Klimaziele nicht erreicht? Ziele abgeschafft!

Klimaziele nicht erreicht? Ziele abgeschafft!

Die Ampel-Regierung will das Klimaschutzgesetz massiv abschwächen, frei nach dem Motto: Wer seine Ziele nicht erreicht, der schaffe sie ab. Im Juni wurde dazu ein Entwurf zur Änderung des Klimaschutzgesetzes vom Bundeskabinett beschlossen.

Wozu braucht es ein Klimaschutzgesetz?

Die letzte Große Koalition unter Angela Merkel ist nicht unbedingt durch ihre fortschrittliche Klimapolitik aufgefallen. Eines hat sie aber doch in die Wege geleitet, unter anderem durch den Druck der Umweltverbände und der Fridays-for-Future-Bewegung: 2019 wurde ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Treibhausgasreduktionszielen für die unterschiedlichen Sektoren eingeführt. Das Gesetz regelte, dass Deutschland sein Klimaziel für 2030 einhält, mit Vorgaben für jedes Jahr. Genau diese Ziele wurden in den letzten Jahren wiederholt verfehlt – insbesondere von den Sektoren Gebäuden und Verkehr.  

Was in diesem Fall passieren soll, wurde ebenfalls durch das Klimaschutzgesetz geregelt. Sobald ein Sektor seine Treibhausgasminderungsziele für ein Jahr verfehlte,war das zuständige Bundesministerium gesetzlich verpflichtet, ein Sofortprogramm mit Maßnahmen vorzulegen, die eine Kurskorrektur erreichen. In den kommenden Jahren sollen so die Ziele wieder eingehalten werden. Ein unabhängiges wissenschaftliches Gremium, der Expertenrat für Klimafragen, bewertete die Maßnahmen.

Abschwächung des Gesetzes in Sicht

Doch nun hat sich die Ampel-Regierung kurzerhand entschlossen, eben diesen Steuerungsmechanismus abzuschaffen (unsere Stellungnahme dazu findet sich hier). Der Entwurf zur Änderung des Klimaschutzgesetzes sieht folgende Abschwächung des Klimaschutzgesetzes vor:    

  • Abschaffung der Sektorziele: statt sektorbezogene Ziele zu definieren, wird es nur noch eine Gesamtbetrachtung der Emissionen geben. 
  • Abschaffung der Ressortverantwortlichkeit: die klare Zuständigkeit einzelner Ministerien für die Zielerreichung in einem bestimmten Sektor fällt weg. Stattdessen ist die Regierung insgesamt verantwortlich, ein gemeinsames Ziel zu erreichen. 
  • Verspätete Nachsteuerung: statt jährlich auf Zielverfehlungen zu reagieren, soll zukünftig nur noch mit Maßnahmen nachgesteuert werden, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Jahren eine Zielverfehlung für das Gesamtziel bis 2030 projiziert wird. 

Wie bewertet der NABU dies?

Diese Abschwächung des Klimaschutzgesetzes stellt einen bedeutenden Rückschritt für den Klimaschutz in Deutschland dar, defacto ist es ein Rückschritt hinter die Klimapolitik der Großen Koalition. Durch klare Sektorziele wird eine sektorbezogene Verantwortlichkeit festgelegt, die sicherstellt, dass jeder Sektor seinen Beitrag zur Gesamtemissionsreduzierung leistet. Es ermöglicht auch eine gezieltere Überwachung, Bewertung und Anpassung von Maßnahmen in den einzelnen Sektoren, um die Klimaziele effektiv zu erreichen. Ohne verbindliche Ziele werden die Bemühungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen in den jeweiligen Sektoren voraussichtlich zurückgehen.

Wärmepumpen leisten einen wichtigen Beitrag zu den Klimazielen im Gebäudesektor – Foto: NABU/Jan Piecha

Dies wird aller Voraussicht nach dazu führen, dass Deutschland seine internationalen Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Abkommens nicht erfüllen kann und seinen Beitrag zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs nicht leisten wird.  

Bereits im Jahr 2022 musste Deutschland für seine verfehlten Klimaziele über elf Millionen Emissionsberechtigungen von Tschechien, Bulgarien und Ungarn kaufen, um die Überschreitung der Emissionsvorgaben auszugleichen. Viel Geld, das an anderer Stelle für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen fehlt. Und es geht noch weiter: Ab diesem Jahr wird es voraussichtlich keine Übererfüllung der Ziele in anderen Staaten geben, sodass der Kauf von Emissionsberechtigungen nicht mehr möglich sein wird und Strafzahlungen den Bundeshaushalt in der Zukunft belasten werden.  

Die Abschwächung des Klimaschutzgesetzes verzögert die dringend notwendige Transformation hin zur Treibhausgasneutralität, die sowohl politisch, wirtschaftlich als auch verfassungsrechtlich geboten ist. Diesen Rückschritt muss die Bundesregierung unbedingt korrigieren. Nur ein starkes Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Zielen in den Sektoren und effektiven Nachsteuerungsmechanismen schafft die notwendigen Voraussetzungen für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation.

Wie geht es weiter?

Nach der parlamentarischen Sommerpause wird der Gesetzesentwurf weiter diskutiert und wir als NABU werden weiter dafür streiten, dass diese Abschwächung des Klimaschutzes verhindert wird. Parallel zur Änderung des Klimaschutzgesetzes wurde ein Klimaschutzprogramm mit Maßnahmen veröffentlicht, die ebenfalls nicht ausreichen, die Klimaziele in den kommenden Jahren einzuhalten. Wir werden das Programm in den nächsten Wochen ausführlich bewerten und gegenüber der Bundesregierung Stellung nehmen. Der Expertenrat für Klimafragen wird seine Einschätzung am 22. August präsentieren. 

Diesen Beitrag teilen:

Lisa Storcks
Letzte Artikel von Lisa Storcks (Alle anzeigen)

4 Kommentare

Manfred Johnen

10.08.2023, 12:21

Guten Tag liebe Naturisten, es ist wirklich unverständlich, daß die Ampelkoalition, die viele gute Dinge auf den Weg gebracht hat, hier nicht für die Natur / den Klimaschutz handelt. Ich bin SPD-Mitglied und werde das Thema beim nächsten Treffen deutlich ansprechen, immer mit dem Ziel, miteinander und nicht gegeneinander zu reden und zu handeln. In diesem Sinne grüße ich Euch, Manfred Johnen.

Antworten

Joachim Rohde

09.08.2023, 22:31

Hallo, vielleicht solltet ihr mal verdeutlichen, wer in der Ampel-Koalition die größte Bremse der angestrebten Ziele ist!

Antworten

Helmuth Jehle

09.08.2023, 17:52

Es ist zum Verzweifeln. Wegen der paar Landtagswahlen machen sich die Regierungen im Bund und Land schon wieder "in die Hosen". Dabei würden sehr viele Bürger = Wähler (?) die Wahrheit vertragen: Klimaschutzmaßnahmen kosten im Moment viel Geld und es dauert, bis es sich auszahlt. Und die Genehmigungsverfahren müssen endlich deutlich verschlankt und verkürzt werden. Das gilt für die gesamte Verwaltung. Wir benötigen also genau so dringend die Digitalisierung der Verwaltungen. Und wir brauchen Politiker, die sich was zutrauen und nicht (nur) immer auf ihre Wiederwahl hinarbeiten.

Antworten

Klaus Kutzner

09.08.2023, 15:55

Wenn sich doch endlich mal ein Wähler merken würde, wer für die Sabotage der Klimaziele verantwortlich ist, könnte sich die FDP aus der Politik zurück- und bei ihren Klienten einziehen! Und die SPD könnte folgen.

Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte bleibe höflich.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht und Pflichtfelder sind markiert.


%d Bloggern gefällt das: