EU-Kommission stellt klar: Behörden zuständig für Artenschutz an Windenergieanlagen

EU-Kommission stellt klar: Behörden zuständig für Artenschutz an Windenergieanlagen

CPLT(2023)01271 – klingt wie ein Geheimcode, ist aber das Aktenzeichen der NABU-Beschwerde von 2023 an die EU-Kommission zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). In der Beschwerde hatten wir gestützt durch ein Rechtsgutachten dargelegt, dass die vielfach mit „Osterpaket” bezeichnete Gesetzesänderung, die Sonderregelungen zur Genehmigung von Windenergieanlagen enthält, gegen die EU-Vogelschutzrichtlinie verstößt. Nun haben wir endlich Antwort erhalten.

Wir hatten diese Beschwerde angestoßen, weil wir nicht nur einen Bruch mit bewährtem EU-Recht, sondern dahinter ein Risiko für eine relevante Gefährdung geschützter Vogelarten sehen.  Nun, zwei Jahre später, hat uns endlich eine Antwort von der EU-Kommission erreicht: Das Verfahren wird eingestellt, da die Änderungen aus Sicht der EU-Kommission innerhalb des Ermessenspielraums für die Mitgliedstaaten liegen und somit kein Verstoß vorliegen würde. 

Die gesamte Antwort der EU-Kommission auf unsere Beschwerde können Sie hier lesen.

EU-Kommission betont Verantwortung der Behörden 

Im ersten Moment war die Enttäuschung groß – wieder einmal eine Niederlage für den Artenschutz. Doch die Antwort der EU-Kommission bietet auch eine Chance für den Artenschutz. Beim genaueren Hinschauen fällt auf: Auch wenn die Kommission Deutschland grundsätzlich das Recht einräumt, einschränkende Regelungen zu treffen, wie zum Beispiel die Liste kollisionsgefährdeter Arten und der Entfall von Maßnahmen durch die Zumutbarkeitsschwelle, betont sie gleichzeitig, dass Deutschland sicherstellen muss, dass die Vorgaben der Vogelschutzrichtlinie weiterhin eingehalten werden.

Ganz konkret bedeutet das beispielweise, dass zwar bundesgesetzlich eine Liste kollisionsgefährdeter Arten festgelegt werden kann, im konkreten Verfahren aber auch weitere Arten in Bezug auf Kollisionen berücksichtigt werden müssen, wenn entsprechend begründete Umstände im Einzelfall vorliegen, die hierfür Anhaltspunkte bieten.      

Es liegt somit in der Verantwortung der Behörden, sicherzustellen, dass die Vorgaben der Vogelschutzrichtlinie bei Bau und Betrieb von Windenergieanlagen weiterhin erfüllt werden, indem sie Einzelfälle bei der Prüfung zur Genehmigung angemessen berücksichtigen – auch wenn diese nicht explizit im Gesetz aufgeführt sind. Genau das sehen wir in der Praxis bisher aber nicht.

Eine rechtssichere Genehmigung ist eine der wichtigsten Leitsätze in Behörden. Daher entfernen sich diese meist nicht – wie fälschlicherweise von der Kommission angenommen – von geltendem Bundesrecht, wie dem BNatSchG, bei ihrer Prüfung, auch wenn dies fachlich geboten wäre. Es braucht daher dringend eine explizite Klarstellung durch die Bundesregierung an die Behörden, z. B. in Form eines Vollzugsleitfadens, wie eine EU-rechtskonforme Auslegung der BNatSchG-Änderungen zu gewährleisten ist.  

Initiative für den Schutz der Natur dringend nötig 

In unserem Antwortschreiben haben wir darauf hingewiesen, dass die EU-Kommission dazu einen Anstoß geben sollte, zum Beispiel durch entsprechende Hinweise in dem Treffen zu laufenden Vertragsverletzungsverfahren, oder durch einen eigenen kurzen Leitfaden an die deutsche Bundesregierung. Darüber hinaus haben wir die Kommission an ihre Pflicht erinnert, das Schutzregime für unsere Natur nicht noch weiterauszuhöhlen. Das gilt für die angekündigten “Omnibus-Verfahren”, die Diskussionen um das Nature Restauration Law und eine von gewissen Akteuren propagierte Öffnung der FFH-Richtlinie gleichermaßen. Auch braucht es jetzt mehr denn je eine starke Initiative der Kommission für Notfallmaßnahmen, gezielte Finanzierung für die Natur, Artenhilfsprogramme u. v. m., um den Verlust der Biodiversität aufzuhalten und das Blatt für den Naturschutz endlich zum Positiven zu wenden.

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Rebekka Blessenohl

Referentin für erneuerbare Energien und Naturschutz

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