnation oder gar Erhöhung der Treibhausgasemissionen zu verhindern und die Klimabilanz in der Schifffahrt nachhaltig zu verbessern. Auch striktere Durchsetzungsmechanismen und ein konkreter Fokus auf Effizienzsteigerungen würden helfen, die Klimabilanz in der Schifffahrt durch beispielsweise den Einsatz von windunterstützten Technologien zu verbessern. Während der Entwurf den Nutzen von windgestützter Technologie und Effizienzsteigerungsmaßnahmen prinzipiell anerkennt, bietet die Vorlage der Europäischen Kommission bei der konkreten Ausgestaltung dieser Ansätze noch viel Verbesserungspotential.

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