Mehr Stromnetze für mehr Klimaschutz
Derzeit haben wir in Deutschland einen Umsetzungsstau bei den großen Trassen, die Strom aus dem Norden in den Süden transportieren sollen. Doch mit dem neuen Gesetz zum Energieleitungsbau kann dieser Schwebezustand nun endlich aufgelöst werden.
Den Stromnetzen fehlt es zunehmend an Übertragungskapazitäten. Infolge dessen kann erneuerbarer Strom aus dem Norden immer schlechter zu den Verbrauchszentren im Süden transportiert werden. Gerade Windkraftanlagen müssen dann abgeschaltet werden, wie es zum Beispiel zwischen den Feiertagen in Mecklenburg häufig zu erleben war.
Stattdessen werden an Standorten südlich des Netzengpasses Kraftwerke auf Basis fossiler Brennstoffe zugeschaltet. Dieser sogenannte „Redispatch“ zur Gewährleistung der Netzstabilität verursacht Kosten für die Verbraucher und unnötige CO2-Emissionen, die das Klima belasten.
Die Bundesnetzagentur weist in ihrem hin, dass im ersten Halbjahr 2015 bereits 1,4 Milliarden Kilowattstunden erneuerbare Energie nicht ins Netz eingespeist werden konnten, da das Stromnetz überlastet war – Tendenz steigend. Fossile Kraftwerke, die in diesen Fällen einspringen, führen zu einem zusätzlichen Ausstoß von etwa einer Million Tonnen CO2, Tendenz ebenfalls steigend.
Ein zügiger Netzausbau beschleunigt die Integration der erneuerbaren Energien und ist daher wichtig für das Gelingen der Energiewende.
Erdkabel verringern Konflikte
Zu begrüßen beim neuen Gesetz zum Energieleitungsbau ist auch der Beschluss, künftig den unterirdisch verlegten Erdkabeln grundsätzlich Vorrang zu geben. Erdkabel sind für Verbraucher und Natur oft die bessere Wahl. Denn im Vergleich zu Freileitungen zerschneiden sie keine Landschaften, bergen keine Gefahren für Vögel und beugen langwierigen Diskussionen um den Bau von neuen Trassen vor. Für die Energiewende und ihre Akzeptanz ist das ein wichtiger Schritt.
Neue überregionale Gleichstromtrassen wie das kontrovers diskutierte Vorhaben „SüdLink“ sollen nun voll oder zumindest teilweise unter der Erde verlegt werden. Nur in Ausnahmefällen oder bei direkter Forderung von Gemeinden können für bestimmte Abschnitte Freileitungen errichtet werden. Dies bedeutet eine 180-Grad-Wende, da der Netzausbau zuvor ausschließlich mit Freileitungen als Standard geplant wurde.
Doch Obacht: Bei Erdkabeln gilt zwar der Grundsatz, möglichst auf direktem Wege durch das Land zu graben. Doch das darf nicht dazu führen, dass jedes Schutzgebiet, das im Weg liegt, aufgebuddelt wird. Sonst drohen erhebliche Auswirkungen auf Böden, Vegetation und den Wasserhaushalt. Nach wie vor müssen Trassen gewissenhaft geplant und Standortalternativen ausgelotet werden. Im Flachland bestehen deutlich bessere Voraussetzungen für die unterirdische Leitungsführung als im Mittelgebirge, was sich bei dem entstehenden Eingriff in die Natur und den entstehenden Mehrkosten bemerkbar macht. Denn bei der aufwendigen Kabelverlegung entstehen 35 bis 45 Meter breite Baustellen. Bisher unzerschnittene Wälder werden von Schneisen durchteilt, die dauerhaft frei von Gehölzen bleiben.
Erfreulich ist, dass nun auch im Drehstromnetz mehr Erdkabel möglich werden. So können neben der Annäherung an Wohnbebauungen auch Konflikte mit dem Artenschutz oder den Schutzgebieten des Natura-2000-Netzes Gründe für den Einsatz von Erdkabeln sein. Das Änderungsgesetz ermöglicht für fünf konkrete Drehstromplanungen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein die Erprobung der Teilverkabelung, darunter auch die sogenannten Ostküstenleitung bei Lübeck, die vor allem für Zugvögel als besonders kritisch gilt.
