Modern und naturverträglich – Neue Strommasten
Freileitung oder Erdkabel? Diese Frage beim dringend benötigten Netzausbau hat sich seit Jahresbeginn zumindest für die großen Nord-Süd-Gleichstromleitungen zugunsten der Verkabelung entschieden. Doch für die Energiewende müssen auch zahlreiche kürzere Hoch- und Höchstspannungstrassen modernisiert und ausgebaut werden. Die Teilverkabelung ist natürlich möglich, aber rechtlich beschränkt. Außerdem gibt es zahlreiche Gebiete, in denen die Verlegung erhebliche Eingriffe bedeuten kann und eine Freileitung das geringere Übel darstellt.
Zumindest in der Forschung sieht man inzwischen nicht mehr nur schwarz-weiß. Denn einiges spricht dafür, dass Strommasten von Freileitungen heute nicht mehr so aussehen müssen, wie vor 80 Jahren. Die typische Stahlgitterbauweise in Tannenbaumform (Donaumasten oder Tonnenmasten) oder als “T“ auf einer Ebene hat sich bis heute tatsächlich kaum verändert. Inzwischen besteht jedoch zu Recht ein anderer Anspruch an unser Landschaftsbild, dass ohnehin zusehends technisierter wird: Monotone Felder mit verschwindenden Wiesen, Hecken und Alleen sowie Straßen, Gewerbegebiete, Windparks und weithin sichtbare Stromleitungen prägen unsere Umwelt.
In einigen Ländern Europas wie Dänemark, Island, UK und Frankreich sind bereits neuartige Strommasten in der Entwicklung oder im Betrieb. Auch in Deutschland sollen nun beim laufenden Netzausbauvorhaben an der Westküste Schleswig-Holsteins vom zuständigen Netzbetreiber TenneT abschnittsweise moderne Vollwandmasten eingesetzt werden. Der im Norden und Osten Deutschlands zuständige Stromübertragungsnetzbetreiber 50Hertz hat mit einem Projektkonsortium nun ein technisch neuartiges und kompaktes Freileitungsdesign mit niedrigeren Masten in schmalerer Trasse entwickelt.
Das Hauptkriterium für die Masthöhe und die Breite des Sicherheitsstreifens sind der maximal zulässige Seildurchhang und Seilausschwung. Konventionell hängen die Leiterseile zwischen zwei mehrere hundert Meter auseinander stehenden Masten weit durch. Um den nötigen Abstand von 8 Metern zum Boden einzuhalten sind die Masten meist sehr hoch. Das neue durch ein Forschungs- und Entwicklungsvorhaben beim Bundesamt für Naturschutz geförderte Konzept sieht stattdessen Zwischenabhängungen vor. Technisch weit entwickelte Stahl-Aluminiumseile werden zwischen den Masten gespannt und tragen mit Zwischenabhängungen die Leiterseilbündel. Statt der Höhe von 50 bis 60 Metern bei Stahlgittermasten werden die Masten lediglich 30 bis 36 Meter hoch sein. Die Trassenbreite wird sich von den bisher üblichen 72 Metern auf 55 bis 60 Meter verringern. Stahlbetonmasten ersetzen zusätzlich die Stahlgitterkonstruktionen und sparen so die in Anspruch genommene Fläche. Der Netzbetreiber verspricht sich von dieser neuen Konstruktion mehr Akzeptanz bei Anwohnern und Interessensverbänden. Raumsimulationen konnten bereits eine geringere Auffälligkeit zeigen. Auf einer kurzen Pilotstrecke von 2 Kilometern in Süd-Brandenburg werden jetzt 5 dieser neuartigen Masten errichtet und ein paar Jahre im Testbetrieb beobachtet bevor sie in Serie gehen.
Aus Sicht des Naturschutzes bieten die neuen Systeme mehrere Vorteile. Durch die niedrige Höhe und schmale Trassenbreite wird die Landschaft geschont und die Lebensraumzerschneidung reduziert. Gleichzeitig verringert sich durch die verringerte Höhe die Gefahr für Zugvögel mit den Leitungen zu kollidieren. Immer wieder verenden dort Kraniche, Störche und Wasservögel, wenn sie die Leitung zu spät als Hindernis wahrnehmen. Wenn die Leiterseilbündel zusätzlich in einer Ebene nebeneinander angeordnet werden, sehen horizontal anfliegende Vögel die Leitungen außerdem besser und kollidieren möglicherweise seltener. Leider wird auch bei dem neuen System nicht auf das besonders dünne und dadurch für Vögel schwer sichtbare Erdseil zum Blitzschutz über den Leitern verzichtet. Aspekte des Vogelschutzes werden jedoch neben technischen und ästhetischen Aspekten bei den unterschiedlichen Seilanordnungsmöglichkeiten von vornherein mit geprüft.
Aus Sicht des NABU haben kompakte Freileitungssysteme vor allem dort einen großen Vorteil, wo Erdkabel nicht verlegt werden können. Es muss nun eine intensive Erprobung im Gelände geben und ein schneller Einsatz im Betrieb folgen.
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3 Kommentare
Edgar Schippan
02.06.2016, 16:57Super Beitrag! Sachlich und fachlich kompakt zusammengefasst und zudem für jedermann leicht verständlich und nachvollziehbar dargestellt! Als "kleineres Übel" sind die neuen ca. 30 Meter hohen (niedrigen) "Einebenenmasten" immerhin eine absolut sinnvolle Alternative zu den üblichen weitaus höheren "Donaumasten"! Fazit: wenn notwendig und sinnvoll, grundsätzlich den Einsatz der neuen Einebenenmasten favorisieren und zwingend einfordern! Je niedriger umso besser! Das wird sich definitiv auch unter Abwägung für den Arten-und Lebensraumschutz als die "bessere" Lösung und als das "kleinere Übel" herausstellen! Edgar Schippan
Friedrich Wegener
27.05.2016, 20:55Schöne Masten verringern weder die elektromagnetischen Felder, noch hat sich dadurch der Koronaeffekt erledigt. Und zu vermuten ist: das erhöhte Leukämierisiko in der Nähe von Hochspannungstrassen wird durch schlanke Masten auch nicht reduziert. Ach ja, fast vergessen: der Wertverlust von Immobilien in der Nähe von "schönen" Freileitungen dürfte wohl auch Bestand haben! Welche Probleme sollten diese Masten doch gleich lösen? ;-)
Eric Neuling
31.05.2016, 12:28Hallo Herr Wegener, danke für den Kommentar. Die neuen Mastformen ersetzen natürlich keine Erdverkabelung und schon gar keinen Verzicht von Leitungen, der über Einsparung, Energieeffizienz, Speichermöglichkeiten und Eigenversorgung mit Strom erreicht werden muss. Der erhöhte Stromtransportbedarf ist dem Anspruch an eine durchgängig verfügbare und sichere Stromversorgung eines jeden einzelnen geschuldet und muss für den abgeschlossenen Atomausstieg 2022 zügig vorankommen. Schmalere und niedrigere Masten können das Landschaftsbild schonen, wo ein großräumiger Transportbedarf besteht und Erdkabel auch aus naturschutzfachlichen Gründen ausscheiden. Dies wirkt sich wiederum auch auf das weitere bis mittelbare Wohnumfeld positiv aus. Akzeptanzstudien mit Raumsimulationen zeigen schon entsprechende Ergebnisse. Notwendige Abstände nach immissionschutzrechtlichen Vorgaben müssen von den Netzbetreibern natürlich weiterhin eingehalten werden.