Grüne Bilanz? Berlin, Hamburg, Wilhelmshaven auf dem Holzweg
Energie aus Holzbiomasse hat ein gutes Image: Auf dem Papier ist die Verbrennung klimaneutral. Viele Städte und Unternehmen waschen so ihre Klimabilanz grün – auf Kosten von Wäldern und Klima. Doch die Realität ist wesentlich schmutziger, zeigen drei Beispiele.
Wir haben uns in Berlin, Hamburg und Wilhelmshaven genauer angeschaut – in allen drei Städten gibt es konkrete Pläne, die fossilen Energieträger Erdgas und Kohle mit der Verbrennung von Holz zu ersetzen.
Berlin: Vattenfall ohne Plan, dafür mit Armutszeugnis
„Saubere Fernwärme bis 2040 – Vattenfall plant Klimaneutralität“ titelte kürzlich der Tagesspiegel. Am Tag zuvor hatte der Energiekonzern Vattenfall, der in der Hauptstadt das Wärmenetz betreibt, seinen Fahrplan für die Wärmewende in Berlin vorgestellt. Gut: Der Abschied von Gas und Kohle ist ohnehin überfällig. Doch im grünen Bereich ist die Berliner Fernwärme damit noch lange nicht. Denn Vattenfall will dafür bis zum Jahr 2030 die Verbrennung von Holz stark ausweiten, auf einen Anteil von bis zu 17 Prozent. Dafür müssten künftig pro Jahr mehr als 1,5 Millionen Tonnen Waldholz verbrannt werden. Zum Vergleich: Die gesamte Jahresernte des Brandenburger Landesforstes beträgt etwa eine Million Tonnen Holz. Der Bedarf wäre also nicht mal annähernd gedeckt, selbst wenn jeder gefällte Baum direkt verbrannt würde. Ohne Brennholz-Importe aus dem Ausland gehen die Pläne von Vattenfall also nicht auf. Es sind zwei neue Holzheizkraftwerke geplant. Auf dem Papier ist Holzverbrennung „klimaneutral“, in der Realität würden weiterhin große Mengen CO2 aus den Kraftwerksschloten strömen.
Hamburg: Grüne Wärme, natürlich ohne Frischholz – oder?
Auch in Hamburg soll künftig Holzverbrennung einen Teil der „grünen“ Fernwärme liefern, wenn die Stadt 2030 aus der Kohle aussteigt. Das Kohle-Heizkraftwerk Tiefstack soll auf Holz umgerüstet werden. Lange wurde seitens des Unternehmens, den kommunalen Hamburger Energiewerken, behauptet, es solle „auf gar keinen Fall Frischholz“ verbrannt werden. Nur „Reste“ kämen zum Einsatz. Schließlich wurde zugegeben, was technisch schon lange klar war: Nur hochwertige Holzpellets können in einem solchen Kraftwerk verbrannt werden. Und davon eine ganze Menge: Bis zu 400.000 Tonnen Pellets im Jahr werden benötigt. Zur Herstellung braucht es etwa doppelt so viel Frischholz oder saubere Sägereste. Der „Biomassekodex“ des Unternehmens erlaubt dann konsequenterweise die Nutzung von Pellets, die aus kanadischem Urwaldholz oder aus Kahlschlägen in wertvollen Laubwäldern an der US-Ostküste gewonnen wurden. Anders wären diese Mengen wohl auch kaum zu bekommen.
Wilhelmshaven: „Grüner“ Wasserstoff mit Strom aus Holz?
Das Unternehmen Onyx Power plant in Wilhelmshaven das dortige Steinkohlekraftwerk auf Holzpellets umzurüsten. Bei der Firmenstruktur wird es etwas undurchsichtig: Eigentümer von Onyx ist der US-Investor Riverstone Holding, der wiederum Hauptanteilseigner des weltgrößten Pellet-Konzerns Enviva ist. Enviva ist verantwortlich für die bereits erwähnten Kahlschläge in artenreichen Wäldern im Südosten der USA. Immerhin: Um den heißen Brei wird nicht herumgeredet, der Import von Pellets wird von Anfang an zugegeben.
