Die drei größten Technologieoffenheit-Fails
Wer profitiert und wer muss am Ende zahlen?
Manche Parteien und Akteure werden nicht müde zu betonen, dass es keine „ideologischen Festlegungen“ auf eine Technologie geben sollte, und dass alle Technologieoptionen für die Wärme- und Stromerzeugung und im Verkehr gleichrangig behandelt werden sollten. Drei Beispiele zeigen, warum dies großer Unsinn ist und wer davon profitieren würde.
Fail Nummer 1: Wasserstoff in Heizungen
Es klingt gut: Einfach Erdgas raus aus den Leitungen, Biomethan oder Wasserstoff rein und schon heizen alle Gasthermenbesitzer*innen klimaneutral. Der Haken an der Sache: Neben zahlreichen technischen Schwierigkeiten und der höheren Explosionsgefahr (niemand will die Hindenburg im Heizungskeller!) wird der Wasserstoff in absehbarer Zeit nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Er wird knapp und sehr teuer bleiben. Das liegt daran, dass es extrem ineffizient ist, aus Strom grünen Wasserstoff zu machen und diesen dann zu verbrennen.
Besser wäre: Aus einer Kilowattstunde Strom kann eine Wärmepumpe drei bis vier Kilowattstunden Wärme machen. Was nach purer Magie klingt, ist möglich, weil Umgebungswärme nutzbar gemacht wird. Auf der anderen Seite gibt es bei der Erzeugung von Wasserstoff per Elektrolyse große Verluste und bei der Verbrennung in der Therme auch. Eine Kilowattstunde Strom wird zu etwa einer halben Kilowattstunde Wärme. Also ist die Wärmepumpe bis zu 8-mal so effizient wie die Wasserstoffheizung. Das heißt, wir bräuchten wir 8-mal so viele Windräder und PV-Anlagen, um mit grünem Wasserstoff zu heizen statt mit Wärmepumpen!
Und übrigens: Auch Biomethan ist keine Lösung für Gasheizungen. Um auch nur ein Viertel des deutschen Erdgasbedarfs mit Biogas aus Gülle zu decken, müssten wir zwanzig-mal so viele Schweine in Deutschland halten wie jetzt! (Auch „Bio“-Heizöl“ kommt nicht in Frage, siehe Fail Nr. 2)
Fazit: Die Verbraucher*innen zahlen doppelt- und dreifach drauf: wasserstofffähige Gastherme, teurer Wasserstoff und deutlich mehr Ausbau der Erneuerbaren Energien, sowie weitere Finanzierung und Umbau der Gasinfrastruktur. Eine absolut schlechte Idee! Daher setzt sich die Wärmepumpe auch ganz unideologisch betrachtet durch.
Fail Nummer 2: „Bio“-Sprit in Verbrennerautos
Die Europäische Einigung, ab 2035 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr neu zuzulassen („Verbrenner-Aus“), soll gekippt werden. Vor allem die Union argumentiert, die Autos können schließlich künftig mit E-Fuels oder biogenen Kraftstoffen fahren. Erstere werden aus Wasserstoff und CO2 hergestellt und für sie gilt dasselbe wie bei Heizungen – teuer und ineffizient. Zweitere werden aus pflanzlichen Stoffen produziert (entgegen dem Namen keineswegs nach biologischen Kriterien): Pflanzenöl für Dieselmotoren oder Ethanol aus Getreide für Benzinmotoren. Bereits jetzt wird für die Produktion von „Bio“-Sprit für die Fahrzeuge in Deutschland eine Fläche der Größe Mecklenburg-Vorpommerns mit Energiepflanzen bestellt, hierzulande und weltweit. Auch wenn Palmöl, das oft für die Zerstörung von Regenwald verantwortlich ist, nicht mehr direkt genutzt werden darf, durch Betrug und Umdeklarierung landet es weiterhin in unseren Tanks (als Altspeisefett oder Palmölproduktionsrückstände). Und obwohl die Schäden für Umwelt und Klima durch diese Energiepflanzen bereits massiv sind, decken die gewonnenen Kraftstoffe gerade mal 6% des deutschen Kraftstoffbedarfs im Straßenverkehr.
Fazit: Es ist also völlig klar: „Bio“-Kraftstoffe werden immer nur eine kleine Nischenanwendung bleiben können. Der Antrieb der Zukunft ist elektrisch. In vielen Ländern der Welt wurde dies bereits erkannt und die Marktanteile steigen kontinuierlich. Die deutschen Autohersteller haben oft zu lange aufs falsche Pferd gesetzt und nun droht ihnen dasselbe Schicksal wie den Kutschenherstellern vor 100 Jahren. Weitere Arbeitsplatzverluste in der deutschen Autoindustrie können nur verhindert werden, wenn jetzt konsequent auf das E-Auto gesetzt wird.
Fail Nummer 3: Stromerzeugung mit Holz
Das Kraftwerkssicherheitsgesetz, welches momentan erarbeitet wird, soll für den Kohleausstieg vorsorgen. Dazu soll eine Reihe großer Erdgas- und wasserstofffähige Gaskraftwerke gebaut werden, die flexibel einspringen können, wenn Wind und Sonne nicht genug Strom liefern. Vor allem das Unternehmen Onyx setzt sich dafür ein, dass auch hier ein „technologieoffener“ Ansatz gewählt wird. Sie wollen ihr Steinkohlekraftwerk in Wilhelmshaven nämlich auf importierte Holzpellets umrüsten. Praktisch, denn dem Eigentümer von Onyx gehört auch der weltgrößte Pelletkonzern Enviva. Dieser bezieht regelmäßig Holz aus artenreichen Sumpfwäldern der US-Südostküste für seine dortigen elf Pelletwerke. Allein das Kraftwerk in Wilhelmshaven bräuchte pro Jahr bis zu 2,9 Millionen Tonnen Pellets – so viel wie in ganz Deutschland produziert werden.
