Holzpellets: sauberes Image, zerstörerische Realität
Die EU subventioniert die Verbrennung von Holzbiomasse als „erneuerbar“. Dabei verschwinden schon jetzt ganze Waldstücke in den Häckslern der Pelletindustrie. Den Preis für diese verfehlte Energiepolitik zahlen Menschen und Wälder. Biodiversität und Klima leiden. Der NABU fordert ein Umdenken.
Mit ungefähr 17 Milliarden Euro subventionieren die EU-Mitgliedsstaaten jährlich die Verbrennung von Biomasse. Knapp 20 Prozent des europäischen Energieverbrauchs werden mittlerweile von erneuerbaren Energien gedeckt. Davon basieren fast 40 Prozent auf Holz. Doch wie erneuerbar und nachhaltig ist die so produzierte Energie wirklich? Die Pelletunternehmen behaupten immer wieder, es würden nur Reste verbrannt, welche sonst verrotten würden oder entsorgt werden müssten. Aber es häufen sich die Beweise, dass das oft schlichtweg gelogen ist.
Enviva ist verantwortlich für Kahlschläge in nordamerikanischen Wäldern
Der weltgrößte Pelletkonzern Enviva betreibt zehn Pelletfabriken, vor allem an der US-amerikanischen Südostküste. Die dort wachsenden Wälder gehören zu einem international anerkannten Biodiversitäts-Hotspot mit 1800 Pflanzenarten, die weltweit nur dort vorkommen. Enviva behauptet hartnäckig, nur Reste oder Abfälle aus der Forstwirtschaft zu nutzen. Oder Wälder, die angeblich durch Hurricanes geschädigt sind. Doch die Wahrheit sieht anders aus. Umweltschützer konnten wiederholt belegen: Enviva schreddert regelmäßig und im großen Maßstab ganze, gesunde Bäume und presst sie zu Pellets. Eine Aktivistin aus den USA berichtet gegenüber dem Bayrischen Rundfunk:
„Wenn ich in diesen Wäldern Orte besuche, wo Holz für Pellets geerntet wurde, habe ich oft das Gefühl, dort hätte eine Bombe eingeschlagen. Ich sehe fast kein Leben mehr dort, nur Zerstörung.“
Beispiel für Pellets aus Kahlschlägen sogar aus geschützten Gebieten gibt es auch aus Europa, zum Beispiel in Estland oder in Rumänien.
Pellets nur aus „Holzresten“?
Ein früher bei Enviva beschäftigter Whistleblower berichtet:
„Das Unternehmen sagt, dass wir hauptsächlich Abfälle wie Äste, Baumkronen und Totholz zur Herstellung von Pellets verwenden. Das ist ein Witz. Wir verwenden zu 100 % ganze Bäume für unsere Pellets. Wir verwenden fast keine Abfälle. Die Dichte der Pellets ist entscheidend. Die bekommt man von ganzen Bäumen, nicht von Abfällen.“
Was „Reste“ sind, ist ohnehin eine Definitionsfrage: Auch ein krummer Baum, der sich nicht zum Sägen eignet, kann als Rest bezeichnet werden. Doch solche Reste sollten nicht einfach verbrannt werden: Im Wald haben Rinde, Äste sowie Totholz wichtige ökologische Funktionen. Sie sind Nährstoff- sowie Wasserspeicher und bieten unzähligen Tieren und Pilzen einen Lebensraum.
Futter für Kraftwerke in Europa
Angereizt durch die Subventionen für die „erneuerbare Energie“ aus Biomasse hat sich die Anzahl der Kraftwerke in Europa, die Holz verbrennen, stark erhöht. Mehrere große Kohlekraftwerke in Europa wurden bereits auf Holzverbrennung umgerüstet oder verbrennen Holz zusammen mit Kohle (sogenanntes Co-Firing).
Das weltweit größte auf Holz umgerüstete Kohlekraftwerk (2,6 Gigawatt) betreibt das Unternehmen Drax in England. Auch dieses Unternehmen hat mittlerweile Pelletfabriken in den USA und in Kanada erworben. Eine BBC-Reportage wies auch Drax Kahlschläge in kanadischen Primärwäldern nach. Außerdem wird Drax in den USA „Umwelt-Rassismus“ vorgeworfen, da dessen Pelletfabriken die Luft von armen Gemeinden mit mehrheitlich Schwarzen Einwohner*innen verschmutzen. Für diese Praxis kassiert Drax 2,4 Millionen Pfund pro Tag an Subventionen vom britischen Staat – Gelder, die in der Förderung tatsächlich nachhaltiger Projekte fehlen.