Dafür kommt noch ein zusätzlicher grüner Anstrich hinzu: Mit dem Strom aus dem Holzkraftwerk soll „grüner“ Wasserstoff hergestellt werden. Das ist aber furchtbar ineffizient, denn auf dem Weg gehen drei Viertel der eingesetzten Energie verloren. Aber: Als Teil des „Energy Hubs Wilhelmshaven“ klingt das herrlich modern trotz Steinzeittechnologie zur Energiegewinnung.
Holzverbrennung als Scheinlösung, um Wärme zu „dekarbonisieren“
Besonders schlimm ist, dass diese klimaschädliche Holzverbrennungs-Strategie auch an zahllosen anderen Orten in Deutschland Schule macht: Die Stadt Hannover inklusive VW-Werk soll „klimaneutrale“ Wärme bekommen aus dem neuen Altholz-Kraftwerk in Hannover-Stöcken, in Emden bezieht VW bereits Wärme aus einem Holzkraftwerk. BMW rechnet seine Produktion „klimaneutral“ mit einem neuen Holzkraftwerk in Dingolfing. Chemiekonzern Solvay in Rheinberg feiert sein neues Altholz-Kraftwerk ebenso wie der Papierhersteller Köhler Gruppe sein neues Hackschnitzel-Kraftwerk in Oberkirch. Die Städte Braunschweig, Nürnberg und auch kleinere Kommunen wie Wahlstedt in Schleswig-Holstein oder Wörthsee in Bayern: Sie alle wollen sich dank Holzverbrennung schnell von fossilen Energieträgern verabschieden.
Deswegen fordert der NABU schon jetzt:
- wirksame Einschränkungen für Holzkraftwerke
- einen CO2-Preis auch auf Emissionen aus Holzverbrennung
- keine Subventionen für Holzverbrennungsanlagen
- genügend Fördermittel für wirklich „grüne“ Alternativen wie Geothermie, Abwärmenutzung oder Speicherlösungen.
Stoppen Sie mit uns die Pläne: Kahlschlag verhindern, Zukunft nicht verheizen!
Würden insgesamt alle Pläne der deutschen Industrie umgesetzt, könnten diese laut einer vom NABU beauftragten Studie künftig fast 30 Millionen Tonnen Waldholz im Jahr für ihre Prozesswärme benötigen. Dazu kommen Kraftwerke für die öffentliche Strom- und Wärmeversorgung. Oft wird hier auf das vermeintlich „grünere“ Altholz gesetzt, also Sperrmüll und anderes gebrauchtes Holz. Dieses wird aber bereits knapp: Auf dem Altholzmarkt soll der Preis schon heute kaum noch eine Rolle spielen, sondern schlicht die verfügbaren Mengen. Im Zweifel wird auf frisches Waldholz ausgewichen, zudem müssen Spanplattenhersteller bei Altholzmangel mehr frisches Holz nutzen. Aus Pellet-Exportländern wie Estland und Rumänien häufen sich die Berichte über teils illegale Einschläge in geschützten Naturwäldern. In Estland ist der Wald bereits keine CO2-Senke mehr, sondern gibt mehr CO2 frei als er speichert. Und die Wissenschaft ist ganz klar: Wird Waldholz verbrannt, ist dem Klima nicht geholfen, selbst wenn dadurch weniger Kohle oder Gas verheizt wird. Denn pro Energieeinheit wird sogar mehr CO2 in die Luft geblasen. Dazu kommt der Verlust des Waldes als wichtiger Kohlenstoffspeicher.
Bundesregierung muss gegensteuern
Dennoch sind all diese Pläne gesetzeskonform: Im neuen Heizungsgesetz wurden bereits die Einschränkungen für Holzheizungen nach großem Aufschrei der Forst- und Bioenergielobby gestrichen. Das neue Wärmeplanungsgesetz soll einen hohen Anteil von Biomasse in neuen Wärmenetzen erlauben, der selbst mit Holzmengen wie in Hamburg oder Berlin locker eingehalten werden kann. Diese Entwicklungen haben das Potenzial, alle anderen Klimaschutzbemühungen zu konterkarieren. Stattdessen würde eine extrem hohe Holznachfrage zementiert werden – und zwar auf Jahrzehnte.
