Umsteigen im Kopf – Nachhaltig „was bewegen“
Sommerzeit ist Reisezeit und bei meinem besten Freund sah das letztes Jahr so aus: Im Mai die Mona Lisa im Louvre bestaunen, im Juni den Junggesellenabschied in Barcelona feiern und im August am Playa de las Teresitas die Sonne Teneriffas genießen – alles mit dem Flugzeug. Und damit ist er nicht allein: Für viele Menschen ist Fliegen ein selbstverständliches Mittel zum Reisen geworden.
Leider hat das Flugzeug einen schwerwiegenden Nachteil: Kein anderes Fortbewegungsmittel verursacht derart hohe Treibhausgasemissionen pro Passagier. Fliegen schädigt damit erheblich das Klima – rund drei Prozent der globalen CO2-Emissionen entfallen allein auf den Luftverkehr. Dazu ein einfacher wie erschreckender Vergleich: Jede Person in Deutschland hat nach Rechnungen des Umweltbundesamts pro Jahr ein Budget von 2,3 Tonnen CO2, um klimaverträglich zu leben. Allein ein Flug von München nach New York und zurück verbraucht fast das Doppelte! Zu den unglaublichen Mengen kommt hinzu, dass die abgestoßenen Gase in den Flughöhen um ein Vielfaches schädlicher sind als am Boden. Wer klimafreundlicher von A nach B kommen will, sollte umsteigen.
Auf dem Boden bleiben
Die umweltfreundlichere Alternative zum Flugzeug beim Reisen ist der Zug: Eine Bahnfahrt verbraucht im Schnitt nur ein Drittel der Energie, die ein Flugzeug bräuchte und ist damit wesentlich ressourcenschonender. Dazu setzt die Bahn seit einiger Zeit im Fernverkehr auf Ökostrom und konnte damit das Bahnfahren noch umweltfreundlicher machen. Ebenso schneidet der Fernbus aus Klimasicht sehr gut ab. Daher sind diese beiden Fortbewegungsmittel nach dem Fahrrad die nachhaltigste Art zu verreisen – und wenn ich an den Stress am Flughafen denke, auch um einiges entspannter.
Noch schlimmer als Urlaubsreisen ins Ausland schädigt allerdings unser alltägliches Mobilitätsverhalten Natur und Umwelt. In Deutschland ist der Verkehrssektor immer noch das Sorgenkind aller Klimaschutzbemühungen. Trotz sinkender Emissionen in anderen Sektoren liegen die CO2-Werte im Verkehr immer noch nicht unter dem Referenzjahr von 1990, dem Auto sei Dank.
Rund 80 Prozent der Verkehrsleistung, also der zurückgelegten Kilometer, werden in Deutschland durch Autos abgewickelt. Der Fahrzeugbestand ist mit rund 44 Millionen Pkw bei 82 Millionen Menschen so hoch wie nie zuvor. Die Folgen sind verstopfte Straßen und Staus, die hohe Lärmschäden und Luftverschmutzung verursachen und krank machen: In Deutschland sterben rein rechnerisch jährlich rund 13.000 Menschen vorzeitig an der verkehrsbedingten Feinstaub- und Stickoxidbelastung. Wer nachhaltig „etwas bewegen“ möchte, sollte seine eigene Mobilität grundlegend überdenken. Wie oft nutze ich das Auto, wie oft den Bus oder die S-Bahn? Welche Strecken könnte ich auch gut mit dem Fahrrad zurück legen?
Umsatteln lohnt sich
Der Drahtesel ist für kürzere alltägliche Touren mit Abstand die klimafreundlichste Wahl: Man kommt günstig, schnell und ohne Stau ans Ziel. Nicht nur deshalb erlebt das Fahrrad seit einigen Jahren eine echte Renaissance auf Deutschlands Straßen. Ein weiteres Plus ist der Effekt auf die eigene Gesundheit: Regelmäßiges Radeln steigert das Herzvolumen und die Gehirndurchblutung, senkt den Ruhepuls und macht die Atmung effektiver. Dank moderner Lastenräder, oft mit E-Antrieb, oder Radanhängern lässt sich heutzutage auch fast alles mit dem Rad transportieren.
Einige Städte haben das Potenzial mittlerweile erkannt und bauen ihre Radwege umfassend aus, auch um die oftmals grenzwertig hohen Feinstaubbelastungen durch den Motorverkehr endlich zu senken. Allerdings ist hier noch viel Luft nach oben, infrastrukturell sind Radfahrer oft noch im Nachteil.
