Urlaub mal anders – Erholung in Balkonien, Radistan oder Bahnland
Erst kam Corona, damit kam lange nichts. Nun steht der Sommer vor der Tür und mit ihm die Urlaubssaison. Aber wie verreist man Anno Corona? Diese Frage stellen sich gerade viele und ich mir mit ihnen. Im Zuge der neuen Lockerungen öffnen viele Länder wieder ihre Grenzen – und ihre Flughäfen. Aber nach monatelangem Abstandhalten mehrere Stunden in einem voll besetzten Flugzeug ohne Abstandspflicht sitzen: Ohne mich! Nicht erst seit Corona beschäftige ich mich damit, wie man nachhaltigeren Urlaub machen kann. Denn schon seit längerem sind mir dienstliche und private Reisen mit dem Flugzeug ein Dorn im Auge. Auch wenn ich es liebe, mich mit anderen Orten, Kulturen und Lebensweisen vertraut zu machen, so ist doch klar: so geht es nicht weiter. Und dafür gibt es gute Gründe:
Klimawandel-Überflieger Flugverkehr
Der Flugverkehr wächst und macht mittlerweile fast 60 Prozent des gesamten Verkehrs aus – und schon zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Das ist mehr als die gesamten Emissionen Deutschlands pro Jahr. Mit allen klimarelevanten Wirkungen (also auch Nicht-CO2-Effekte) ist der internationale Luftverkehr sogar für bis zu acht Prozent der jährlichen, weltweiten Klimaemissionen verantwortlich. Und die Fluggastzahlen, das Streckennetz und damit die Schadstoffemissionen wachsen um bis zu sechs Prozent pro Jahr. Hinzu kommt: Menschenmassen, die alle nur für das eine Foto an einen Ort pilgern, zerstören die Landschaft, hinterlassen Müll und ziehen mit ihren Social-Media Postings noch mehr Menschen an. Ganz zu schweigen vom Rattenschwanz der Klimagase, prekären Arbeitsbedingungen in der weltweiten Tourismusbranche und der Tatsache, dass eben nicht alle Menschen die finanziellen Mittel haben um (weit) zu reisen.
Urlaub Anno Corona
Aber muss es denn überhaupt immer die weite (Flugzeug-)Reise sein? In 2019 waren die Hauptbeschäftigungen der Reisenden in Deutschland laut dem Tourismusverband „kulturelle/historische Sehenswürdigkeiten besuchen“ und „in der Natur sein“. Gerade in der Corona-Zeit bleibt uns ja oft gar nichts anderes übrig, als den Urlaub anders zu verbringen, als geplant. Vielleicht nutzen wir diese Zeit einfach mal, um unser Verhältnis zu Erholung zu überdenken, im Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten anders zu „reisen“ – und auch unserer Natur die notwendige Erholung zu gönnen. Ich reise lieber CO2-frei und habe auch noch Spaß dabei.
11 Tipps für den etwas anderen Urlaub:
Für den Ich-muss-auch-im-Urlaub-aktiv-sein-Reisenden:
- Fahr Rad!-Tour: Ob die Elbe entlang, der Ostsee entgegen oder gleich über die Alpen. Fahrradfahren ist gesund und erhöht die eigene Reichweite. Beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) kann man Routen auch für Einsteiger*innen planen, sich einer geführten Rad-Wanderung anschließen und Hotels finden, die auch eine sichere Aufbewahrung des eigenen Drahtesels gewährleisten. Weitere Tipps findet man auf Fahrradreisen.de.
- Abenteuer-Land: Rund um unsere Städte gibt es wunderschöne Landschaften, durch die wir viel zu oft mit dem Auto oder Zug einfach nur hindurch rasen. Zu Fuß hat man die Zeit, die Landschaft zu genießen und da Pause zu machen, wo es grade am schönsten ist. Viele Regionen verfügen über gut ausgeschilderte Wanderrouten, die man bei den lokalen Touristeninformationen erfragen kann. Und so manche bietet historische oder kulturelle Sehenswürdigkeiten, die es zu entdecken gilt.
- Paddel-los: Viele Flüsse und Seen kann man auch vom Wasser her erkunden. So gibt es mittlerweile an vielen Orten die Möglichkeit, Kanus auch für mehrtägige Touren zu leihen oder sich geführten Kanu-Touren anzuschließen. Die NGO GreenKayak verleiht sogar stundenweise kostenlos Kajaks, unter der Bedingung, dass man beim Paddeln Müll einsammelt. Wichtig ist nur, dass man mit dem Boot nur an gekennzeichneten Stellen ans Ufer fährt, etwa um im Schilf brütende Vögel nicht zu stören.
