NABU-Studie: Sind ESG-Ratings fit für den Naturschutz?
Sustainable Finance ist einer der zentralen Finanztrends der letzten Jahre. Dabei geht es darum, Nachhaltigkeitskriterien systematisch in Finanzströme und Investitionsentscheidungen zu integrieren. Das ist dringend notwendig, denn für den Klima- und Naturschutz werden hohe Investitionssummen gebraucht. Gleichzeitig wird weltweit noch viel Geld investiert, das weder naturverträgliche noch klimaneutrale Effekte hat. Die verwalteten Vermögenswerte belaufen sich weltweit auf etwa 100 Billionen Euro, Tendenz steigend. Damit Anleger*innen gezielter Naturschutzkriterien berücksichtigen können, benötigen wir eine Unternehmensberichterstattung, die Transparenz darüber herstellt, wie nachhaltig Unternehmensaktivitäten sind.
Biodiversität und Ökosysteme bisher kaum systematisch im Blick
Institutionelle Investoren erkennen zunehmend: Die Naturkrise ist auch für sie relevant. Bisher fehlen jedoch klare Berichtsstandards, die den Einfluss von Investitionen auf die Artenvielfalt und Ökosysteme sichtbar macht. Bestehende ESG-Ratings, also die Bewertungen der Unternehmen im Bereich Umwelt, Soziales, und Governance, sind häufig methodisch intransparent und blicken unterschiedlich detailliert auf Naturschutzaspekte. Auch scheinbar ambitionierte Ansätze entpuppen sich bei genauem Hinschauen oft als problematisch. Eine naturverträgliche Steuerung von Investitionen wird so deutlich erschwert.
NABU-Studie analysiert Berichterstattungsstandards
Aktuell entstehen verschiedene Berichterstattungsstandards. Die vom NABU in Auftrag gegebene und von Experten des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung durchgeführte Studie nimmt diese Ausgangslange in den Blick. Das Forscherteam um Tobias Wildner, Dr. Johannes Förster und Prof. Dr. Bernd Hansjürgens (UFZ) analysierte insbesondere:
- Das europäische Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD),
- Standards des International Standard Setting Boards (ISSB), die auf internationaler Ebene Vergleichbarkeit schaffen sollen, sowie
- Der Standard der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TFND), die vor allem von Finanzinstituten angestoßen wurde.
Das Ergebnis: Sie unterscheiden sich deutlich im Hinblick auf ihre Detailtiefe und bezüglich der Aspekte von Investitionen, die sie in den Fokus nehmen.
Positiv hervorgehoben: Europäische Corporate Sustainability Reporting Directive
Die europäische CSRD, die sowohl finanzielle Rückwirkungen von Natur- und Klimarisiken auf Unternehmen als auch die Auswirkungen von Geschäftstätigkeiten auf Natur und Klima in den Blick nimmt („Doppelte Materialität“), wird von dem Forscherteam besonders hervorgehoben. Der Studie zufolge stellt sie eine bisher einzigartige Form der Unternehmensberichterstattung dar. Allerdings, so die Studie, hat ein jüngst veröffentlichter Entwurf der CSRD-Biodiversitätsstandards ihr Ambitionsniveau abgeschwächt. Ihre positive Wirkung auf die Natur könnte so ebenfalls an Gewicht verlieren.
Zweite Jahreshälfte 2022 entscheidend
Deutlich wird, dass eine belastbare und aussagekräftige Unternehmensberichterstattung, die Biodiversität und Ökosysteme systematisch in den Blick nimmt, bislang fehlt. Sie ist aber in hohem Maße relevant, um Finanzströme naturverträglich umzuleiten. Gerade die zweite Jahreshälfte 2022 ist dabei von besonderer Bedeutung: Zentrale Standardsetzungprozesse sollen politisch verhandelt und gestaltet werden. Hierbei ist insbesondere die CSRD hervorzuheben, bei der am 22. Juni 2022 bereits eine vorläufige Einigung auf europäischer Ebene verkündet wurde. Damit Biodiversität und Ökosysteme bei Investitionen stärker Berücksichtigung finden, darf die CSRD die ursprünglich anvisierten Naturschutzstandards nicht weiter abschwächen. Der NABU setzt sich daher für ambitionierte und wissenschaftsbasierte Standards ein.
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