Klimaschutzpolitik in Deutschland – bitte jetzt endlich wirklich!
Das Klimaschutzgesetz ist das Kernstück der nationalen Klimapolitik in dieser Legislaturperiode. Die Parteichefinnen Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU und Andrea Nahles von der SPD betonen dies zumindest. Beim Klimaschutzgesetz geht es aber nicht nur um Lippenbekenntnisse. Bereits im Koalitionsvertrag der aktuellen großen Koalition ist dieses Projekt vereinbart. Der vorgelegte Referentenentwurf des Klimaschutzgesetzes von Umweltministerin Svenja Schulze – so könnte man denken – müsste nun von den Koalitionären gefeiert werden. Aber Klimaschutzpolitik in Deutschland funktioniert schon lange nicht mehr so einfach, dass die offiziellen Positionen der Parteien auch tatsächlich umgesetzt werden.
Ist die Klimakrise zu abstrakt?
Klimaschutz eignet sich wie kein anderes Thema dazu, sich einerseits mit der Formulierung von Zielen zu profilieren und andererseits keine Maßnahmen einzuleiten, um diese Ziele auch zu erreichen. Es könnte sein, dass die Politik das Thema Klimakrise für so abstrakt hält, dass es von vielen Wählern nicht verstanden würde. Eine direkte Kausalkette zwischen Folgen der Klimakrise und konkretem Handeln oder politischen Interventionen ist fast nicht nachzuvollziehen. Außerdem ist das Klimasystem träge. Unser heutiges Verhalten ändert die Zukunft, nicht das Jetzt. Bisher galt anscheinend die einfache Formel, dass die prognostizierten Auswirkungen der Erderhitzung zumindest in unseren Breiten in politischer Zeitrechnung irrelevant weiter in der Zukunft liegen.
Klimaziele, getragen von allen Parteien
Aber die Einschläge kommen näher. Und zwar politisch, wie auch klimatisch. Zunächst das Politische. Erinnert sich noch jemand an das Klimaziel bis zum Jahr 2020? Es wurde aufgegeben. Die Regierungsparteien haben ihr Versagen ziemlich heruntergespielt. Kein Wunder, denn das Ziel steht schon etwas länger im politischen Raum und wurde von Regierenden und Koalitionären von CDU/CSU, der SPD wie auch der FDP mitgetragen und immer wieder bestätigt. Bei Verabschiedung der Ziele für 2020 hatten sich Politiker verschätzt, was sie an Maßnahmen umsetzen werden. Oder aber sie hatten schlichtweg den Zeitrahmen so gedeutet, dass sie 2020 keine relevante Rolle in der Politik spielen würden.
Bereits 2007 hat die große Koalition mit Angela Merkel als Kanzlerin und Sigmar Gabriel als Umweltminister das 2020-Ziel formuliert. In der folgenden Legislaturperiode hat eine CDU/CSU-FDP-Koalition mit Norbert Röttgen (CDU) als zuständiger Umweltminister und wieder Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenjenes Ziel dann bestätigt und festgeschrieben. Die meisten Protagonisten von damals spielen tatsächlich keine große Rolle mehr in der Politik. Außer Angela Merkel, sie ist noch immer Kanzlerin. Dennoch – versagt haben alle Parteien, die an den Regierungen beteiligt waren.
Klimakabinett – eine Nebelkerze?
Die Strategie, Ziele zu formulieren, Maßnahmen zu deren Erreichung aber nicht umzusetzen, scheint in der Klimaschutzpolitik noch immer verfolgt zu werden. Unbelassen, dass das Klimaschutzgesetz im Koalitionsvertrag vereinbart war und dass die Parteichefinnen sich dazu bekennen: die unionsgeführten Ministerien tun sich schwer, Maßnahmen zu liefern, die Teil des Klimaschutzgesetzes werden müssen. Der Konflikt zwischen SPD-geführtem Umweltministerium und Union hätte Potenzial, die Koalition zu sprengen. Nun griff die Kanzlerin ein und bildete das „Klimakabinett“ – man könnte meinen, Klimaschutz wäre damit Chefinsache. Man könnte das Manöver aber auch so deuten, dass Angela Merkel, die als eine der wenigen politisch immer noch relevanten Akteurinnen das Scheitern der deutschen Klimapolitik wesentlich mit zu verantworten hat, Ruhe um das Thema will. So kann sie den Schein der Klimakanzlerin wahren.
Die Klimakrise ist längst bei uns angekommen
Auch sonst kommt die Klimakrise bei uns an. Im vergangenen Sommer konnten wir hier hautnah spüren, wie sich Wetterextreme anfühlen. Ernteausfälle, Niedrigwasser und eingestellte Binnenschifffahrt, gedrosselte Kraftwerke und sogar mancherorts Wasserrationierung. Die Symptome der Klimakrise in Deutschland sind trotzdem fast nichts gegen das, was im globalen Süden an Folgen der Klimakrise bereits jetzt zu spüren und künftig noch zu erwarten ist.