Vor allem in Städten stellt sich auch die Frage des zunehmenden Flächenverbrauchs: Wem gehört künftig die Straße? Dort, wo ein Auto steht, würden zehn Fahrräder hinpassen. In Zeiten zunehmender Verdichtung sollte nachhaltig an unsere Lebensqualität gedacht werden: Das Auto darf nicht länger die Maxime in der Planung sein. Weniger Autos bedeuten mehr Platz für Fuß- und Radverkehr, bessere Luft und weniger Lärm. Wer kann dazu Nein sagen?
Und auf dem Land?
Oft vergessen werden bei solchen Diskussionen die Menschen auf dem Land. Sie sind mangels Alternativen meist auf ihr Auto angewiesen: Zu wenig Bahninfrastruktur, Direktverbindungen fehlen, Taktungen sind viel zu niedrig. Wer fährt schon gern zwei Stunden Bus und Bahn, wenn er dafür mit dem Auto nur 30 min bräuchte. Für eine echte Mobilitätswende auf dem Land sind hohe Investitionen und Innovation in der regionalen Verkehrsplanung nötig – auch um das ländlichere Leben wieder attraktiver zu machen und den Druck auf die Städte zu verringern.
Gerade das Pedelec, also das Fahrrad mit Elektromotor, hat hier das Potenzial, dem Auto auf Strecken bis zu 20 km echte Konkurrenz zu machen. Dafür brauchen wir natürlich gut ausgebaute und sichere Radwege zwischen den Dörfern und Gemeinden. Neben unserem individuellen Beitrag muss sich also in der Politik noch ganz schön was bewegen für eine sozial gerechtere und umweltfreundliche Mobilität der Zukunft. Mein Freund macht dieses Jahr übrigens seinen ersten Fahrradurlaub auf dem Berlin-Kopenhagen-Radweg.
Weitere Infos des NABU zum Thema Klimafreundliches Reisen hier zu finden. Und warum eine Kreuzfahrt aus Umweltsicht keine gute Idee ist, erfährt man hier.
Dieser Tipp ist als Gastbeitrag des NABU auf dem IKEA-Unternehmensblog erschienen. Seit Januar 2020 veröffentlichen wir jeden Monat einen Tipp für ein nachhaltigeres Leben. Der NABU und IKEA sind seit 2011 Kooperationspartner. Die Illustrationen stammen von der Grafikerin Jule Roschlau.
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2 Kommentare
Wolfgang Nießen
18.09.2020, 14:48Das Pedelec ist nur so lange gut, wie es als Alternative zum Auto genutzt wird. Ich fahre hier bei uns seit rund zehn Jahren Fahrrad, nur mit Muskelkraft. In letzter Zeit kann ich aber immer mehr Menschen beobachten, die in ihrer Freizeit und zu ihrem Vergnügen mit dem Pedelec unterwegs sind, zum Teil kenne ich die Besitzer auch. Keine einzige Autofahrt fällt weg. Das Pedelec belastet bei dieser Art der Nutzung die Umwelt zusätzlich. Ich kenne auch Menschen in der Stadt, die Fußwege mittlerweile lieber mit dem E Roller bewältigen. So gut die neue Technik aus ist, entscheidend für die Umwelt ist das Nutzungsverhalten. Viele Grüße Wolfgang
Werner Lukaszewicz
14.08.2020, 09:13Liebes NABU-Team, der Artikel ist ganz gut, jedoch passt für mich der Vergleich nicht wirklich. Wenn ich nach New York fliegen möchte, kann ich das nun mal nicht mit der Bahn tun. Ich bin selbst in der Reisebranche tätig und so bieten wir z.B. in unserem Reisebüro seit langem keine innerdeutschen Flüge mehr an. Und auch bei sonstigen Reisen (z.B. Studien- & Erlebnisreisen o.ä.) schauen wir sehr genau, mit welchen Veranstaltern wir zusammenarbeiten. Wie gesagt: Klimaschutz ja, aber es muss auch ein bisschen weitergedacht werden und so kann man m.E. schon eine Fernreise machen, nur sollte man hier die Dauer der Reise anpassen (bei einer Fernreise mindestens 14 Tage, besser 3 Wochen) und halt auch maximal einmal jährlich. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung.