Mikroplastik: Von der Waschmaschine ins Meer

Mikroplastik: Von der Waschmaschine ins Meer

130 Fasern pro Betttuch, 150 Fasern pro Hemd und 260 bis 1.900 Fasern bei einer Fleecejacke: So viele synthetische Chemiefasern gelangen pro Waschgang aus unserer Kleidung über die Waschmaschine in unser Abwasser. Dies zeigen wissenschaftliche Untersuchungen. Weil weder Waschmaschinen noch herkömmliche Kläranlagen die synthetischen Mikrofasern vollständig filtern können, gelangen sie über das Abwasser in unsere Flüsse, Seen und Meere. Damit wird Mikroplastik aus Kleidung Teil des Wasserkreislaufs und dringt so auch in die komplexen aquatischen Nahrungsnetze von Tieren, Pflanzen und Menschen vor.

Neben den Textilfasern gelangt Mikroplastik auch beispielsweise als Reifen- und Schuhabrieb sowie als Inhaltstoffe in Reinigungsmitteln und Kosmetika in die Gewässer. Über Letzteres wird in der Öffentlichkeit schon öfter berichtet (BUND-Einkaufsratgeber), der Eintrag durch unsere Ankleide- und Waschgewohnheiten ist noch weniger bekannt.

Immer mehr synthetische Chemiefasern statt Naturfasern

Zu den synthetischen Chemiefasern gehören zum Beispiel Polyester, Polyethylen und Elastan. Laut Industrievereinigung Chemiefaser lag der Marktanteil synthetischer Chemiefasern an der weltweiten Faser-Produktion im Jahr 2015 bei 74 Prozent, Baumwolle folgt mit 25 Prozent. Inzwischen erkennt man beim Kleidungskauf kaum noch, welche Materialien verarbeitet sind, Chemiefasern „imitieren“ beispielsweise Baumwolle und Wolle. Erst ein Blick auf das Etikett gibt Auskunft. Kunststofffasern in Kleidung sind ein Grund dafür, dass die Gesamtproduktion an Chemiefasern weltweit von zwei Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf knapp 50 Millionen Tonnen im Jahr 2010 anstieg.

Irgendwie absurd: Große Sport- und Jeansfirmen produzieren werbewirksam Fußballtrikots, Jeans oder andere Kleidungsstücke aus Meeresmüll. Und genaue diese Kleidungsstücke verlieren beim Waschen wieder Kunststoff-Mikrofasern. Die gelangen über die Abwässer und Flüsse wieder zurück ins Meer. Aus dem Meeresmüll sollte man daher lieber langfristige Produkte herstellen, die nicht gewaschen werden müssen.

Lösungen gegen Mikroplastik-Fasern dringend gesucht

Langfristige Lösungen gegen das Problem, dass die Mikrofasern aus Kunststoff in unsere Gewässer gelangen, setzen bei Waschmaschinen, Waschmitteln und bei den Kläranlagen an. Aber auch die Verarbeitung der Kunstfasern in den Stoffen soll beeinflussen, wie viele Fasern pro Waschgang ausgewaschen werden.

Müll im Meer

Plastik und Mikroplastik gefähren das Ökosystem Meer und seine Bewohner – Foto: John Everett / OceansArt / Marine Photobank

Wissenschaft und Wirtschaft müssen schnellstmöglich Lösungen entwickeln, denn es gibt bisher keine verlässliche und umweltschonende Methode, Mikroplastik aus Flüssen, Seen und Meeren wieder zu entfernen. Oft diskutierte Versuche mit Filtern oder Sieben müssen scheitern, da mit dem Mikroplastik auch Phyto- und Zooplankton entfernt würde, das heißt dem Nahrungsnetz würde die trophische Grundlage entzogen.

Wir müssen dringend vorsorgend handeln. Das beginnt bei der Auswahl der Fasermaterialien und -verarbeitung und endet bei einem Verbringungsverbot von Klärschlämmen auf Agrarflächen. Mittelfristig brauchen wir aber auch technische Lösungen in der Waschmaschine, um das Problem der Mikrofasern in der Umwelt zu lösen. Darüber hinaus muss vermeidbares Mikroplastik in Kosmetikprodukten ersetzt und verboten werden, freiwillige Vereinbarungen des Handels erweisen sich bisher als nicht effektiv genug.

Vielversprechende Lösung

Waschbeutel zum Auffangen von Mikroplastik

Der Waschbeutel von Guppy Friend filtert das Mikroplastik aus der Waschmaschine – Foto: NABU/Katharina Istel

Ein spannender Ansatz für eine Zwischenlösung ist der Guppy Friend, ein Waschbeutel, der das Mikroplastik in der Waschmaschine zurück hält. Nach einigen Wäschen kann man die aufgehaltenen Fasern aus dem Beutel entfernen und über den Restmüll entsorgen. Die Erfinder des Guppy Friend haben für ihre Idee den Gold Award auf Europas größter Outdoormesse gewonnen.