Die Wissenschaft warnt seit Jahren. Der Weltklimarat (IPCC) hat letzten Herbst erneut vorhandenes Wissen zusammengestellt und einen alarmierenden Bericht veröffentlicht, der eigentlich nur eine wirklich gute Botschaft enthält: Wir können das 1,5°C-Ziel noch erreichen. Wir müssen nur endlich handeln und substanzielle Klimaschutzmaßnahmen einleiten.
Seit Monaten legen auch die Demonstrierenden und Streikenden von der „Fridays for Future“-Bewegung den Finger in die Wunde. Diese Bewegung ist initiiert und getragen von Schüler*innen und Student*innen, es geht um ihre Zukunft. Damit wird Klimaschutz auch zur Frage der Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Es ist zu hoffen, dass das derzeitige Medienecho über die Bewegung und ihrer Protagonisten dabei hilft, dass das Thema Klimaschutz im öffentlichen Diskurs dauerhaft ankommt. Noch sind wir nicht soweit. Im kommenden Bundeshaushalt sind Gelder eingestellt zur Kompensation der zugesagten und nichterreichten Klimaschutzziele in der EU. Lieber Strafe zahlen als dieses Geld genommen in Klimaschutz zu investieren? Verrückt.
Das Klimaschutzgesetz – jetzt verbindliche Maßnahmen formulieren
Dabei ist gerade jetzt ein wirklich guter Zeitpunkt für echte Klimaschutzpolitik. Das 40-Prozent Reduktionsziel, eigentlich bis zum Jahr 2020 geplant, muss durch Maßnahmen so schnell wie möglich erreicht werden. Sonst schmilzt das CO2-Budget viel zu schnell dahin. Wir brauchen ein Gesetzespaket zur schnellstmöglichen Erreichung des 40%-Klimaziels und der 2030-Sektorziele. In den Sektoren Energie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Industrie müssen endlich die nötigen CO2-Einsparungen vorgenommen werden. Im „Maßnahmenprogramm Klimaschutz 2030 der deutschen Zivilgesellschaft“ haben wir einige zusammengefasst. Eine ganze Reihe von Gesetzen und Verordnungen müssen überarbeitet werden. Beispielhaft genannt seien das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Energiesteuergesetz, das Einkommenssteuergesetz, die Düngeverordnung, die LKW-Mautverordnung und das Gebäudeenergiegesetz.
Und der Kern dieses Gesetzespakets muss das Klimaschutzgesetz sein. Es muss die Klimazielerreichung verbindlich und verlässlich festschreiben. Das deutsche Langfristziel muss analog zum Klimaschutzplan endlich auf mindestens 95 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2050 festgesetzt werden. Zentral ist die Verantwortung der zuständigen Bundesministerien für das Erreichen der Sektorziele, verknüpft mit einem unabhängigen Monitoring und der Verpflichtung, Sofortprogramme aufzusetzen, wenn Zielverfehlung droht. Dabei müssen für alle Sektoren Jahresemissionsbudgets festgelegt werden.
Titelbild: Sebastian Scholz
- Kommen jetzt endlich höhere Klimaziele? - 1. Februar 2021
- Fünf Jahre nach Paris - 30. November 2020
- Ich fliege zur Klimakonferenz – leider - 3. Dezember 2019
2 Kommentare
Peter Kaiser
07.08.2019, 12:26Es wird viel geredet, aber wenig getan. Jetzt sollen Waldschadensflächen sogar wegen der besseren Einkommensmöglichkeiten mit Windrädern bestückt werden. Der Schaden ist für die Natur und das Klima unendlich höher als der Nutzen. Wäre es nicht besser, wenn jeder Einwohner der Bundesrepublik dazu aufgefordert würde, einen Baum zu pflanzen. Hierzu könnten die Windbruchflächen in den Wäldern, öffentliche Park- und Erholungsflächen, sowie Ausgleichsflächen sofort genutzt werden. Und wer das finanziell nicht schafft, sollte öffentlich gefördert werden. So würden die Schäden in der Natur schnell ausgeglichen und die CO2-Bilanz verbessert. Das wären 82 Mio Bäume in kürzester Zeit. Habt Mut und macht etwas!
Christoph
23.07.2019, 12:02Für das Klimaschutzgesetz bitte den Sektor Wärme & Kälte nicht vergessen. Immerhin werden in Deutschland rund 50% des Endenergiebedarf für die Produktion von Wärme un Kälte benötigt. Nachhaltiges und effizientes "heizen" und "kühlen" wird leider noch oft zu stark unterschätzt