Klimaschutzvorgaben für die Seeschifffahrt in Sicht
EU will die Schifffahrt in den europäischen Emissionshandel (ETS) einbeziehen
Im Juni 2020 hat der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments für einen Gesetzesvorschlag gestimmt, der zu weitreichenden Klimaschutzanstrengungen in der Seeschifffahrt führen könnte. Eigentlich stand lediglich die sogenannte MRV-Verordnung zur Debatte, die die Überwachung von Kohlendioxidemissionen aus dem Seeverkehr, die Berichterstattung darüber und die Prüfung dieser Angaben zum Ziel hat. Doch da die Seeschifffahrt auf internationaler Ebene bei dem Thema Klimaschutz kaum voran kommt, drücken die Abgeordneten nun richtigerweise aufs Tempo.
So verankerten die Parlamentarier*innen in ihrem Vorschlag nun die Einbeziehung der Schifffahrt in den europäischen Emissionshandel (ETS) und berücksichtigen dabei erfreulicherweise nicht nur CO2, sondern auch den Klimakiller Methan. Mittelfristig sollen die Treibhausgasemissionen der Schifffahrt um 40 Prozent je transportierter Einheit gesenkt werden. Damit es dazu kommt, sollen in einem ersten Schritt die Emissionen transparenter dargestellt werden, damit Kund*innen erkennen können, welche CO2-Bilanz mit dem Transport ihrer Waren verbunden ist und sich im Zuge ihrer eigenen Klimaschutzanstrengungen für möglichst effiziente Schiffe entscheiden können.
Der Entwurf sieht weiterhin vor, dass alle Schiffe ab dem Jahr 2030 während ihrer Liegezeit im Hafen entweder über Landstrom versorgt werden oder die benötigte Energie an Bord klimaneutral erzeugen müssen – zum Beispiel über eine Brennstoffzelle mit strombasierten Kraftstoffen oder Batterien. Gemessen an der heutigen Praxis, bei der die Motoren während der Liegezeit im Hafen ununterbrochen weiterlaufen, wäre dies eine immense Entlastung der Anwohner*innen, die bisher mit der massiven Luftschadstoffbelastung durch die Schiffsmotoren zu kämpfen haben.
Dieser wegweisende Beschluss könnte zum Game Changer für die globale Schifffahrt werden und die zähen Diskussionen in der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) über einen Klimafahrplan entscheidend voranbringen. Denn genauso wie das hoch giftige Schweröl immer noch der dominierende Kraftstoff auf den Weltmeeren ist, stemmen sich mächtige Interessengruppen auch gegen strengere Effizienzvorgaben und den Umstieg auf emissionsfreie Antriebstechnologien. Dabei ist der Sektor bereits heute für rund drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und künftig möglicherweise sogar für bis zu 17 Prozent.
Angesichts der bewussten Verzögerungstaktiken auf IMO-Ebene ist es völlig aussichtslos, dass die Schifffahrt ihren Anteil an den weltweiten Klimaschutzbemühungen leisten und in 30 Jahren vollständig emissionsfrei unterwegs sein wird. Ein ambitionierter Vorstoß der EU würde den Druck auf China, die USA, Russland und die zahlreichen Flaggenstaaten erhöhen, hier zu einer global einheitlichen Regelung zu kommen, statt die Industrie mit einer Vielzahl regionaler Einzellösungen zu belasten.
Im September wird nun das Europäische Parlament als Ganzes über den Gesetzentwurf abstimmen, bevor sich im Trilog auch die einzelnen Mitgliedstaaten dazu verhalten müssen. Gerade Deutschland, das aktuell den Ratsvorsitz inne hat, kommt damit eine gewichtige Rolle zu. Die Bundesregierung muss als Mittlerin eine gemeinsame Position der 27 Mitgliedstaaten erarbeiten und diese mit der Kommission und dem Parlament rückkoppeln. Umso wichtiger ist es, dass sie hierbei weitsichtig vorgeht und die Initiative als das begreift, was sie ist: Die größte Chance seit Gründung der IMO, den Sektor auf die internationalen Klimaziele zu verpflichten und endlich zu entsprechenden Maßnahmen zu verpflichten. Die Uhr tickt …
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