Schifffahrt nicht auf Klimakurs

Schifffahrt nicht auf Klimakurs

Ein afrikanisches Sprichwort besagt:  „Wenn man schnell gehen will, gehe man allein, wenn man weit gehen will, gehe man zusammen.“ Mit diesem Sprichwort begründete die Sprecherin der deutschen Delegation beim internationalen Seeschifffahrt-Umweltausschuss die Entscheidung Deutschlands, einem ambitionslosen Kompromissvorschlag zum Klimaschutz in der Seeschifffahrt zuzustimmen.

Erstes virtuelles Treffen des Seeschifffahrt-Umweltausschusses

Vom 16. bis 20. November 2020 traf sich der 75. Umweltausschuss (MEPC75) der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) zu einem virtuellen Meeting. Auf dem Treffen wurde unterer anderem über die kurzfristig wirksamen Klimaschutzmaßnahmen entschieden, die ab 2023 gelten sollen. Dem vorangegangen waren monatelange ausgiebige Diskussionen über die verschiedenen Vorschläge. Umweltverbände hatten über die Clean Shipping Coalition, in der auch der NABU Mitglied ist, eine Art Tempolimit für Hochseeschiffe vorgeschlagen. Eine Maßnahme, die bis zu 23 Prozent der Treibhausgasemissionen der Branche einsparen könnte, ohne dass eine Nachrüstung der Schiffe notwendig wäre. Andere Vorschläge sahen technische Lösungen für eine höhere Effizienz oder operative Maßnahmen, wie die Schiffe effizienter betrieben werden können, vor.

Kompromiss statt Klimakurs

Die Grundidee war, bis 2030 die Effizienz der globalen Schiffsflotte um 40 Prozent zu steigern und einen soliden Sanktionsmechanismus einzuführen. Die Diskussionen in den Arbeitsgruppen wurden zäh und kontrovers geführt. Die Blockierer haben aber so hart auf die Bremse gedrückt, dass die ambitionierteren Länder die bittere Pille schluckten, um am Ende überhaupt etwas vorlegen zu können. Das Ergebnis ist ein Kompromiss, den man so fast nicht mehr nennen kann.

So lag also in der MEPC Sitzung ein Vorschlag zur Abstimmung, der der Bezeichnung „kurzfristig wirksame Klimaschutzmaßnahme“ nicht würdig ist. Die Maßnahmen reduzieren den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 voraussichtlich nur um 0,8 – 1,6 Prozent – während für denselben Zeitraum ein Anstieg der Gesamtemissionen von 15 Prozent prognostiziert ist. Das heißt: Die Emissionen steigen für mindestens zehn weitere Jahre an. Für die Einhaltung der selbstgesetzten IMO-Ziele wäre aber ein Absenken um 15 Prozent bis 2030 notwendig gewesen. Um das beim Übereinkommen von Paris vereinbarte 1,5°C-Ziel zu erreichen, müssten es sogar 70 Prozent Reduktion bis 2030 sein. Weiterhin sieht die Regelung vor, dass ein Schiff zunächst drei Jahre sanktionslos weiterfahren darf, bevor es einen Plan vorlegen muss, wie es die neuen Effizienzvorgaben erreichen wird.

 

Quelle: ICCT, 2020 Notwendige CO2-Reduktionspfade für das im Pariser Klimaabkommen vereinbarte 1,5°C-Ziel, im Vergleich zum selbstgesetzten IMO-2050-Klimaziel, dem Business-as-usual-Szenario (rot) und dem jetzt verabschiedeten Kompromiss (orange), in grau die Basis, die CO2-Emissionsmenge des Sektors von 2018

Marschall-Inseln fordern CO2-Bepreisung

Nur die Marschall-Inseln stimmten zusammen mit wenigen Pazifikstaaten gegen den Vorschlag. Sie forderten die Weltgemeinschaft auf, sich erneut zusammenzusetzen und einen wirklich ambitionierten Vorschlag – unter anderem mit einer CO2-Bepreisung – vorzulegen. Deutschland, Dänemark, Frankreich und andere europäische Staaten stimmten dem Kompromiss unter dem eingangs zitierten Motto trotzdem zu. Die Befürchtungen waren zu groß, dass es sonst zu gar keiner Einigung gekommen wäre und die Klimaverhandlungen für die Schifffahrt völlig zum Erliegen kämen. China, Japan und Brasilien stimmten uneingeschränkt zu und lobten noch dazu den guten Vorschlag.

Wertvolle Zeit verschenkt

Dieses Treffen hätte wegweisend sein müssen, um mindestens die von der IMO im Jahr 2018 selbstgesteckten Treibhausgasminderungsziele zu erreichen. Die IMO-Strategie sieht vor, bis 2050 die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Basis-Jahr 2008 zu halbieren. Weiterhin sollen die Emissionen bereits bis 2023 reduziert werden und ein weiterer Anstieg so schnell wie möglich gestoppt werden. Ziel ist es, einen Emissionspfad für die Schifffahrt einzuschlagen, der sich an den internationalen Klimazielen von Paris orientiert.

Nun steht im kommenden Juni (2021) auf dem nächsten MEPC-Treffen die formale Bestätigung der gefundenen Kompromisslösung auf der Agenda, bevor es in die konkrete Ausgestaltung der Regelung geht. Im Anschluss geht es in die nächste Schlacht, wenn es um die mittelfristigen (bis 2030) und langfristig (ab 2030) wirksam werdenden Maßnahmen geht. Hier müssen dann die jetzt verschenkten Einsparziele wieder aufgeholt werden. Dann werden wir sehen, ob sich die Strategie der Bundesregierung auszahlt und man gemeinsam den weiteren Weg geht.

Wenn nicht alle zusammen, dann doch jeder allein?

Wenn die internationale Staatengemeinschaft sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen kann, wird es auf verschiedene regionale Maßnahmen hinauslaufen müssen. Das EU-Parlament befürwortet eine Einbeziehung der Schifffahrt in den Europäischen Emissionshandel und möchte dem Sektor ein Effizienzziel von 40 Prozent bis 2030 setzen. Die EU-Verhandlungen starten im kommenden Jahr. Die Vereinigten Staaten von Amerika planen eine vergleichbare Regulierung für ihre Hoheitsgewässer.

Das Jahr 2021 wird also das entscheidende Jahr für den Klimaschutz in der Seeschifffahrt. Volle Kraft voraus auf Klimakurs!

 

 

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