- Aktiv-Urlaub: Viele Naturschutzflächen müssen regelmäßig mit viel körperlichem Einsatz bearbeitet werden, etwa um gebietsfremde Vegetation zu entfernen. Diese „Arbeitseinsätze“ finden zunehmend wieder statt und helfende Hände sind willkommen. Wer in der Woche die Zeit online verbringt, findet hier einen Ausgleich. Auch viele andere Organisationen sind auf ehrenamtliche Unterstützung angewiesen. Und nichts ist so erholsam, wie anderen zu helfen.
- Stadt-Wanderung: Ob mit Übernachtung am Stadtrand oder als Tagestour – auch in unserer Umgebung gibt es wunderschöne Städte und Gemeinden, mit vielen kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten. Viele örtliche Tourismusinitiativen bieten zurzeit besondere Angebote für die Bewohner*innen, um die eigene Stadt zu erkunden.
- Fahrtziel Natur: Mit Bus und Bahn in die schönsten Naturschutzgebiete, Naturparks oder Biosphärenreservate. Auf fahrtziel-natur.de stellen sich die Gebiete vor – und zeigen, wie man auch vor Ort nachhaltig mobil bleiben kann. Ausprobieren unbedingt empfohlen.
- NaTOUR: Wem das selbst erkunden noch nicht ausreicht, der findet in den bundesweit über 60 Naturschutzzentren des NABU viel zu entdecken: Beispielsweise bei einer Schatzsuche mit den europäischen Sumpfschildkröten in Brandenburg, bei den Fernweh-weckenden Flugmanövern der Seevögel an der Ostsee oder echte Wildnis im Saarland.
- WWOOF-ing: Wenn es doch mal länger woanders hin gehen soll, kann man bei ökologischen Farmen seine Arbeitskraft anbieten und erhält dafür Kost und freie Logis. Das funktioniert sonst sogar weltweit – aber eben auch in Deutschland.
Für den Ich-genieße-lieber-Strand-und-Kultur-Urlauber:
- Balkonien – ob auf der Terrasse, im Stadtpark und Freibad oder am örtlichen Baggersee: Ein Picknick mit Freunden und Familie, zelten im Garten, ein paar Bahnen schwimmen oder ein gutes Buch bringen manchmal viel mehr Entspannung, als eine weite und stressige Reise. Für den kulturellen und historischen Input, kann man einen Online-Besuch in weltweit bekannten Museen einplanen, oder einen guten historischen Roman verschlingen.
- Heimischer Touri: Auch Campingplätze oder Jugendherbergen (oder Hotels) in der eigenen Umgebung bieten ein spannendes Programm für Groß und Klein: ob die Übernachtung im Tiny House, Baumhaus, Winzerfass oder Ausflüge in den Kletterwald. Da muss man gar nicht zwingend weit fahren und ist doch in einer anderen Welt.
- Koch-Kultur: Wer andere Kulturen kennenlernen möchte, kann sich z.B. bei Über den Tellerrand zu online-Kochkursen mit Menschen mit Fluchthintergrund treffen. Große Online-Plattformen bieten statt Zimmern derzeit auch Online-Erfahrungen, vom Zeichenkurs über den Kochkurs. So kann man in andere Wohnungen schnuppern, ohne Reise-CO2 zu sammeln, und lernt trotzdem neue Menschen und andere Kulturen kennen.
„Die besten Entdeckungsreisen macht man, indem man die Welt mit anderen Augen betrachtet.“ (Marcel Proust) – also beginnen wir doch einmal vor unserer Haustür und freuen uns über die Abenteuer, die uns dort erwarten. Das ist auf jeden Fall besser fürs Klima – und vielleicht lernen wir dadurch auch die heimische Natur noch mehr wertzuschätzen.
Für mehr nachhaltige Alltagstipps schau auf www.NABU.de/Action vorbei und melde dich für unseren Newsletter „Nachhaltig leben“ an.
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3 Kommentare
DohDohleSchnackfass
15.06.2020, 16:07Super Idee!
Gerhard Süß
15.06.2020, 09:26Schön wärs. Aber die innerdeutsche Freizügigkeit sieht leider anders aus. Man glaubt es nicht, aber ein Spaziergang oder eine Radtour ins Land Mecklenburg-Vorpommern ist für Tages Besucher nach wie vor verboten und wird hoch bestraft, selbst wenn man dort nur in der Natur unterwegs ist.
Ronja Krebs
15.06.2020, 18:29Lieber Herr Süß, danke für den Hinweis. Es stimmt natürlich, dass es regional noch unterschiedliche Regeln und Möglichkeiten gibt. Aber einige unserer Tipps lassen sich ja zum Glück auch im nahen Umfeld oder zu Hause umsetzen. Freundliche Grüße Ronja Krebs