Weiterführende Informationen gibt es unter
- Stromnetze für erneuerbare Energien fit machen
- Stromnetze naturverträglich ausbauen – NABU-Engagement bei der Planung neuer Leitungstrassen
- Gut durch die Sommerhitze – ohne Klimaanlage - 21. Juli 2020
- Der Stromnetzausbau ist nicht immer gewollt - 8. Mai 2019
- Lebendige Flüsse für Mensch und Natur - 11. September 2017
11 Kommentare
Friedrich Wegener
03.02.2016, 09:12Tatsächlich bin ich immer wieder erstaunt über die Erkenntnisse des Nabu zur angeblichen Notwendigkeit der überregionalen HGÜ Stromtrassen für den Ausbau und die Nutzung von erneuerbaren Energien. Da ist der Nabu leider den Lobbyisten von Kohleenergie und Übertragungsnetzbetreibern auf den Leim gegangen. In verschiedensten Studien, z.B. von VDE und Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (alle Details auf biweserbergland.wordpress.com), wurde fundiert dargelegt, dass zumindest die HGÜ Strecken wie Südlink wesentlich dem Erhalt der Kohleverstromung dienen. Denn wenn der Wind weht will man die Kohlekraftwerke nicht herunterfahren, sondern den Kohlestrom ins Ausland verkaufen. Für die Übertragungsnetzbetreiber ist jeder KM Netzausbau ein prima Geschäft, bekommen sie doch staatlich zugesichert eine Rendite von 9,05% auf jeden investierten Euro. Ein guter Zinssatz in diesen Zeiten. HGÜ Trassen haben NICHTS mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien zu tun.
Tina Mieritz
03.02.2016, 14:25Sehr geehrter Herr Wegener, auch aus unserer Sicht gibt es noch Unsicherheiten bei der Planung des Netzausbaus, jedoch lassen sich aus den bisherigen Eckdaten und Szenarien für die Energiewende in den kommenden zehn Jahren die wesentlichen Übertragungsbedarfe der Stromnetze ermitteln. Für eine Stromversorgung mit einem weiter wachsenden Anteil erneuerbarer Energien muss das vorhandene Stromnetz angepasst und erweitert werden. Dabei sollte der Ausbaubedarf aus ökologischen wie ökonomischen Gründen auf ein Minimum begrenzt werden. Wir haben uns bereits 2014 in einem NABU-Hintergrundpapier mit der Bewertung der neuen Verfahren für die Planung von Höchstspannungsleitungen in Deutschland befasst und sind dort auch gezielt auf einzelne Vorhaben wie SuedLink eingegangen: https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/energie/140515_nabu-hintergrund_stromnetze_2.pdf Mit freundlichen Grüßen
Friedrich Wegener
06.02.2016, 22:51Sehr geehrte Frau Mieritz, der NABU hält in der Stellungnahme (Ihr Link) zum Netzausbau richtig fest: "Die Planungen für den Netzausbau sehen selbst bei Einspeisespitzen aus erneuerbaren Energien sowohl eine extrem hohe Auslastung von klimaschädlichen Kohlekraftwerken als auch die Abnahme der letzten Kilowattstunde Strom aus Windenergieanlagen vor. Deshalb ist es kein Wunder, wenn der daraus resultierende hohe Ausbaubedarf für neue Stromleitungen weiterhin nicht nur von den Umweltverbänden kritisch hinterfragt wird." Andererseits wird zum Südlink, der angeblich speziell wg. des Transports von Windenergie aus dem Norden in den Süden notwendig ist, von ihnen festgehalten: "Die Gleichstromleitung SuedLink von Wilster (SH) nach Grafenreinfeld (BY) ist aus Sicht des NABU auf jeden Fall ein notwendiger Schritt für eine erfolgreiche Energiewende." Ich interpretiere die beiden widersprüchlichen Zitate aus dem selben Dokument so, daß sie (NABU) sich nicht wirklich sicher sind, ob die von den ÜNBs ausgearbeiteten Szenariorahmen wirklich mit der Zielrichtung "Energiewende" ein Einklang zu bringen sind. Leider akzeptieren sie jedoch letztendlich die Notwendigkeit von Südlink, obwohl genau ihre Zweifel in verschiedenen Studien belegt sind. Warum? Warum akzeptiert der NABU, daß mit den ÜNBs der Bock zum Gärtner gemacht wird (9,05% Zinsen). Studien beweisen, daß selbst bei weiterem Ausbau der Offshore-WE nur so viel Strom an der Küste erzeugt wird, wie er auch im Norden verbraucht werden kann. Somit dienen die Trassen wie Südlink tatsächlich im wesentlichen nur dem Transport des Kohlestroms ins europäische Netz. Südlink wird übrigens von der EU ganz offen als europäische Stromautobahn beschrieben und von Deutschland gefordert. Mit Südlink bekommen wir eine doppelte Naturzerstörung: durch die Trasse und durch die damit künstlich am Leben gehaltene Kohleenergie!