- Grüne Bilanz? Berlin, Hamburg, Wilhelmshaven auf dem Holzweg - 11. August 2023
- Industrie am Scheideweg: Naturzerstörung oder Walderhalt? - 26. Januar 2023
- Holzpellets: sauberes Image, zerstörerische Realität - 10. Januar 2023
4 Kommentare
Peter
16.11.2023, 15:32Die Grünen müssten auch aufschreien wegen der thermischen Nutzung von Frischholz! Nachhaltige Waldwirtschaft wie in Stadtwald Lübeck scheint in ihrer politischen Praxis nicht angekommen zu sein!
Juergen Graetz
20.09.2023, 10:44Danke für die aufschlussreiche Information. Ich hatte schon vorher meine Zweifel, wie das mit der Verbrennung von Holz unter Umweltschutzbedingungen klappen kann. Vielen Dank für Ihre klarstellenden Informationen, die meine Bedenken bestätigen. Ich wundere mich nur: Wo bleibt der Aufschrei von Fridays for Future und der Letzten Generation?
Der NABU
22.09.2023, 08:18Lieber Herr Graetz, herzlichen Dank für das positive Feedback! Es gibt eine Kampagne zur Holzverbrennung von Fridays for future (https://eur05.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Ffridaysforfuture.org%2Feuropebeyondburning%2F&data=05%7C01%7Cressort-umweltschutz%40NABU.de%7C53336b372c894962499b08dbb9e92f9d%7Cad40dd9b5f8f4af8aee4bb88fde993a8%7C0%7C0%7C638308183394392419%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C3000%7C%7C%7C&sdata=iv51UNJN7e8736cZ5VRLl30tp1Qr6RDpW8q%2FHh8fGv4%3D&reserved=0) und wir arbeiten auch mit vielen anderen Organisationen zusammen, siehe z.B. unser Eil-Appell zum Gebäudeenergiegesetz: https://eur05.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.nabu.de%2Fpresse%2Fpressemitteilungen%2Fhttp%2Findex.php%3Fpopup%3Dtrue%26show%3D38012%26db%3Dpresseservice&data=05%7C01%7Cressort-umweltschutz%40NABU.de%7C53336b372c894962499b08dbb9e92f9d%7Cad40dd9b5f8f4af8aee4bb88fde993a8%7C0%7C0%7C638308183394392419%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C3000%7C%7C%7C&sdata=e6JqW2334FxKS1yKVoolrR99qcjzKzfmo8UFpN8HtuY%3D&reserved=0 Aber Sie haben recht: Das Thema braucht noch mehr Aufmerksamkeit. Wir bleiben daher dran und freuen uns über Ihre Unterstützung!
Cornelia Marcus
19.09.2023, 01:02Nur mit sinnvoller Nutzug industrieller Abwärme , Nah-und Fernnetzen, Wärmepumpen und Speicherung, sowie Geothermie, wenn möglich sollten 1. die Industrie selbst in verpflichtender Eigenleistung und 2. die Kommunen in Verantwortung als Wärmeversorger und in Kooperation mit Gewerbe und Haushalten für eine schnelle Umrüstung auf wirklich klimaneutrale Wärme sorgen. Auf Bundesebene sind dazu dringend auch Gesetzesänderungen nötig - Holz darf keinesfalls als klimaschonende Biomasse angerechnet/verwendet werden !! Wälder verbrennen jedes Jahr in erschreckendem Maße zunehmend allein durch zunehmende Dürren und Klimawandel (weltweit!) !! .......Warum werden Greenwashing und Raubbau an unseren Lebensgrundlagen immer noch gefördert statt verboten ? Wann werden Großnutzer und Profiteure zur Verantwortung für den Umbau verpflichtet ? Wie das Versagen der Politik stoppe ?? und Zukunft endlich ermöglichen ?!!!