Pellets aus Waldrodung künftig auch in Deutschland
Bisher werden noch nicht viele Pellets nach Deutschland importiert. Die hier genutzten Pellets bestehen laut Angaben der Pelletbranche noch zu einem Großteil aus Sägespänen, also Resten der Holzindustrie. Doch der Wandel hat schon begonnen: Seit 2022 beliefert Enviva auch Kunden in Deutschland. Das Kohlekraftwerk in Wilhelmshaven, das dem gleichen Eigentümer wie Enviva gehört, plant gerade die Umstellung auf Holzverbrennung. Es müsste dann bis zu 2,9 Millionen Tonnen Pellets pro Jahr importieren. Das entspräche fast der gesamten aktuellen deutschen Pelletproduktion.
Und das ist nur ein Beispiel für einen größeren Trend: Bis zu 30 Millionen Tonnen Holz pro Jahr bräuchte die deutsche Industrie zur Energiegewinnung, wenn sie ihre derzeitigen Pläne umsetzt. Das zeigt eine neue Studie des IFEU-Instituts im Auftrag des NABU.
Der NABU fordert: Umsteuern für Wälder und das Klima
Die wissenschaftliche Lage ist klar: Wir brauchen mehr Wälder als natürliche Verbündete im Klimaschutz. Holzverbrennung ist unterm Strich sogar schlechter für das Klima als Kohle und verdient keine Nachhaltigkeitsförderung. Hier kann die EU sofort ansetzen: Die aktuelle Praxis, Holzverbrennung von der CO₂-Bepreisung auszunehmen, muss beendet werden. So würde ein großer finanzieller Anreiz zur Energiegewinnung aus Holz sofort wegfallen.
Und die Energiegewinnung aus Primärholz – also Holz, das direkt aus dem Wald in die Verbrennung wandert – darf nicht länger als erneuerbare Energie angerechnet und gefördert werden. Dazu verhandeln die EU-Staaten aktuell. Doch die Lobby, die vom Raubbau am Wald profitiert, ist stark. Die waldreichen Mitgliedsstaaten wie Schweden und Finnland drohen, eine Verbesserung zu verhindern. Umso wichtiger ist es, dass die deutsche Regierung entschieden für den Erhalt unserer Wälder eintritt.
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16 Kommentare
Renate Winkelhofer
30.09.2023, 23:28Als Aktivistin bin ich über die Holzpellet-Industrie besorgt. Der Artikel bestätigt meine Ängste. Ganze Wälder werden für "erneuerbare" Energie geopfert. Holzverbrennung kann klimaschädlicher als Kohle sein. Ein Umdenken ist dringend nötig.
Gian
03.04.2023, 13:53Ihr Lieben! Was ist mit PEFC und EN Plus A1 zertifizierten Pellets? Ist das Heizen aussschliesslich mit solchen unbedenklich(er)? Am Ende ist ja jede Form von Energiegewinnung schädlich für das Klima. So ist zum Beispiel die Klimabilanz bei der Errichtung neuer Windkraftwerke nicht unumstritten. Ich würde mich auf eine Antwort freuen. Mit freundlichen Grüßen, Gian
Der NABU
05.06.2023, 15:00Hallo Gian, das ENPlus-Zertifikat, welches sich auf nahezu allen Pellets für den Privatbedarf findet (es bestätigt, dass die technische Norm eingehalten wird), ist lediglich ein Qualitätsstandard und keine Nachhaltigkeitszertifizierung. Es ist ein reines "Marketinginstrument", das gibt Herr Bentele vom Deutschen Pelletverband hier im Video auch unumwunden zu: https://www.tagesanzeiger.ch/so-werden-schweizer-konsumenten-beim-kauf-von-pellets-getaeuscht-699247610095 Auch angebliche Nachhaltigkeitssiegel wie PEFC können nicht garantieren, dass nur "nachhaltiges" Holz verarbeitet wird. Das PEFC-Siegel hat sehr lasche Kriterien, eine Einschätzung von Greenpeace hier auf S. 89 des PDF: https://www.greenpeace.org/static/planet4-international-stateless/2021/04/b1e486be-greenpeace-international-report-destruction-certified_finaloptimised.pdf Holz ist begrenzt verfügbar und setzt bei der Verbrennung CO2 frei, welches gebunden bleiben könnte und sollte - entweder im Baum oder bei Sägeresten in stofflichen