Oliver Juhnke
30.01.2016, 10:09Es braucht anscheinend noch etwas Zeit, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass zur Lösung der Ressourcenprobleme, welche durch uns Wohlstandsstaaten ausgelöst sind, für die Zukunft ein sehr unpopuläres "Weniger" statt ein fortwährendes wachstumsmotiviertes "Mehr" als Vorzeichen stehen muss. Im Gegensatz zu NABU-Ortsverbänden, welche sich in Zukunft zunehmend einer Umzingelung Ihrer betreuten Gebiete mit Industrieanlagen der angeblich erneuerbaren Energie-Produktion gegenübersehen, scheint diese Erkenntnis beim Bundesverband des NABU in der Großstadt Berlin nicht mehr vorhanden zu sein. Verstellt die regelmäßige Auseinandersetzung mit wachstumsorientierten Verbänden die Sicht auf die Wirklichkeit? Anscheinend ist das so, wenn man die oben dargestellten Bilder der Landschaftszerstörung dem Text gegenüber stellt. Man beachte im Besonderen die im Horizont dargestellte Windkraftanlage, welche bei der davor zu Verfügung stehenden Freifläche in kurzer Zeit Gesellschaft bekommen wird, da der Landschaftswert ja bereits durch die Hochspannungsleitung zerstört ist. Die Hochspannungsleitung wird erst der Anfang sein! Der oben genannten Verweis auf die Erdverkabelung ist eine Beruhigungstaktik der Politik und jetzt auch noch des NABU-Bundesverbandes! Das Tempo, welches in Schleswig-Holstein, bei der Verdrahtung erfolgt, lässt gar keine Zeit für gut gemeinte Erdkabelerprobungen. Dieses wird, wenn überhaupt, höchstens in sehr kurzen Abschnitten realisiert werden, welche in der Hauptsache Siedlungsbereiche,aber kaum Naturschutzbereiche, betreffen. Diese Erprobungen werden als Alibi dafür dienen, dass man ja "etwas getan" habe, so wie es in den von Schleswig-Holstein durchgeführten "Dialogverfahren" unter dem Alibi der Bürgerbeteiligung auch erfolgt ist. So wurde bei der geplanten "Ostküstenleitung" entgegen den selbst auf erlegten Grundsätzen der Bundesnetzagentur eine vollkommen neue Stromtrasse in großen Abstand zur bereits bestehenden Trasse über bisher unberührte FFH-Gebiete spannend beschlossen, ohne dass die alte verträglichere Trasse abgebaut werden soll. Dieses wurde im sogenannten "Dialogverfahren" einfach mal so fest gelegt. Im folgenden eigentlichen Planungsverfahren besteht nur noch die Möglichkeit einer "Feinkorrektur" innerhalb eines 500 m Streifens. Die Energiewende bedarf einer großen Anstrengung, aber nicht mit den antiquierten Mitteln von Großprojekten, sondern in einer Abkehr von überzogenen Wohlstandsansprüchen. Aber damit kann man ja niemandem kommen und so beisst sich die Katze wieder einmal in den Schwanz!
jürgen: weißleder
29.01.2016, 22:04Nachgang Ich habe das Gefühl, daß Tina Mieritz Vertreterin großer Energie- und Banken-Konzerne ist. Sonst wäre bei einem echten Verantwortungsgefühl und Wissen über Zusammenhänge so etwas nicht aquf die NABU-Hompage gekommen. Gruß jürgen:
Tina Mieritz
01.02.2016, 10:28Sehr geehrter Herr Weissleder, mit unserer differenzierten Position zum Netzausbau und unserem Schwerpunkt bei der Naturverträglichkeit können wir in aller Regel die Debatte um das "Ob" und "Wie" zum Netzausbau versachlichen und zusammen mit unseren Naturschützern vor Ort gute Lösungsansätze erarbeiten. Leider gelingt uns das noch nicht in jedem Fall, wie ihre Kommentare zeigen. Gerne können wir uns einmal zum konstruktiv-kritischen Dialog zusammensetzen. Mit freundlichen Grüßen Tina Mieritz
jürgen: weißleder
29.01.2016, 21:59Hallo Natur- Freunde und nicht Kollegen, was da in Berlin in Sachen Leitungsbau durch D vom Bundesvorstand aus geht, ist schon eine schlimme Sache. Olaf, du enttäuschst mich sehr schwer. Mittlerweile geht es nur noch darum gut zu heißen, was Großkonzerne zum Erhalt ihrer Profite auf Kosten der Menschen vorgeben und diese kaputte und chaotische sog. Firma Bundesregierung durchdrückt. Ich habe das Gefühl, daß mit dem Gutheißen dieser Stromtrassen der Bundesvorstand vielleicht wieder um Spendengelder buhlt. Das ist nicht mehr mein NABU.
