Verkehrskommission: Zähes Ringen um klimafreundliche Mobilität
Noch in diesem Jahr wird die Bundesregierung ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen – so steht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Erstmals würden damit gesetzlich verbindliche Klimaschutzziele in Deutschland und klare Fahrpläne für einzelne Sektoren wie Landwirtschaft, Gebäude und Verkehr festgelegt. Wie diese genau aussehen sollen, entscheidet das neu eingerichtete Klimakabinett, das die maßgeblichen Akteure auf Ministerebene an einen Tisch bringt. Doch damit das ranghohe Gremium mit seiner Arbeit beginnen kann, müssen die jeweils zuständigen Ressorts ihre Konzepte zur CO2-Minderung einbringen. Das ist insoweit nachvollziehbar, als dass die Ministerien mit ihren Fachabteilungen über das nötige Know-how verfügen.
Verkehrskommission soll Wege für mehr Klimaschutz im Verkehr aufzeigen
Im Verkehrsbereich entschied man sich jedoch für einen anderen Weg: Hier sollte – ganz nach dem Vorbild der Kohlekommission – eine paritätisch besetzte Verkehrskommission Pfade zur Erreichung der Klimaziele aufzeigen. Im Oktober 2018 wurde daher die „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ ins Leben gerufen und die Arbeitsgruppe 1 mit dem Titel „Klimaschutz“ gegründet. Neben Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaften, der Städte, des ADAC oder der Deutschen Bahn saßen sich hier auch Vertreter der Automobilindustrie und von Umweltverbänden, so auch dem NABU, gegenüber. Die Vorgabe der Bundesregierung lautete, Maßnahmen zu benennen, mit denen die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors bis 2030 um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden können.
Das Zeitfenster für diese komplexe Aufgabe war dabei denkbar knapp bemessen: Spätestens zur Lenkungskreissitzung am 29. März 2019 sollte das Ergebnis vorliegen. Erschwerend kamen diverse Interventionen des Bundesverkehrsministers hinzu, der relativ früh nach Beginn der Arbeit in der AG einzelne Maßnahmen wie die Erhöhung der Kraftstoffsteuer oder ein Tempolimit kurzerhand kategorisch ausschloss – dabei bergen beide Instrumente erhebliches Potenzial. In der Vorstellung des Ministers sind die Klimaziele allein mit Fördermaßnahmen aus der Staatskasse, erheblichen Mengen regenerativer Kraftstoffe und einer zunehmenden Digitalisierung der Mobilitätsangebote erreichbar – kein Wort von der dringend nötigen Verkehrsvermeidung. Alles soll seinen gewohnten Gang gehen. Dass es ganz so reibungslos wohl kaum ablaufen wird, machten die Berechnungen des wissenschaftlichen Begleitkreises schnell deutlich.
Klimaschutzziel im Verkehrssektor erreichbar
Immerhin die Berechnungen der Gutachter zeigen, dass das anspruchsvolle Ziel erreichbar ist. Die versammelten Expertinnen und Experten könnten sich trotz der heterogen Zusammensetzung der Arbeitsgruppe sogar auf ein Paket an Maßnahmen verständigen, das rund zwei Drittel der nötigen Emissionsminderung ermöglichen könnte. Zuletzt blieb aber noch eine erhebliche Lücke von 26 Millionen Tonnen CO2, die es zu schließen gilt, um den nationalen Klimazielen zu entsprechen und das zwei Grad-Ziel zu erreichen. Der NABU dringt vor dem Hintergrund des jüngsten IPCC-Berichts sogar auf einen Klimapfad, der die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad begrenzt. Entsprechend müsste auch im Verkehr noch deutlich früher deutlich mehr CO2 eingespart werden. Diskutiert und modelliert wurden im Zuge der Arbeit der Verkehrskommission zwei konkurrierende Ansätze, die jeweils, zumindest theoretisch, die verbleibende Lücke schließen können.
Umweltverbände und Industrie uneins über Herangehensweise
Die Umweltverbände favorisierten dabei einen Ansatz, der neben einer Stärkung von Bahn- und Radinfrastruktur sowie einem forcierten Umstieg auf Elektromobilität auch starke Anreize zum Verzicht auf spritschluckende Autos und den Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsträger zum Ziel hat. Dabei auch stets im Blick: Die Sozialverträglichkeit der Verkehrswende, also die Maßgabe, Mobilität bezahlbar und unter Berücksichtigung der Interessen der Beschäftigten im Automobilsektor zu gestalten. Die Industrie hingegen vertrat die Ansicht, durch den verstärkten Einsatz von bio- und strombasierten Kraftstoffen (und damit weitestgehend ohne Verhaltensänderung) die nötige Menge CO2 einsparen zu können. Dass weder die benötigten Mengen Biomasse für den Verkehrssektor zur Verfügung stehen, noch die benötigten Anlagen auch nur konzipiert wären, geschweige denn kostendeckend betrieben werden könnten, wird dabei nur allzu gerne ausgeblendet.
Leider haben der Verband der Automobilhersteller und der deutschen Industrie am Ende verhindert, dass diese beiden Szenarien Eingang in den Zwischenbericht der Kommission gefunden haben und damit öffentlich diskutiert werden können. Sicherlich weil den Industrievertretern die erheblichen Defizite ihres Vorschlags bekannt waren und sie die öffentliche Auseinandersetzung darüber scheuen. Die Arbeitsgruppe „Klimaschutz“ jedenfalls hat ihren Arbeitsauftrag bisher nur teilweise erfüllen können. Nun ist die Politik und allen voran Verkehrsminister Scheuer aufgerufen, zügig ein schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen, das einer gründlichen Prüfung durch Umweltverbände und Wissenschaft standhält, damit sich die Klimaziele 2030 nicht bereits bei ihrer Verabschiedung als unrealistische Luftschlösser erweisen.
Titelbild – Quelle: Bachmann
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1 Kommentar
Heide Holtz-Neuendorff
02.04.2019, 11:22Es ist wohl die Zeit gekommen, dass sich alle mal zum Thema melden. Es ist mir einfach unerklärlich, dass die einfachsten Zusammenhänge und der gesunde Menschenverstand in der Verkehrspolitik anscheinend gar keine Rolle spielen. 1. Es ist doch z. B. eine Binsenwahrheit, dass der CO2-Ausstoß beim Autofahren mit dem Tempo stark ansteigt. In fast allen Ländern gibt es ein Tempolimit und - soweit ich weiß- kommen da auch alle ans Ziel! Warum fahren wir so gern z. B. in Schweden??? Von den Unfallgefahren durch das Rasen rede ich jetzt gar nicht. 2. Wenn man will, dass mehr Menschen die Bahn nutzen müssen die Preise stark gesenkt werden. Die Bahn hat m. E. nicht die Aufgabe, Gewinne zu erwirtschaften sondern dem Gemeinwohl zu dienen. Im Gegenzug sollte man die z. B. steuermindernde private Nutzung von Dienstfahrzeugen endlich abschaffen. Von den Betreffenden spart niemand Kilometer oder nutzt freiwillig die öffentlichen Verkehrsmittel. 3. Jeder weiß, dass Fliegen super umweltschädlich ist. Warum wird Kerosin nicht besteuert? Inlandsflüge sind generell Unfug. 4. Bei der Besteuerung von Fahrzeugen muss es einen Unterschied zwischen Stadt und weitem Land geben. Dort gibt es wenig bis gar keine öff. Verkehrsmittel. Das wär's erstmal. Mir würde noch mehr einfallen. Schade, dass unsere Verkehrsminister immer so "fremdgesteuert" scheinen.