Hoffnung für den Ostseeschweinswal

Hoffnung für den Ostseeschweinswal

Der internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hat Ende Mai Notfallmaßnahmen1 für die vom Aussterben bedrohte Population des Schweinswals in der zentralen Ostsee vorgeschlagen. Die Hauptbedrohung für den einzigen heimischen Wal der Nord- und Ostsee ist der unbeabsichtigte Fang (Beifang) in Stellnetzen und genau hier setzen die Notfallmaßnahmen an. Denn selbst der Fang eines einzigen Weibchens würde sich negativ auf die bereits sehr stark dezimierte Population auswirken und das Überleben dieser faszinierenden Tiere gefährden.

Noch zu retten?

Der Schweinswal bevorzugt Bereiche in der Nähe der Küste, dort jagt er kleine Fische wie Grundeln, Heringe oder auch Plattfisch und Dorsch. Er taucht also dort vermehrt auf, wo auch besonders viele Stellnetze vorkommen und Fischer ihre Fanggründe haben. Das hat zur Folge, dass jedes Jahr einige dieser beeindruckenden und für den Lebensraum Ostsee wichtigen Tiere in den Stellnetzen der Fischerei verenden. Da die Population des Schweinswals in der zentralen Ostsee aus weniger als 500 Tieren besteht, ist jeder gefangene Schweinswal ein Tier zu viel und folglich stufen die Weltnaturschutzunion (IUCN) und das Regionalabkommen HELCOM die (Teil-)Population als akut vom Aussterben bedroht ein. Zudem stellen der hohe Verschmutzungsgrad der Ostsee und Unterwasserlärm, der zum Beispiel beim Bau von Offshore-Windanlagen entsteht, weitere Bedrohungen für die Tiere dar. Es besteht also dringender Handlungsbedarf!

Was muss passieren?

Soll unser einziger heimischer Wal in der zentralen Ostsee eine Zukunft haben, muss die Beifangrate weniger als ein Tier pro Jahr betragen. Um dies zu erreichen, haben die Wissenschaftler des ICES vorgeschlagen den Einsatz von Stellnetzen in bestimmten Gebieten und zu bestimmten Zeiten komplett zu verbieten. So empfiehlt ICES in den deutschen Schutzgebieten Adlergrund, Westliche Rönnebank, Pommersche Bucht mit Oderbank und Greifswalder Boddenrandschwelle und Teile der Pommerschen Bucht die Stellnetzfischerei von November bis Januar zu untersagen, denn in den Wintermonaten tauchen hier relativ viele Schweinswale auf.

Für den Ostseeschweinswal wichtige Areale und Natura-2000 Gebiete in der deutschen und polnischen Ostsee (Quelle: ASCOBANS, 2016)

Für den Ostseeschweinswal wichtige Areale und Natura-2000 Gebiete in der deutschen und polnischen Ostsee (Quelle: ASCOBANS, 2016)

Zudem sollen im Verbreitungsgebiet des Schweinswals technische Vergrämungsmethoden, so genannte Pinger (akustische Signalgeber), zum Einsatz kommen, die den Beifang potenziell um 50 bis 80 Prozent reduzieren können (Orphanides and Palka, 20133). Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass ICES darauf verweist, dass das einzig wirksame Mittel  das Verbot der Fischerei  in den Schutzgebieten des Natura-2000-Netzwerkes ist, wohingegen Pinger, bis auf zwei Ausnahmen, nur in Gebieten außerhalb der Schutzgebiete zum Einsatz kommen sollen. Die Gebiete sind extra für den Schutz der Wale eingerichtet worden. Aus naturschutzfachlicher Sicht, wäre es daher absurd, wenn  die Tiere jetzt aus den Gebieten vertrieben würden.

Weitere ICES Empfehlungen adressieren die verbesserte Überwachung (Monitoring) zum Vorkommen des Schweinswals, des Fischereiaufwands (Beifang) in den relevanten Gebieten sowie eine ausreichende Kontrolle, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen auch eingehalten werden. Nur so können wir unseren Kenntnisstand über den Schweinswal und seine Bedrohungen weiter verbessern, die Effektivität der Maßnahmen beurteilen und falls erforderlich weitere Maßnahmen ableiten. Zudem sollen verstärkt Fischfangmethoden (z.B. Reusen und Fischfallen) entwickelt und eingesetzt werden, die nachweislich eine geringe Gefahr für Schweinswale mit sich bringen.

Meilenstein für den Schutz des Schweinswals

Die Maßnahmenvorschläge stellen einen Meilenstein für den Schutz des Schweinswals in der Ostsee dar. Sie reflektieren den bereits in der nationalen MSRL Bewertung 20184 bestätigten dramatischen Zustand des Schweinswals, machen klare quantifizierbare Vorgaben und verdeutlichen somit den dringenden Handlungsbedarf Deutschlands, der anderen Ostseeanrainerstaaten und der Europäischen Kommission.

Einen Schwachpunkt stellt allerdings die recht kurze Zeitspanne dar, in der die Stellnetzfischerei in den deutschen Schutzgebieten verboten sein soll. Laut des Abkommens zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee (ASCOBANS) spielen diese Gebiete von November bis April eine wichtige Rolle für den Schweinswal (in den Wintermonaten kommen dort vermehrt Schweinswale vor) und folglich sollten Stellnetze auch für den gesamten Zeitraum und nicht nur von November bis Januar aus den Gebieten ausgeschlossen werden. Zudem bleibt unklar, ob durch diese zeitliche Begrenzung der Einsatz von Pingern von Februar bis April auch in den deutschen Schutzgebieten empfohlen wird. Dieses wäre aus oben genannten Gründen klar abzulehnen!   

Dennoch begrüßt der NABU die Empfehlungen des wissenschaftlichen Rates für Meeresforschung und wird sich dafür einsetzen, dass diese Empfehlungen international aber vor allem auch national umgesetzt werden, um den Beifang deutlich zu reduzieren und dem Kleinen Tümmler, wie der Schweinswal auch genannt wird, eine Zukunft zu geben.

1ICES 2020. EU request on emergency measures to prevent bycatch of common dolphin (Delphinus delphis) and Baltic Proper harbour porpoise (Phocoena phocoena) in the Northeast Atlantic. In Report of the ICES Advisory Committee, 2020. ICES Advice 2020, sr.2020.04. https://10.17895/ices.advice.6023.
2ASCOBANS. 2016. ASCOBANS Recovery Plan for Baltic Harbour Porpoises: Jastarnia Plan (2016 Revision). Agreement on the Conservation of Small Cetaceans in the Baltic, North East Atlantic, Irish and North Seas (ASCOBANS).
3Orphanides, C. D., and Palka, D. L. 2013. Analysis of harbor porpoise gillnet bycatch, compliance, and enforcement trends in the US northwestern Atlantic, January 1999 to May 2010. Endangered Species Resolution, 20: 251–269.
4BLANO (2018) Zustand der deutschen Ostseegewässer – Bericht gemäß § 45j i.V.m. §§ 45c, 45d und 45e des Wasserhaushaltsgesetzes

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Dr. Thorsten Werner
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