Ende im Gelände…
Überall dort, wo Menschen Kohle fördern, wird Natur und Landschaft zerstört. Im Namen einer sicheren Energieversorgung fräsen sich Schaufelradbagger durch die deutschen Braunkohlereviere bei Köln, Cottbus, Leipzig und Helmstedt. Wälder werden abgebaggert, Erdschichten umgelagert, Feuchtgebiete trockengelegt und ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Zerklüftete Landschaften sind die Folge sowie eine atemberaubende Luftverschmutzung. Bisher wurde all dies in Kauf genommen, damit Deutschland führend bei der Braunkohle-Produktion ist. Denn in den Revieren der Braunkohletagebaue und –Kraftwerke sichert diese Industrie Arbeitsplätze, lokale Wertschöpfung und Wohlstand – doch die Stromerzeugung mittels Kohle ist nicht länger tragbar.
Die Zeiten stehen auf Energiewende – für die Braunkohle gibt es schon lange keine Zukunft mehr und das zu Recht. Es ist nicht die böse Energiewende, die schuld ist am Ende des Kohlezeitalters. Während politisch langsam aber sicher der Rückzug aus den fossilen Brennstoffen und ein „Kohlekonsens“ angepeilt werden, setzen sich neue Technologien durch, die zu einer sauberen und flexiblen Energieinfrastruktur führen.
Je länger wir mit dem Strukturwandel warten, desto schmerzhafter wird er für die Betroffenen
Die etwa 20.700 direkten Braunkohlearbeitsplätze in Deutschland werden wegfallen. Nur mit einer vorausschauenden Planung sind im Rheinischen Revier, in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier Strukturbrüche noch zu verhindern. Der wirtschaftliche Niedergang einiger Regionen kann vermutlich abgefedert, aber nicht aufgehalten werden. Bestehende Unternehmen hängen mehr oder weniger von der Kohleindustrie ab, neue Industriezweige lassen sich nicht im Eiltempo aus dem Boden stampfen und neue wissens- und dienstleistungsorientierte Arbeitgeber brauchen ein attraktives Umfeld, um sich neue Standorte zu erschließen.
Der bereits laufende Strukturwandel erfolgt nicht freiwillig und ist für die Betroffenen eine Belastung. Bisher liegt trotzdem noch kein überzeugender, politisch anerkannter Plan vor um neue Zukunftsperspektiven für die Menschen in den Braunkohlerevieren zu entwickeln. Auch Klimaschützer wollen nicht, dass durch den Kohleausstieg soziale und kulturelle Brachen zurückbleiben (auch wenn Brachen aus ökologischer Sicht immer wieder reizvoll sind). Realistisch betrachtet wird es Verlierer geben – denn einem ausgedienten Industriezweig ist bisher noch nie ein gelungenen Abgang geglückt.
Perspektiven für die Braunkohle-Regionen sind dringend gefragt
Hier sind Politik und Gewerkschaften dringend gefordert, Pläne zu entwickeln, wie der Kohleausstieg zu gestalten ist. Verheerend wäre das Abwarten, bis der Ausstieg die betroffenen Menschen unvorbereitet trifft. Hier sind struktur- und sozialpolitische Maßnahmen der Bundesregierung gefragt. Bisherige Vorschläge laufen in der Regel auf höhere Fördergelder für die Braunkohlereviere hinaus. Nur wenn die Menschen beispielsweise durch Weiterbildung unabhängiger werden von wirtschaftlichen Monostrukturen, Investitionen in neue Infrastrukturen stattfinden und Naherholungsräume gestaltet werden, können Schreckensszenarien wie verfallende Infrastruktur, Abwanderung und Arbeitsplatzverluste abgefedert werden.
Neben der Beratung und finanziellen Unterstützung der Beschäftigten, der gezielten Förderung regionaler Stärken und wirtschaftlicher Neuausrichtung müssen frühzeitig gute Partizipations- und Dialogverfahren etabliert werden, bei denen ergebnisoffen über mögliche Entwicklungsszenarien diskutiert wird. Ob hierbei Konferenzen, Kommissionen, Runde Tische, öffentliche Konsultationen oder Bürgerdialoge das Mittel der Wahl sind um politische Entscheidungen vorzubereiten und konstruktiv-kritisch zu begleiten, muss sich zeigen.
Details eines sozialverträglichen Kohleausstiegs müssen zeitnah ausgehandelt werden
Wichtig ist die Beteiligung lokaler Akteure bei der Erarbeitung regionaler Entwicklungsszenarien, um eine legitime Basis für eine langfristige Planung zu schaffen. Vertreter von Bund, Land, Kommunen, aus der Wirtschaft, von den Gewerkschaften sowie Verbänden müssen in die Lage versetzt werden, alternative Ausstiegs-Pläne für die Braunkohlereviere auf den Prüfstand zu stellen. Theoretisch kann an die Regionalförderungsprogramme in den Steinkohlerevieren des Ruhrgebiets sowie den „Aufbau Ost“ angedockt werden.
Das Versprechen blühender Landschaften ist damit nicht gemeint. Notwendig ist ein Masterplan für die Ausrichtung von Arbeits- und Kulturpolitik, Energie- und Umweltpolitik, von Städtebau sowie Raum- und Stadtplanung, um die mittel- und langfristige Entwicklung der Regionen mit Planungs- und Investitionssicherheit zu stabilisieren. Wenn die Bevölkerungsentwicklung stabilisiert werden kann und attraktive Arbeitgeber Fuß fassen, ist schon viel gewonnen.
Weitere Infos:
- Klimaschutzplan 2050: Forderungen der Verbände u.a. zum Kohleausstieg bis 2035 und eine sozial verträgliche Unterstützung der Kohleregionen
- Klimawandel aufhalten und die Natur schützen – ein Spagat?
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