Zukunftsfähige Kraftstoffe: Welche Alternative für Pkw, Lkw, Schiff, Flugzeug und Co.?
Das Automobil der Zukunft fährt mit Strom. So viel scheint sicher, auch wenn es heute noch an einem zufriedenstellenden Fahrzeugangebot, flächendeckender Ladeinfrastruktur und zumindest teilweise der Kundenakzeptanz mangelt. Nichtsdestotrotz sind die globalen Weichen längst so gestellt, dass der endgültige Abschied vom Verbrennungsmotor auf der Straße innerhalb der nächsten 15 Jahre, also im Jahr 2035 weitestgehend vollzogen sein wird. Batterieelektrische Fahrzeuge werden nach heutigem Kenntnisstand die bei Weitem dominante Antriebsart sein. Auch der NABU unterstützt den konsequenten Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge, da der Antriebswechsel ein zentraler Baustein der dringend nötigen Verkehrswende ist.
Was das Auto angeht, sind sich die allermeisten Fachleute inzwischen einig: Die direkte Nutzung von erneuerbarem Strom mittels Elektromotor und die Batterie als Speichermedium können mit Abstand die höchste Energieeffizienz vorweisen. Doch was ist mit den anderen Verkehrsträgern, vom Lkw über das Hochseeschiff bis hin zum Langstreckenflieger? Süffisant werden dann von einigen Industrievertreter*innen Vergleichsrechnungen angestellt beziehungsweise vorgetragen, wonach das mit Batterien für den eigenen Vortrieb bepackte Containerschiff noch im Hafen untergehen, das Flugzeug nicht abheben könne. Als ob Umwelt- und Klimaschützer*innen das jemals gefordert hätten. Es ist doch klar: Die Zukunft der emissionsfreien Antriebe wird sich erheblich ausdifferenzieren.
Diversifizierung: Wir werden künftig einen breiten Antriebs- und Kraftstoffmix sehen
Je nach Fahrzeugart und Anwendungsfall werden unterschiedliche Antriebskonzepte und Kraftstoffe beziehungsweise Energieträger zum Einsatz kommen. Vereinfachte Darstellungen und Forderungen, die suggerieren, ab morgen werde es nur noch den einen Antrieb geben, greifen viel zu kurz und sind weder dazu geeignet, konstruktiv an Lösungen zu arbeiten, noch Politiker*innen Orientierungshilfe für ihre Entscheidungen zu bieten. Die seit Jahren gebetsmühlenartig vorgetragenen Partikularinteressen einzelner Akteure wie der Gaswirtschaft, der Biokraftstoffindustrie oder Wasserstoffwirtschaft sind erkennbar der Versuch, lediglich neue Absatzmärkte für die eigenen Produkte zu erschließen. Wichtiger wäre jedoch, ein tragfähiges Gesamtkonzept für den Verkehrssektor zu entwerfen, der mit einem Minimum an Energie- und Ressourceneinsatz die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen befriedigt und deren Versorgung sicherstellt.
Prinzip der Technologieoffenheit aufgeben!
In diesem Kontext wird immer gern auf das Prinzip der Technologieoffenheit verwiesen, welches garantieren solle, dass alle Antriebs- und Kraftstoffarten gleichermaßen gefördert werden, um vermeintlich noch ausstehende Durchbrüche einzelner Technologien nicht abzuwürgen. Hier sage ich: Wir müssen uns schnellstmöglich von diesem Prinzip verabschieden! Dieser Glaubenssatz mag im ersten Moment einleuchtend klingen, entpuppt sich aber als unwirtschaftliche und kontraproduktive Maßnahme, wenn es darum geht, zukunftsfähigen Technologien zum Durchbruch zu verhelfen. Statt zielgerichteter Förderung, dort, wo es sinnvoll ist, führt diese Maxime zu einer Förderkulisse, die nach dem Gießkannenprinzip Steuergelder ausschüttet, ohne den systemischen Nutzen in den Blick zu nehmen.
Fokussierung nötig: Technologiespezifische Förderung
Wesentlich zielführender wäre neben dem Abbau bestehender (in)direkter Subventionen für fossile Kraftstoffe eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zugunsten der auf erneuerbaren Energien basierenden Antriebskonzepte. Dies muss jedoch der Idee der technologiespezifischen Förderung folgen, die sich zunächst anschaut, welche Antriebsoptionen jeweils die bestmögliche, weil effizienteste und damit klimaschonendste, bei den einzelnen Verkehrsträgern ist. Zentrales Bewertungskriterium ist die Energieeffizienz. Während ein Elektromotor einen Wirkungsgrad von 90 Prozent hat, erreichen Verbrennungsmotoren gerade einmal 35 bis 40 Prozent. Auch die Umwandlung erneuerbaren Stroms in Wasserstoff, Gas oder flüssige Kraftstoffe gehen mit teilweise erheblichen Umwandlungsverlusten einher. So muss etwa die siebenfache Menge Primärenergie im Vergleich zu einer direkten Stromnutzung eingesetzt werden, um stattdessen mit synthetischen Kraftstoffen zu fahren. Erneuerbare Energie, die absehbar erst einmal nicht zur Verfügung steht. Entsprechend würde man die öffentliche Förderung so priorisieren, dass eine maximal zielgerichtete Förderung für die identifizierte Leittechnologie ermöglicht wird. Also nicht: Batterie und Wasserstoff-Brennstoffzelle und noch flüssiges (LNG) und komprimiertes Erdgas (CNG) sowie synthetischen Diesel und Benzin plus Biokraftstoffe im Pkw-Bereich gleichzeitig fördern. Das verbrennt nur Steuergelder und hilft dem Klima kaum.