Gerade bei Outdoor-Kleidung werden neben sehr giftigen Chemikalien wie Imprägniermittel (Greenpeace-Report 2016) auch standardmäßig Kunststoffasern eingesetzt. Dementsprechend groß ist das Interesse in der Branche. Die Erfinder planen den Vertrieb des Guppy Friend  über einen eigenen Verein, über eine Crowdfunding-Kampagne kann man sich schon jetzt einen Beutel sichern. Mit der Aktion wollen die Waschbeutel-Entwickler auf die Problematik allgemein aufmerksam machen – im Wissen, dass ein Beutel nur eine Zwischenlösung für engagierte Konsumenten ist.

Jeder kann etwas gegen Mikrofasern in Gewässern tun

Unabhängig von großen und kleinen technischen Lösungen können wir alle dazu beitragen, den Eintrag von Mikrofasern aus Kunststoff zu reduzieren:

  • Vermeiden Sie Kunstfasern in Kleidung und anderen Textilien. Achten Sie auf Naturfasern wie (Bio-)Baumwolle und Wolle.
  • Waschen Sie die Kleidung nur, wenn es wirklich nötig ist.
  • Beladen Sie die Waschmaschine voll und wählen sie niedrige Temperaturen und kurze Waschzeiten.
  • Qualität statt Quantität: Kaufen Sie weniger und dafür hochwertige Kleidungsstücke, die lange halten.

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Animationsfilm

 

Titelbild: Rund drei Viertel aller weltweit produzierten Fasern bestehen aus Kunststoff. Und bei jedem Waschgang können diese in unsere Gewässer gelangen – Foto: NABU/Sandra Kühnapfel

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Katharina Istel
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7 Kommentare

Jorina

12.03.2017, 07:56

Könnten Sie die wissenschaftlichen Untersuchungen noch verlinken? Vielen Dank

Der NABU

14.03.2017, 09:35

Liebe Jorina, vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Untersuchungen, auf die wir uns beziehen, können Sie hier nachlesen: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/quellen-fuer-mikroplastik-relevanz-fuer-den (ab Seite 25)

Margrit Klingsiek

12.03.2017, 07:10

Aus welchem Material soll denn dieser Beutel sein? Und wie kann ein solcher Beutel Teile zurückhalten, die man mit bloßem Auge schon nicht mehr sehen kann? Bin etwas skeptisch. Da halte ich es eher mit dem Versuch, möglichst natürliche Stoffe zu benutzen. Das allerdings ist schon nicht so einfach.

Der NABU

14.03.2017, 09:34

Hallo Margit, das Material ist ein (auch synthetisches) Spezialmaterial, an dem die Erfinder lange gearbeitet haben. Die Herausforderung war gerade, ein Netz zu bauen, dass die Mikrofasern aufhält und gleichzeitig nicht selbst Fasern abgibt (da gibt es durchaus Unterschiede bei den synthetischen Materialien). Da steckt ja einiges an Entwicklungsarbeit hinter, die genaue "Rezeptur" ist nicht öffentlich. Die Fasern sieht man schon, ein Beispiel im Mittagsmagazin ab Minute 29 http://www.ardmediathek.de/tv/Mittagsmagazin/Die-Sendung-vom-8-M%C3%A4rz-2017/Das-Erste/Video?bcastId=314636&documentId=41239066 Bei technischem Interesse aber bitte aber an Guppyfriend direkt wenden. Grundlegend ist es aber sehr begrüßenswert, zu versucchen, möglichst auf die chemischen Fasern zu verzichten.

Jutta Reil

03.01.2017, 08:13

Der GuppyFriends Waschbeutel hat mich begeistert. Aber wo kann ich ihn kaufen? Selbst auf den Internetseiten der "Erfinder" kann man nichts finden, wie man an ihn drankommt! Würde gleich mehrere kaufen und verschenken! Jutta

Nora. Waschmaschinen Ersatzteile Experte

25.11.2016, 16:30

Der Waschbeutel von Guppy Friend ist wirklich sehr interessante Erfindung. Bravo.

Berger-Kobayashi Heide

20.11.2016, 09:27

Der Waschbeutel klingt interessant. Wir verwenden solche Waschbeutel schon lange um empfindliche Wäsche (z.B. Wolle) schonender zu waschen oder um zu verhindern, dass sich große oderlange Wäschestücke in der Waschmaschine um andere Wäsche wickeln. Ich trage auch lieber Baumwolle als Synthetik, aber leider habe ich gehört, dass es sehr schwierig ist, Baumwolle aus sicherem Anbau und gerechter Verarbeitung zu finden. Die meiste Baumwolle wird in Monokulturen in Ländern angebaut, die unter Wassermangel leiden - und Baumwolle braucht viel Wasser! Bei der Verarbeitung und Vermarktung passiert auch viel was umweltschädigend und ausbeuterisch ist. Also habe ich schon Empfehlungen gehört, dass man besser auf Baumwolle verzichten soll und Synthetik anziehen soll, "die ja inzwischen technisch so fortgeschritten ist, dass man den gleichen Tragekomport hat". Und strenge Veganer empfehlen den Verzicht auf Wolle... es ist alles sehr einleuchtend, aber auch sehr verwirrend!

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