Ölpest trifft Tropenparadies: Warum die Havarie in Mauritius so verheerend ist
Am 25. Juli lief das 300 Meter lange Frachtschiff „MV Wakashio“ auf ein Riff unweit der Küste im Südosten von Mauritius auf. Nur wenige Kilometer von dieser Stelle habe ich als Kind geschnorchelt und meine ersten Korallen und Mangroven gesehen – wie im Bilderbuch, voller Fische, in allen Regenbogenfarben. Dementsprechend krass ist der Anblick von pechschwarzem Schweröl inmitten dieses türkisblauen Unterwasseridylls. Einen „schlechteren“ Ort für eine Ölkatastrophe kann man sich kaum vorstellen.
Warum sind Inseln so gefährdet?
Wenn ich einmal eine Liste machen würde von den Regionen und Ökosystemen der Welt, die am meisten durch eine Ölkatastrophe gefährdet sind, würden Inseln wahrscheinlich ganz oben auf dieser Liste stehen. Inseln wie Mauritius haben viele endemische Arten, die nur hier und nirgendwo sonst vorkommen. Oft sind diese Arten schon stark bedroht, im Falle von Mauritius beispielsweise durch Tourismus, Landwirtschaft, Fischerei und invasive Arten. Wenn nun noch eine Ölkatastrophe dazu kommt, besteht die Gefahr dass wir diese Arten komplett verlieren. Mauritius ist leider heute schon berühmt und berüchtigt für seine beachtliche Liste an bereits ausgestorbenen Arten, allen voran der Dodo, ein großer flugunfähiger Vogel, dem das Einschleppen von Ratten und anderer Haustiere bereits Ende des 17. Jahrhunderts den Garaus machte. Allein von den Arten die für die IUCN Rote Liste analysiert wurden, sind bereits mehr als 45 auf Mauritius ausgestorben.
Mauritius‘ Meer verdient besseren Schutz
Mauritius ist berühmt für seine einmaligen Korallenriffe, Seegraswiesen und Mangrovenwälder. Es sind genau diese Ökosysteme, welche am sensibelsten auf eine Kontamination mit Öl reagieren und genau diese hat die Havarie der „MV Wakashio“ direkt an einem der globalen Biodiversitäts-Hotspots getroffen. Drei der zwei Schutzgebiete auf Mauritius, die international durch die Ramsar Konvention als global wichtige Feuchtgebiete klassifiziert sind, sind innerhalb des 27 km2 großen Bereichs, der bereits am 11 August mit Schweröl verpestet wurde: das Pointe d’Esny Mangrovengebiet und der Blue Bay Marine Park. Auch die Mahébourg Fischereireservate und das „Ile aux Aigrettes“-Naturschutzgebiet konnten nicht rechtzeitig vor dem auslaufenden Treibstoff geschützt werden.
Wenn ich einen Blick auf den derzeitigen Schiffsverkehr im Indischen Ozean werfe, verwundert es mich allerdings, dass Mauritius und seine Nachbarinsel La Reunion bisher von einer Ölkatastrophe verschont geblieben sind.
Mauritius liegt inmitten einer internationalen stark befahrenen Schifffahrtsroute und es überrascht mich, dass diese Tanker und Frachter durch das nationale Küstenmeer von Mauritius fahren dürfen.
Dabei ist es möglich, besonders bedeutsame und ökologisch empfindliche Gebiete besser vor den negativen Auswirkungen der Schifffahrt zu schützen, zum Beispiel durch die Anerkennung eines Gebietes als „Besonders Empfindliches Meeresgebiet“ (Particularly Sensitive Sea Area (PSSA)) unter der Internationalen Schifffahrtsbehörde (IMO). In diesen Gebieten greifen spezielle Maßnahmen, um die lokalen Konflikte zwischen Schifffahrt und Ökosystem zu minimieren (z.B. durch das Verlegen von Schifffahrtsrouten), und auch um im Falle eines Unfalls die Natur besser zu schützen. Viele dieser Maßnahmen zielen insbesondere auf die Vermeidung von Öllecks ab, sowie die Minimierung von Auswirkungen bei einer Ölkatastrophe.
Das Australische Great Barrier Riff ist ein solches PSSA, sowie das Wattenmeer vor unserer Haustür. Warum ist das Meer rund um Mauritius noch nicht besser geschützt und als PSSA ausgewiesen? Das Verlegen von Schifffahrtsrouten und das Ändern jeglicher IMO Regulation bedarf langwieriger und bürokratischer Prozesse, vielleicht hat dies Mauritius abgeschreckt? Nächste Woche werde ich bei unserem BirdLife Partner auf Mauritius einmal nachfragen. Auf jeden Fall gibt es hier Aktionsbedarf, auch wenn solche internationalen Verhandlungen nicht einfach sind.
