Klimaschutz in der Schifffahrt: Wieder nur ein Spiel auf Zeit

Klimaschutz in der Schifffahrt: Wieder nur ein Spiel auf Zeit

Denkt man an London, denkt man nicht unbedingt an Schiffe und Seefahrt, sondern eher an Big Ben, den Buckingham Palace, das London Eye oder die Baker Street 221b. Dennoch ist London der zentrale Ort, wenn es um die weltweite Schifffahrt geht, denn hier hat die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) ihren Sitz. Mehrmals im Jahr treffen sich hier die Vertreter*innen der Vereinten Nationen und beraten zu allen Schifffahrtsthemen.

Halbierung der CO2-Emissionen – aber wie?

Aktuell könnte es dort eigentlich spannend sein, denn in den kommenden Jahren gilt es, die 2018 beschlossene Treibhausgasminderungsstrategie der IMO für den Schifffahrtssektor umzusetzen. Diese sieht eine Halbierung der CO2-Emissionen der Seeschifffahrt bis 2050 im Vergleich zum Jahr 2008 vor. Bisher fehlen aber konkrete Mechanismen, um die Erreichung des Ziels sicherzustellen. Bis 2023 ist vereinbart, einen Katalog kurzfristig wirksamer Maßnahmen („short-term measures“) zu beschließen, die den Treibhausgasausstoß zunächst durch Veränderungen im Schiffsbetrieb und Effizienzsteigerungen drastisch reduzieren können. Im Anschluss sollen dann die mittelfristigen Maßnahmen („midterm measures“) bis zum Jahr 2030 sowie die langfristigen Maßnahmen („longterm measures“) nach 2030 beschlossen werden.

Zuletzt hat das sechste Treffen der Arbeitsgruppe zu Treibhausgasen im November 2019 stattgefunden, in dessen Rahmen verschiedene Vorschläge für kurzfristig umzusetzende Maßnahmen diskutiert wurden. Der interessanteste Vorschlag kommt aus Frankreich und besteht darin, mit dem „Slow Steaming“ eine Art Tempolimit auf See einzuführen. Hier werden kurzfristige Eisparpotentiale von bis zu 34 Prozent CO2 gesehen. Weiterer Vorteil: Diese Maßnahme kann quasi sofort von heute auf morgen eigeführt werden, ohne dass irgendwelche technischen Veränderungen am Schiff notwendig wären.

Deutschland, Spanien und Dänemark haben zusammen einen Vorschlag vorgelegt, bei dem resultierend aus dem tatsächlichen Kraftstoffverbrauch die Effizienz der ergriffenen Maßnahmen zur Emissionseinsparung abgelesen wird. Ein Vorschlag, mit dem sich viele Maßnahmen umsetzen lassen, unter anderem auch das „slow steaming“. Positiv an diesem Vorschlag hervorzuheben ist die Zielorientiertheit und dass sich die Autoren nicht im technischen Klein-Klein einzelner Maßnahmen verlieren.

Ein dritter, viel diskutierter Vorschlag ist der Vorschlag von Japan zusammen mit der Industriegruppe BIMCO, der nicht die tatsächlichen CO2-Emissionen oder den Kraftstoffverbrauch eines Schiffes berücksichtigt, sondern nur die Effizienzmaßnahmen und möglichen Kraftstoffeinsparungen auf dem Papier über den EEXI (Energy Efficency of Existing Ships Index) aufzeigt. Für alle Schiffe, die den EEXI nicht erreichen, kann ein Gerät zur Motorleistungsreduktion (engine power limitation) eingebaut werden. An diesem Vorschlag haben die Umweltverbände wie der NABU, die in der Clean Shipping Coalition zusammengeschlossen sind, die größten Kritikpunkte. Sollte das Verfahren so beschlossen werden, müssten zum einen jüngere Schiffe überhaupt gar keine zusätzlichen Maßnahmen ergreifen, um weniger CO2 auszustoßen und sollte ein Schiff mit dem Gerät zur Motorleistungsreduktion ausgestattet sein, ist nicht klar wie sichergestellt wird, dass das Gerät auch funktioniert und die auf dem Papier geforderten Einsparungen tatsächlich realisiert werden. Ein neues „Schiffsdieselgate“ scheint vorprogrammiert.

Mehr Tempo bitte

Insgesamt ist enttäuschend, dass auf dem Arbeitsgruppentreffen wiederholt nur Maßnahmen diskutiert wurden, und sich zu viel Zeit mit einzelnen technischen Maßnahmen beschäftigt wurde. Es ist ein Spiel auf Zeit der Industrie und einzelner Staaten. Die verschiedenen Vorschläge wurde jetzt erst mal gebündelt und sollen auf dem nächsten Arbeitsgruppentreffen im März weiterdiskutiert werden. In einem nächsten Schritt sollen sie dann an das Umweltkomitee der IMO übergeben werden. Diese Vorgehensweise ist vor dem Hintergrund der weltweiten Klimakrise unverantwortlich und ein Schlag ins Gesicht all derer, die mehr Tempo bei effektiven Klimaschutzmaßnahmen auch in der Seeschifffahrt fordern.

Wiederholt wurden keine wegweisenden Maßnahmen vorangebracht, die das Klimaproblem der Schifffahrt ernsthaft angehen. Und dass, obwohl die Emissionen der Seeschifffahrt bereits heute rund drei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes ausmachen. Damit ist der Sektor für mehr schädliche CO2-Emissionen verantwortlich als Deutschland. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen ist es möglich, dass sich dieser Anteil künftig gar auf bis zu 17 Prozent vervielfacht.

Um mit dem 1,5-Grad-Ziel konform zu sein, müsste die internationale Seeschifffahrt eigentlich das Ziel einer vollständigen Dekarbonisierung bis 2050 anstreben. Mit dem aktuellen Ambitionslevel und dem Spiel auf Zeit scheint aber nicht einmal das selbstgesteckte Ziel einer Halbierung erreichbar. Möglicherweise wird die Staatengemeinschaft erst zur Raison kommen, wenn im Foyer des IMO-Hauptsitzes in London schon das Wasser steht.

 

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