Produkten. Daher sollte es zu Heizzwecken nur eingesetzt werden, wenn keine anderen Alternativen zur Verfügung stehen. Es gibt deutlich umweltfreundlichere Möglichkeiten zu Heizen als mit Holz, zum Beispiel eine Dach-PV-Anlage mit Wärmepumpe, Solarthermieanlagen oder Fernwärme aus mit Wind- oder Solarstrom betriebenen Großwärmepumpen, die Wärme aus Industrie, Abwasser oder Untergrund (Geothermie) nutzen. Die Klimabilanz bei der Errichtung neuer Windkraftwerke ist absolut unumstritten sehr positiv. Die "carbon payback period", also der Zeitraum bis mehr CO2 eingespart als bei der Herstellung ausgestoßen wurde, liegt laut wissenschaftlichen Studien bei unter einem Jahr: https://www.newscientist.com/lastword/mg24332461-400-what-is-the-carbon-payback-period-for-a-wind-turbine/ und https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/frsus.2022.1060130/full%C2%A0 Die "Kohlenstoffschuld" beim Verbrennen von Waldholz liegt dagegen bei Jahrzehnten - wenn der Wald sich in Zeiten der Klimakrise überhaupt wieder aufforsten lässt. Die Produktion von Pellets ist übrigens ziemlich energieintensiv und oft wird dabei fossiles Erdgas eingesetzt. Ich hoffe, die Antwort konnte Dir weiterhelfen! Herzliche Grüße Michaela Kruse
Noah
28.02.2023, 13:03Ich finde Pellets immer noch besser als Öl oder Gas. Diese haben nicht so viel Einfluss auf die Umwelt. Wir lassen uns immer Pellets liefern und lagern diese auch umweltbewusst. Hätten Sie aber trotzdem eine Alternative?
Felix
20.01.2023, 11:45Danke für diesen Fachartikel über Holzpellets. Macht weiter so und informiert die Menschen über Nachhaltigkeitsthemen. Ich wünsche https://blogs.nabu.de/ weiterhin viel Erfolg!
Der NABU
20.01.2023, 13:27Vielen Dank!
Albert Ludwig
19.01.2023, 17:56Wer bei uns mit Pellets heizt, kann sich bei den Pellet-Anbietern nachfragen. Bei uns werden in der Regel Pellets aus Sägerestholz aus Deutschland verkauft. Das ist eine sinnvolle Nutzung von unserem Holz. Am Besten ist es, wenn man keine Energie verbraucht. Aber Pellets sind immer noch besser als Öl, Gas, Kohlestrom und Atomstrom. Ja, es stimmt: Es gibt die Kahlschläge in Amerika für Kraftwerke in Großbritannien. Dieser Strom und diese Wärme wird bei uns nicht angeboten.
Der NABU
20.01.2023, 13:29Lieber Herr Ludwig, wie auch im Blogartikel erwähnt, werden bisher noch kaum Pellets nach Deutschland importiert - aber das ändert sich gerade. Große Kraftwerke und Industrie wollen im industriellen Maßstab Holz verbrennen - erste Verträge mit Enviva wurden bereits abgeschlossen. Es stimmt und steht auch im Artikel, dass die heimische Pelletherstellung zu einem großen Teil Sägereste einsetzt - allerdings gibt es auch Pellethersteller, die Rundholz (= ganze Stämme) verarbeiten. Außerdem sind die Sägereste nur begrenzt verfügbar und sollten daher vorrangig stofflich genutzt werden. Der Nutzen fürs Klima ist nicht immer gegeben, wenn Holz verheizt wird, selbst wenn es Gas ersetzt: https://blog.oeko.de/wer-mit-waldholz-heizt-verbrennt-einen-wertvollen-co2-speicher/ Mit besten Grüßen Michaela Kruse
Reinhard Laszig
11.01.2023, 20:00Waren es nicht die diversen Naturschutzvereine und die Grünen, die vor noch nicht zu langer Zeit die Holzverbrennung als besonders umweltschonend anpriesen? Warum ändert man so schnell seine Meinung, nachdem eine große Anzahl von Menschen gutmeinend auf Pelletheizung umgestiegen sind? Geht es nur um das -"dagegen"? Ist es nicht immer besser erst zu denken ,ehe man insbesondere junge Menschen mit unausgereiften Thesen begegnet? Oder will man schon wieder von Seiten der Grünen von ihren "dicken Problemen" ablenken. Denkt mal nach!!!