Zugvögel und andere wandernde Tierarten sind ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen
Einen schlechteren Ort für eine Ölkatastrophe hätte es auf Mauritius kaum geben können – die Havarie trifft hier mitten in das Herzstück der Unterwasserschätze des Landes. Auch eine Vielzahl von Reptilien, Vögeln und anderer Tieren an Land sind durch die Ölpest gefährdet. Aber nicht nur die lokalen Habitate und Tierarten Mauritius‘ sind betroffen – eine Unzahl wandernder Tierarten kommen hinzu, die Mauritius für einen essentiellen Zwischenstopp auf ihren globalen Reisen nutzen. Bedrohte grüne Meeresschildkröten legen ihre Eier an genau den betroffenen Stränden im Südosten der Insel, Buckelwale nutzen die Gewässer als Kinderstube und eine Vielzahl von Zugvögeln brauchen die Feuchtgebiete, um Kraft zu tanken für den nächsten Langstreckenflug. Insofern wird die Umweltkatastrophe weit über die Grenzen Mauritius hinausreichen.
Da ist es nur ein kleiner Trost, dass im globalen Vergleich zu anderen Ölkatastrophen (z.B. Deepwater Horizon) die Mengen an ausgelaufenem Öl relativ gering ausfallen. Zu dem oben erläuterten ökologischem Schaden, kommt natürlich auch noch der ökonomische und gesundheitliche dazu und das alles in Zeiten von Corona. Wir wissen zwar noch nicht viel über die Ursachen des Unglücks, aber eines steht jetzt schon fest: Für Mauritius ist dies die schlimmste Umweltkatastrophe, die das Land je erlebt hat.
Was tun?
Bei der derzeitigen Regulierung ist es nur eine Frage der Zeit bis die nächste Ölkatastrophe passiert. Deshalb muss allen voran die Benutzung von Schweröl in der Schifffahrt ein Ende haben. An Land wird Schweröl bereits als Sondermüll klassifiziert, hier muss auf See nachgebessert werden. Die Internationale Schifffahrtsbehörde hat einen ersten Grundstein mit der Reduzierung des Schwefelgehalts im Schiffstreibstoff Anfang diesen Jahres gelegt. Hier ist weitere Regulierung in Richtung Schweröl-Ausstieg dringend nötig.
Die Sicherheitsstandards in der internationalen Schifffahrt müssen ebenfalls verbessert werden, inklusive Lotsenpflicht für ökologisch bedeutsame Gebiete und solche mit erhöhtem Havarierisiko. Allerdings helfen starke Gesetze und Regulierungen nur wenig, wenn es an der Umsetzung und auch der Strafverfolgung hapert. Auch hier muss die internationale Gemeinschaft sich stark machen und ausreichende Kapazitäten schaffen. Letztendlich bedarf es Vorreiterregionen für nachhaltige und sichere Schifffahrt, insbesondere in ökologisch bedeutsamen Gebieten, um den globalen Wandel voranzutreiben. Das Wattenmeer wäre hier sicherlich ein guter Kandidat.
Die Partnerorganisation des NABU vor Ort in Mauritius via das BirdLife International Netzwerk ist die Mauritian Wildlife Foundation. Die Kollegen vor Ort sind rund um die Uhr beschäftigt, die Auswirkungen der Ölpest auf die Fauna und Flora zu minimieren. Es wurden bereits eine Vielzahl von bedrohten Vögeln, Reptilien und Pflanzen von der Koralleninsel mitten im Schwerölteppich auf die Hauptinsel gebracht. Weitere Infos, auch zu der benötigten Hilfe, findet ihr hier.
2 Kommentare
Peter Buck
03.09.2020, 14:09Danke für den interessanten Beitrag. Was mich am meisten nervt ist die Tatsache, dass sich Politik und Medien seit Monaten nur noch mit dem C-Thema beschäftigen und die echten Probleme der Menschheit nicht anpacken. Das ist echt traurig.
Georgia Magiropoulou
02.09.2020, 15:04Sorry, aber ich muss jedes Mal weinen u meine Seele schreit "warum", wenn ich solche von Menschen gemachten Katastrophen sehe. Es kann dir keiner beantworten. Jeder konzentriert sich im Moment aus C19. Das ist auch wichtig, ganz klar. Es spricht aber keiner mehr von den verheerenden Bränden im Amazonas oder Australien, da wo Milliarden von Tieren gestorben sind. Das muss man sich mal vorstellen. Warum ist das so? Wir sind eine kleine blaue Kugel in den Weiten von nichts. Ist alles schon so verdunkelt, dass man kein Licht mehr am Ende des Tunnels sieht? Ich bekomme Gänsehaut wenn ich sehe wie die Individien auf diesem Planeten miteinander und noch viel schlimmer mit den Tieren und der Umwelt umgehen. Die Natur braucht den Menschen nicht. Aber der Mensch braucht die Natur, um ein bekanntes Zitat wiederzugeben.