Uwe Scheibler
29.01.2016, 18:14Eines der Ziele der Energiewende war die Dezentralisierung der Produktion und die Regionalisierung von Produktion und Verbrauch. Noch mehr Leitungstrassen widersprechen hochgradig dieser Zielsetzung und dienen im Wesentlichen dem Energiehandel, nicht den Verbraucherinnen. Übertragungsleitungen tragen zum Energieverlust bei und können nur mit einer teilweise erheblichen Belastung von Natur und Landschaft und auch der Menschen realisiert und betrieben werden. Solange die Sparziele nicht ernst genommen werden, stellt die Unterstützung eines Netzausbaus durch einen Umweltverband nichts anderes als einen hilflos wirkenden Kniefall vor der Pseudo-Energiewende der Bundesregierung dar. Schade! Uwe Scheibler, Zürich und Göttingen
Ralph R.
29.01.2016, 18:32Hmm, das möchte ich mal ganz höflich dahingehend kommentieren, dass die Regionalisierung dazu geführt hat, dass immer mehr Naturflächen mit Solarinstallationen vollgepflastert werden und bald auf jedem Hügel ein die Natur verschandelndes und die Vogelwelt störendes Windrad steht. Inzwischen dürfen die Dinger ja auch in Waldgebieten errichtet werden. Inwiefern das den Verbraucherinteressen mehr dient als eine Stromtrasse erschliesst sich mir nicht wirklich. Sinn der Energiewende war für die Masse der Menschen im Übrigen die Abkehr vom Atomstrom, nicht irgendwelche Regionalisierungen.
Ralph R.
29.01.2016, 17:44Also da bin ich ehrlich gesagt doch ein wenig erstaunt. In der Uckermark wird auf Teufel komm raus gegen eine Trasse nach Nordostberlin geklagt und andererseits wird die fehlende Übertragungsmöglichkeit beklagt. Das ist nicht so richtig nachvollziehbar für mich.
Tina Mieritz
01.02.2016, 11:13Vielen Dank für ihre Anmerkung und die Möglichkeit, auf diesen scheinbaren Widerspruch einzugehen: Die Naturverträglichkeit der Uckermarkleitung und der Übertragungsbedarf des erneuerbaren Stroms in Nordostdeutschland sind kein Widerspruch. Zum Abtransport vor allem des dort nicht verbrauchten Stroms aus Windenergieanlagen sind neue Stromleitungen notwendig. Der Stromübertragungsbedarfs zwischen Bertikow und Neuenhagen in Brandenburg wurde 2009 gesetzlich festgelegt und der Planungsbeginn der Uckermarkleitung liegt bereits 8 Jahre zurück. Leider wurde das Raumordnungsverfahren ohne Verbandsbeteiligung durchgeführt und auch im Planfeststellungsverfahren wurden die Hinweise zu Vogelschutzkonflikten und Planungsfehlern in wesentlichen Punkten ignoriert. Die Forderung nach einem Erdkabel in diesem höchst sensiblen Raum wurde nicht nachgegangen. Die eigenständige Klage des NABU-Brandenburg wurde nicht "auf Teufel komm raus" angestoßen, sondern war die letzte Möglichkeit den sachlich nicht nachvollziehbaren Planfeststellungsbeschluss zu revidieren. So sieht es nun auch das Bundesverwaltungsgericht. Der NABU bedauert die Verzögerung für die nötige Einspeisung des Windstroms und plädiert für eine zukünftig verbesserte Planung und frühzeitige Berücksichtigung von planungsrelevanten Hinweisen im Bereich Naturschutz. In der Gesetzgebung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) von 2011 wird diesem Wunsch nachgekommen. Wir sind optimistisch, dass bei zukünftigen Vorhaben solch gravierende Fehler vermieden werden können.