Der NABU
20.01.2023, 13:31Lieber Herr Laszig, Sie haben recht, dass wir in der Vergangenheit noch weniger kritisch gegenüber Pelletheizungen waren. Es zeigt sich jedoch nun, dass das Ausmaß der Holzverbrennung die nachhaltig verfügbaren Holzmengen bei Weitem zu übersteigen droht. Selbst nach Schätzungen des Deutschen Pelletverbandes reichen die deutschen Sägereste nur für etwas über eine Million Pelletöfen - und dann ist kein Material mehr für die stoffliche Nutzung übrig, zum Beispiel in Spanplatten, wo es einem sehr viel sinnvolleren Zweck dienen könnte. Angereizt durch staatliche Förderung gab es 2021 bereits 570.000 Pelletfeuerungen und im letzten Jahr wurden 133.000 Förderanträge für neue Holzheizungen eingereicht. Über 90% der deutschen Haushalte heizen noch mit Öl und Gas - selbst wenn nur ein Bruchteil auf Holzheizungen umstellen sollte, wird es nicht funktionieren. Damit ist klar: Heizen mit Holz darf nur dort zum Einsatz kommen, wo es keine Alternative durch Sanierung und/oder Wärmepumpe und Solarthermie gibt. Selbst das Wirtschaftsministerium stellte kürzlich fest: "Grundsätzlich ist festzuhalten, dass das nachhaltig verfügbare Potenzial von Biomasse begrenzt ist und dass das Verfeuern von Waldbiomasse das über lange Zeiträume gespeicherte Kohlendioxid (CO2) unmittelbar freisetzt. Damit wird der CO2-Ausstoß erhöht anstatt ihn zu senken. Zudem sind Biomasseheizungen häufig nicht die effizienteste Technologie zur Wärmeerzeugung. [...] Es ist notwendig, die Förderung des Einsatzes von Biomasse im Gebäudebereich künftig vor allem auf solche Bereiche zu fokussieren, in denen andere technische Lösungen nicht verfügbar oder wegen technischer Restriktionen nicht umsetzbar sind." Im Blogbeitrag geht es jedoch um noch einmal ganz andere Dimensionen, wenn erst große Kraftwerke auf Holzpellets umgerüstet werden. Dann würden Importe mit den oben geschilderten Folgen drohen - ein Desaster für Wälder und Klima. Mit besten Grüßen Michaela Kruse
Marten
11.01.2023, 09:10Hallo Michaela, danke für die Aufklärung zu den Pellets;( Grüße Marten
Der NABU
20.01.2023, 13:27Sehr gerne, danke für die positive Rückmeldung!
Volkmar Lehmann
10.01.2023, 18:59Hallo, völlig richtig. Aber was ist mit Pelletausstieg, Kohleausstieg, vermutlich auch Gasausstieg, gegenwärtig sowieso, und in der Zukunft bei bei Wind- und Sonnenflaute? Also Atomeinstieg? Oder sozialistische Umweltpolitik (wie in der DDR)? Fokussieren auf eine Problemenergie kann jeder. Gruß
Der NABU
20.01.2023, 13:25Lieber Herr Lehmann, das Fraunhofer Institut für angewandte Informationstechnik hat für den NABU untersucht, ob die sogenannten „Dunkelflauten“ auch ohne industrielle Holzverbrennung überbrückt werden können (und natürlich ohne Fossile oder Atom). Fazit: Das geht. So kann etwa der Ausbau von Energiespeichern und effizienten, nicht-fossilen Alternativen, wie Biogas-Blockheizkraftwerken (mit Biogas aus Reststoffen, nicht aus Intensivlandwirtschaft), die Stromerzeugung aus Biomethan sowie aus grünem Wasserstoff (Power-to-Hydrogen beziehungsweise Power-to-Gas) die Dunkelflaute überbrücken. Sie sind mit deutlich geringeren Emissionen und negativen ökologischen Auswirkungen verbunden. Damit allein ist es aber nicht getan. Es ist außerdem notwendig, den Strombedarf generell zu senken, um die zukünftige Stromversorgung mit einem hohen Anteil an Wind- und Sonnenenergie sicherzustellen. Mit besten Grüßen Michaela Kruse