Hilft der neue europäische Emissionshandel wirklich dem Klimaschutz?

Hilft der neue europäische Emissionshandel wirklich dem Klimaschutz?

Beim Klimaschutz läuft uns die Zeit davon! Erst kürzlich hat der Weltklimarat wieder eindrücklich belegt, dass die nächsten zehn Jahre entscheidend sind, wenn wir noch irgendwie das Ruder herumreißen und die Klimakrise aufhalten wollen. Um in der EU bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent zu erreichen, schlägt die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket vor. Unter anderem beinhaltet dieses ab 2026 die Einführung eines zweiten Emissionshandelssystems für die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr. Ähnlich wie bei dem ab 2021 in Deutschland geltenden System stellt sich hier aber die Frage, ob es sich nicht eher um einen zahnlosen Tiger handelt, oder ob unsere Kriterien für ein wirksames Klimaschutzinstrument erfüllt werden.

Auf EU-Ebene gibt es bereits seit 2005 einen Emissionshandel, bei dem Betreiber*innen von Industrieanlagen und Kraftwerken für jede Tonne CO2, die aus ihren Schornsteinen entweicht, Zertifikate erwerben müssen. Im neuen Emissionshandel sollen hingegen Unternehmen zur Kasse gebeten werden, die Kraftstoffe und Heizöl verkaufen. Was die Verhandlungen mit dem Parlament und Rat zum neuen Emissionshandel konkret ergeben werden, bleibt abzuwarten. Zeit also, Bilanz zu ziehen, was der Entwurf eines neuen Emissionshandels für die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr an Herausforderungen für den Klimaschutz mit sich bringt.

Der richtige Mix für effektiven Klimaschutz

Positiv ist, dass der neue Emissionshandel eine Mengenbegrenzung  hat, denn nur so können Preise entstehen, die die tatsächlichen Umweltkosten widerspiegeln. Bis 2030 sollen die Emissionen um 43 Prozent reduziert werden, dies ist erfreulich, auch wenn aus NABU-Sicht eine Reduktion um 50 Prozent notwendig gewesen wäre. Der Emissionshandel soll außerdem erst 2026 in Kraft treten, daher bleibt es fraglich, ob damit das EU-Ziel bis 2030 erreicht werden kann.

Um bis 2026 keine wertvollen Jahre für den Klimaschutz zu verlieren, kann der neue Emissionshandel für die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr kein klimapolitisches Leitinstrument werden. Er muss in einen wirksamen Instrumentenmix mit ordnungspolitischen Vorgaben eingebettet werden.

Im Verkehrssektor zählen dazu vor allem:

  • CO2-Flottengrenzwerte
  • ein Tempolimit
  • die Abschaffung des Diesel-Privilegs
  • eine Reform der Dienstwagen- und Kfz-Steuer
  • eine ambitionierte Umsetzung der CO2-basierten Lkw-Maut
  • ein Baustopp für Autobahnen

Im Gebäudesektor braucht es vor allem:

  • wirksame Effizienz- und Neubaustandards
  • Förderprogramme für klimafreundliche Sanierungen
  • Umstellung auf erneuerbare Energieträger, wie z. B. Wärmepumpen.

Vom Ziel her denken

Kritisch sieht der NABU, dass der neue Emissionshandel zunächst nur für die vier Jahre zwischen 2026 und 2030 konzipiert wurde. Um das Klimaziel aus dem Pariser Abkommen sicher erreichen zu können, müsste die Mengenbegrenzung der Emissionen eigentlich bis 2050 bzw. 2045 festgelegt werden und gegen null gehen. In der derzeitigen Ausgestaltung besteht die Gefahr der Zielverfehlung bzw. die Notwendigkeit einer Nachschärfung. Es droht, dass in der EU überproportional große Belastungen durch starke Reduktion ab 2030 in die Zukunft verlegt werden – ähnlich wie in Deutschland, was das Bundesverfassungsgericht bereits bemängelt hat.

Ebenfalls problematisch ist, dass der neue Emissionshandel keinen Mindestpreis enthält. Dadurch könnten sich sehr niedrige Preise einpendeln, sodass das Instrument aufgrund des geringen Preises weder die tatsächlichen Umweltkosten widerspiegelt noch das Erreichen des Klimaziels sicherstellen kann.

Rückverteilung an Mensch und Natur

Ein weiterer Schwachpunkt ist die Frage der Verwendung der Einnahmen. Der Preisaufschlag für die Zertifikate wird im neuen Emissionshandel an alle Verbraucher*innen der EU weitergegeben, so dass es gerade in Mitgliedstaaten mit geringen Einkommen zu sozialen Härten durch höhere Preise kommen könnte. Es ist fraglich, ob ein Anteil von 25 Prozent der Einnahmen des Handelssystems, die in einen neu geschaffenen Klimasozialfonds fließen sollen sowohl innereuropäische wirtschaftliche Unterschiede abfedern als auch Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen im notwendigen Ausmaß anreizen kann.

Notwendig wären eine Rückverteilung an die Haushalte, Investitionen in klimafreundliche Infrastruktur sowie eine verbindliche Vorgabe der EU an die Mitgliedstaaten, einen Anteil der Einnahmen für Naturschutzzwecke einzusetzen. Außerdem sollte vermieden werden, dass die Kosten vollständig auf die Verbraucher*innen abgewälzt werden können, da z. B. die Mieter*innen kaum Einfluss auf den Sanierungszustand ihres Gebäudes haben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die weiteren Verhandlungen kritisch begleitet werden sollten, zumal auch zwischen den Mitgliedsstaaten und Umweltverbänden durchaus kontroverse Positionen zu diesem neuen Instrument bestehen. Die Einführung eines zweiten Emissionshandels für die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr ist aus unserer Sicht nur dann zu unterstützen, wenn er unsere Kriterien zur Sicherstellung des Pariser Klimaziels erfüllt. Bis dahin bleiben wir dran.

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Lisa Storcks
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