Industrie am Scheideweg: Naturzerstörung oder Walderhalt?

Industrie am Scheideweg: Naturzerstörung oder Walderhalt?

Importierte Holzpellets aus Übersee sollen in der Industrie die Kohle ersetzen. Lieferungen an einen ersten Industriekunden in Deutschland haben gerade begonnen. Warum das keine klimafreundliche Lösung ist, liegt eigentlich auf der Hand: Wälder dürfen nicht verbrannt werden, wenn wir das Klima schützen wollen. Eine Studie im Auftrag des NABU hat sich das Thema genauer angeschaut. 

Die deutsche Industrie stößt jährlich ca. 180 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente aus und ist damit nach der Energiewirtschaft der Sektor mit den zweithöchsten Treibhausgasemissionen in Deutschland. Ein Drittel dieser Emissionen kommt aus dem Prozess selbst, zum Beispiel bei der Zementherstellung. Aber zwei Drittel gehen zurück auf die Herstellung von Prozesswärme sowie Strom in eigenen Kraftwerken. Diese verbrennen fast ausschließlich fossile Energieträger. Das muss sich also absehbar ändern, damit Deutschland bis 2045 klimaneutral werden und somit seine sich selbst gesteckten Klimaziele einhalten kann. 

Ist Holz statt Kohle die Lösung?

Nach Vorstellungen des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) soll die Verbrennung von Holzbiomasse zukünftig stark ausgeweitet werden, um im Industriesektor Kohle und Gas zu ersetzen. Da die Verbrennung von Holz auf dem Papier als klimaneutral gilt, werden die Klimaziele erreicht – auch wenn wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass es für das Klima schädlicher ist, Waldholz statt Kohle zu verbrennen.

In einem vom BDI beauftragten Szenario wird die Holzverbrennung von heute ca. 23 TWh auf 73 TWh im Jahr 2045 ausgebaut. Eine vom NABU beauftragte Studie des IFEU-Institutes hat berechnet, dass sich bei einer solchen Entwicklung die verbrannte Holzmenge von heute 7,71 Millionen Tonnen (davon fast 70 Prozent sogenanntes Sekundärholz, dazu gehören Sägereste, Altholz etc.) auf 26,9 Millionen Tonnen erhöhen, also mehr als verdreifachen würde.

Abbildung 2 aus der ifeu-Studie: Aktueller und zukünftiger Holzeinsatz (HE) bei beiden Szenarien.

Die zusätzliche Menge müsste dabei vollständig aus Primärholz, also Holz direkt aus dem Wald, gedeckt werden, da kein weiteres Sekundärholz zur Verfügung steht. Importe im großen Umfang wären notwendig, um diese Holzmenge zu decken. Dass solche Importe nicht in ferner Zukunft liegen, zeigt sich daran, dass der weltweit größte Pelletkonzern Enviva, verantwortlich für Kahlschläge in artenreichen Laubwäldern in den USA, im Mai 2022 einen Zehnjahresvertrag mit einem deutschen Industriekunden abgeschlossen hat. Betrachtet man den realen CO₂-Ausstoß aus der Holzverbrennung, zeigt die Studie, dass dieser höher liegt als bei der, fossiler Energieträger.  

Es gibt technische Alternativen zum Raubbau von Wäldern

Der hohe Holzeinsatz in der Industrie ist nicht zwingend notwendig. Für alle Temperaturbereiche sind technologische Alternativen vorhanden, vor allem bei der Wärmeerzeugung über Elektrifizierung sowie im geringeren Umfang mithilfe von „grünen Gasen“ (Biogas, aber vor allem mit erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff). Der Holzeinsatz kann demnach sogar weiter reduziert werden, sodass bis 2045 von der Industrie kein Primärholz und nur eine geringe Menge Sekundärholz genutzt werden müsste. 

Dass die Klimaneutralität des Industriesektors auch ohne einen massiven Ausbau der Holzverbrennung erreicht werden kann, bestätigen auch viele weitere Studien, zum Beispiel die „Langfristszenarien“ des Bundeswirtschaftsministeriums. 

Was muss passieren, um diese Fehlentwicklungen zu drehen?

Die Emissionen aus Holzverbrennung müssen so bepreist werden, dass die Klimawirkung berücksichtigt wird, um die aktuellen finanziellen Fehlanreize für Unternehmen zu beenden. Bisher müssen dafür von den Unternehmen keine CO₂-Zertifikate erworben werden. Laut EU-Gesetzgebung ist „nicht-nachhaltige“ Biomasse zwar bereits seit Anfang des Jahres nicht mehr pauschal CO₂-neutral, sondern im EU-Zertifikatehandel enthalten. Aber in der Realität gibt es keine funktionierende Überprüfung der Nachhaltigkeit und die Kriterien sind lasch. Die EU muss hier dringend umsteuern. Bis dahin muss Deutschland nationale Schritte ergreifen.

Zudem dürfen die nationalen Förderprogramme zur Industrietransformation, vor allem die sogenannten Klimaschutzverträge, auf keinen Fall die Umstellung auf Holzverbrennung beinhalten, so wie es derzeit geplant ist.  

Die „echten“ erneuerbaren Energien – allen voran Windenergie und Photovoltaik – müssen ausgebaut werden, damit genügend Strom für die Direktelektrifizierung, für Großwärmepumpen und die Herstellung von grünem Wasserstoff zur Verfügung stehen. Am zentralsten sind allerdings Investitionen in Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft, um den Energieeinsatz in der Industrie zu reduzieren. 

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