Automobilhersteller täuschen bei Emissionswerten
Seit dem ersten Januar müssen Automobilhersteller alle Emissionen offenlegen, die im Zusammenhang mit ihren Produkten entstehen. Eine Studie von Transport & Environment (T&E) zeigt nun: Bei BMW, Mercedes und VW liegen die tatsächlichen Emissionen im Schnitt 46 Prozent höher, als sie in ihren Berichten angeben. Investor*innen, die sich auf solche Unternehmensdaten verlassen, könnten getäuscht werden.
Neue Transparenz: direkt unterwandert
Eigentlich sollte 2023 vieles besser werden: Durch neue EU-Richtlinien wie die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) und die Offenlegung der Scope-3-Emissionen soll endlich der Umfang der Emissionen sichtbar werden, die man mit seiner Investition finanziert. Für Investitionsentscheidungen wird es also umso wichtiger, wie viele Emissionen mit dem Kauf einer Aktie oder Anleihe eines Unternehmens mitgekauft werden und wie dieses Unternehmen im Vergleich zu anderen abschneidet. Das funktioniert aber nur, wenn die zugrundeliegenden Informationen vollständig und korrekt sind.
Automobilhersteller: so klimaschädlich wie Ölfirmen
Die Richtlinie zur Offenlegung der Scope-3-Emissionen regelt, dass die Unternehmen seit Anfang des Jahres die Emissionen für den ganzen Lebenszyklus ihrer Produkte angeben müssen. Dieser Bericht war bisher nicht verpflichtend. Jetzt müssen auch die Emissionen, die bei der Nutzung eines Produkts anfallen, berücksichtigt werden. Während dies bei einem Möbelstück weniger relevant ist, stößt ein Auto die meisten Emissionen (im Schnitt 98 Prozent) erst aus, wenn es fährt.
Wenn die wahren Emissionen von Autoherstellern offengelegt werden, fällt auf, dass nur die Zementindustrie noch einen schlechteren Kohlenstoff-Fußabdruck hat. Die Organisation T&E hat in ihrer Studie auch die Gesamtemissionen der Autohersteller mit denen der Ölriesen Shell und Exxon Mobile verglichen. Das Ergebnis: Aus finanzieller Sicht ist eine Investition in VW sogar kohlenstoffintensiver als in die Firma Exxon.
Wie die Autohersteller tricksen
Im Schnitt geben große Automobilhersteller 46,7 Tonnen CO2-Äquivalente pro verkauftem Fahrzeug an. Laut T&E liegen diese jedoch bei 68,2 Tonnen CO2-Äquivalente pro Fahrzeug. So kommt der Unterschied zustande: Automobilhersteller berechnen ihre Gesamtemissionen auf Basis von Faktoren wie der Größe eines Fahrzeugs, seiner Lebensdauer und der Strecke, die das Auto durchschnittlich zurücklegt. Die deutschen Automobilhersteller BMW, Mercedes und VW zählen dabei zu den fünf Unternehmen, die in ihrer Berichterstattung am meisten untertreiben. BMW rechnet für die Emissionen seiner Fahrzeuge mit einer Laufleistung von 150.000 Kilometern. Laut T&E liegt die durchschnittliche Laufleistung eines PKWs aber eher zwischen 150.000 und 270.000 km. Die Emissionen von BMW liegen so laut den Berechnungen sogar 81 Prozent über den angegebenen Werten des Unternehmens. In der Studie wurde mit der Laufleistung der Autos nur eine der Komponenten der Scope-3-Emissionen analysiert. Da andere Emissionen, die in der Wertschöpfungskette der Autos entstehen, nicht betrachtet wurden, ist davon auszugehen, dass die Lücke zwischen den angegebenen und tatsächlichen Emissionen noch höher ist.
ESG-Ratings erfassen nicht wahren Auswirkungen des Sektors
Und was bedeutet das für nachhaltige Geldanlagen? Vermögensverwalter*innen stehen zunehmend vor der Herausforderung, ihre Portfolios klimafreundlich umzubauen und dafür einheitliche Kriterien für nachhaltige Anlagen zu finden. Schätzungen zufolge ist ein Drittel des gesamt verwalteten Vermögens bereits in ESG (Environmental, Social, Governance)-Themenfonds investiert. Doch die sind oft irreführend: Obwohl der Verkehrssektor der größte Verursacher von CO2-Emissionen in Europa ist, schneidet die Automobilbranche in ESG-Ratings sehr gut ab. Die guten ESG-Ratings lassen sich unter anderem darauf zurückführen, dass CO2-Emissionen in den derzeit führenden ESG-Indizes weniger als 1 Prozent des Ratings ausmachen und damit eine sehr geringe Rolle spielen. Es ist daher dringend an der Zeit, dass die EU eine gesetzliche Regelung zur einheitlichen Erfassung von ESG-Kriterien erlässt, die Greenwashing einschränken und wichtige Umweltindikatoren wie Emissionen stärker gewichten.
- Automobilhersteller täuschen bei Emissionswerten - 25. Januar 2023
- Der Wert unserer Lebensgrundlage - 14. Dezember 2022
- Energiesicherheit: klimafreundliches „zweites Leben“ für Kohlekraftwerke - 25. August 2022
2 Kommentare
Storchi
15.05.2023, 16:22Das Autohaus in St. Gallen ist auch darüber enttäuscht. Herstellerangaben sind eben bei Idealbedingungen im Labor entstanden und haben mit der Wirklichkeit meist wenig zu tun. Vorsätzliches Täuschen hat einen anderen Beigeschmack.
Christian B.
27.01.2023, 17:01Die Herstellenergie macht nur 2 % aus? Dann würde es ja lohnen, ein Fahrzeug nach 3 Jahren zu verschrotten, wenn dann ein etwas sparsameres auf dem Markt ist! Laut https://vcoe.at/service/fragen-und-antworten/wie-viele-ressourcen-werden-bei-der-pkw-produktion-verbraucht sind es über 15 %. Aber genau kann man das aber gar nicht wissen, viele Fahrzeuge erhalten ein zweites „Leben“ irgendwo im Ausland. Was die Größe "CO2 pro Investition" überhaupt soll, ist mir allerdings schleierhaft. Wenn man "nachhaltig" investiert hat, kann man sich ja beruhigt zurücklehnen? Irgendwer muss doch produzieren, was andere haben wollen. Entscheidend ist das andere Ende, der Konsum. Das wäre dann die Kennzahl "CO2 pro Personenkilometer", oder "CO2 pro m²und Jahr warme Wohnung". Tatsächlich findet sich für den „dreckigen Rest“ immer ein Investor bzw. Abnehmer, so wie beim Strom auch. Dadurch ändert sich erstmal nix! Es hilft nur, eine bessere Technologie solange zu fördern, bis sie eine schlechtere verdrängt hat, und externe Kosten via Verbrauchssteuern zu internalisieren. Und - manchmal - braucht es darüberhinaus Verbote.