Industriepolitische Dimension: Entschlossen handeln, statt abwarten
Werden sämtliche Technologien in sämtlichen Anwendungsfällen parallel gefördert, muss es nicht verwundern, wenn die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, aber auch der Landes- und kommunalen Parlamente zögerlich die nötigen Mittel für Pilotanlagen, Lade- und Tankinfrastrukturen und öffentliche Beschaffung freigeben. Es gelingt den Interessenvertreter*innen schlichtweg nicht, Orientierung im Technologiedickicht zu bieten und einen klaren Pfad für einen treibhausgasneutralen Verkehr aufzuzeigen. Die Aufgabe erscheint überkomplex und etliche neigen zum Abwarten, wo entschlossenes Handeln gefragt ist. Selbiges gilt übrigens für die Industrie. Hier stellt sich die Wirtschaft selbst ein Bein, weil allen Beteiligten die nötige Planungssicherheit für milliardenschwere Investitionen in Elektrolyseure, Raffinerien und letztlich auch zusätzliche Kapazitäten erneuerbarer Energien fehlt. Daher sollte auch die zeitliche Dimension verstärkt in den Fokus rücken: Wo stehen welche Nullemissionstechnologien heute schon bereit, wo sind sie noch Zukunftsmusik, mit der wir aktuell kein Gramm CO2 einsparen können?
Ehrlich machen: Was steht wann zur Verfügung? Was lässt sich skalieren? Allokationsfragen
Batterieelektrische Antriebe für Pkw stehen zur Verfügung, während „grüne“ Kraftstoffe absehbar nicht vor 2030 in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. Hier wäre es sinnvoll, durch gezielte, zugleich aber realistische und zunehmende Beimischungsquoten für Kerosin bereits heute die nötige Nachfrage durch die Luftfahrt auszulösen, damit entsprechende Kapazitäten unverzüglich aufgebaut werden. Einen anderen Weg als die Erzeugung synthetischen Kerosins sieht aktuell ohnehin niemand für diesen Sektor. Warum also nicht sofort anfangen? Der Verweis auf riesige Potenziale in Nordafrika allein genügt nicht. Sie müssen erschlossen werden. Das dürfte in der MENA-Region nicht trivial sein und auch der mittlere Osten dürfte erst mittelfristige Abnahmeverträge zum Anlass nehmen, in die entsprechenden Anlagen zu investieren. Neben den Produktionskapazitäten strombasierter Kraftstoffe müssen auch die zusätzlichen Mengen erneuerbaren Stroms überhaupt auch erst erzeugt werden. Erschwerend kommt die ethische Dimension hinzu: Wer wollte vertreten, dass es angemessen wäre, die vorerst knappen Mengen erneuerbar erzeugter Energien einzig in den Export fließen zu lassen, während das Herkunftsland weiter von fossilen Energieträgern abhängt? Und letztlich die Frage danach: In welche Sektoren sollen die Erneuerbaren überhaupt sinnvollerweise fließen? Schließlich melden auch der Energie- und Gebäudesektor, aber auch das produzierende Gewerbe riesige Bedarfe an.
Antriebe der Zukunft – zukunftsfähige Kraftstoffe und Energieträger
Was bedeutet das aber nun konkret? Welche Antriebsarten und Kraftstoffe eignen sich für die jeweiligen Fahrzeugklassen und Einsatzgebiete, wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden sollen? Gehen wir sie der Reihe nach durch: Pkw, das wurde bereits oben klar, sollten wo immer möglich, batterieelektrisch betrieben werden. Plug-in-Hybride, also Autos mit einem Verbrennungsmotor und einer kleinen Batterie, kombinieren nebenbei bemerkt, im Alltag meist das Schlechteste aus beiden Welten. Für Lkw bieten sich in den unteren Gewichtsklassen bis 26 Tonnen ebenfalls batterieelektrische Lösungen an. Darüber wird sich vermutlich die Brennstoffzelle durchsetzen und auch Oberleitungen entlang des Kernnetzes der Autobahn wären geeignet, eine sehr effiziente Energieversorgung des Schwerlastverkehrs sicherzustellen. Erdgas ist hingegen insbesondere aufgrund des Methanschlupfs weder für den Lkw- noch Schiffsverkehr geeignet, die Treibhausgasbilanz zu verbessern, wie jüngste Studien eindrücklich belegen. Denn der Methanschlupf wäre auch dann weiterhin vorhanden, wenn das Gas aus erneuerbaren statt fossilen Quellen erzeugt würde. Die vermeintliche „Brückentechnologie“ LNG trägt also nicht. Für den Luftverkehr bleibt nur synthetisches Kerosin. In der Schifffahrt hingegen ist der Weg noch nicht ausgemacht. Wasserstoff oder Methanol in Brennstoffzellen könnten potenziell für den emissionsfreien Antrieb geeignet sein, in jüngster Zeit richten sich auch immer mehr Augen auf Ammoniak. Wir werden die Entwicklungen weiter verfolgen, ehe sich hier ein eindeutiger Favorit bestimmen lässt.
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