Fazit: Kohlekraftwerke mit Holz zu betreiben wäre eine Katastrophe für Wälder und Klima. Zudem sind sie extrem ineffizient – über die Hälfte der Energie im Holz würde verschwendet – und zu unflexibel im Betrieb. Zur Absicherung der Stromversorgung nach dem Kohleausstieg braucht es effiziente und flexible Kraftwerke, die mit grünem Wasserstoff oder dezentral mit Biogas betrieben werden. Und vor allem den zügigen Ausbau von Wind- und Solaranlagen, Speichern und Leitungen.
Wie die obigen Beispiele zeigen, sind die Forderungen nach Technologieoffenheit vor allem eine Forderung nach teuren, ineffizienten und nicht zukunftsfähigen Lösungen. Am Ende zahlen Verbraucher*innen drauf, wenn sie verunsichert von den Parolen, diese teureren Optionen wählen – oder vergeblich auf sie warten, während Kraftstoffe, Öl und Gas durch den ab 2027 stark ansteigenden CO2-Preis immer teurer werden. Und die Wirtschaft leidet unter der Verwirrung der Kund*innen. Autobauer Stellantis sowie die Heizungsbranche flehen die Politik an, jetzt endlich für Technologieklarheit zu sorgen. Wenn sich Deutschland als Exportnation weiter an überkommende Technologien klammert, während der Rest der Welt auf effiziente, günstige Lösungen setzt, werden weitere Arbeitsplätze und Wohlstand verloren gehen. Und nicht zuletzt leiden Klima und Umwelt, wenn der Ausstieg aus den Fossilen verzögert oder im nicht nachhaltigen Maße auf Biomasse gesetzt wird.
Gewinnen tun am Ende nur diejenigen, die erfolgreich für Scheinlösungen geworben und Nebelkerzen geworfen haben, um das Geschäftsmodell der fossilen Konzerne zu verlängern.
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5 Kommentare
Christian B.
12.02.2025, 09:10Grundsätzlich gebe ich Ihnen völlig recht. Aber ist es nötig, auch noch solche dünnen Argumente anzuführen?: "niemand will die Hindenburg im Heizungskeller" (populistische Bildsprache; das etwas höhere Risiko - wie wieviel höher in der Praxis? - ist kein Argument, wie bei anderen Techniken auch) "Verluste ... in der Therme auch" (heutige Brennwertthermen sind sehr effizient) Erst wird Wasserstoff verdammt, dann sind Kraftwerke mit Wasserstoff "effizient". Natürlich ist dieser aufwendig hergestellte Wasserstoff zu schade zum bloßen Verbrennen. Aber eines nicht so fernen Tages gibt es zeitweise soviel Überschuss an Sonne und Windstrom, dass der gut speicherbare Wasserstoff auch für Wärmenutzung sinnvoll sein dürfte. Zumindest indirekt - in Blockheizkraftwerken! Die sind, mit Wärmepufferspeicher und richtig gesteuert, eine wichtige Komponente im Gesamtsystem. Vom alten Energiemix wird eines bleiben - der Mix! Ich finde allerdings, Ordnungspolitik sollte mit Bedacht eingesetzt werden. Wenn man z.B. Wärmepumpen nicht zur absehbaren Pflicht gemacht hätte, lägen die Installationszahlen seither sicherlich höher als nun zu beobachten.
AntwortenMichaela Kruse
13.02.2025, 09:16Lieber Christian B., vielen Dank für den Kommentar! Natürlich ist es zugespitzt formuliert, aber Fakt ist, dass beim Einsatz von Wasserstoff in Heizungen viele technische Fragen ungeklärt sind, so dass es sich mitnichten um eine "einfache" Lösung handelt. Zum Beispiel müssten ja das Gasnetz sowie alle angeschlossenen Gasthermen gleichzeitig umgestellt werden, weil Erdgasthermen nur mit einer geringen Beimischung von Wasserstoff zurechtkommen (für mehr Infos siehe Heizungsbauer Thermondo: https://www.thermondo.de/info/rat/erneuerbare-energie/wasserstoffheizung/ ). Was die Effizienz angeht, ist es durch die Wirkungsgrade von Wärmepumpen über 100% so, dass es effizienter ist, Wasserstoff zu verstromen und dann mit Wärmepumpen zu heizen, als ihn direkt in der Heizung zu verbrennen (hier können ja nur maximal 100% Wirkungsgrad erreicht werden). In stromgeführten KWK-Anlagen mit Wärmespeicher ist Wasserstoff hingegen genau richtig eingesetzt, da geben wir Ihnen vollkommen recht! Beim GEG sehen wir das Problem eher darin, dass die Ampel-Parteien (und die Union, die es auch besser wissen sollte) nicht geschlossen für diese überlegene Technologie geworben haben, sondern mit eben jenen Rufen nach Technologieoffenheit und an die Wand gemalten Horrorkosten die Verbraucher*innen unnötig verunsichert haben. Viele Grüße, Michaela Kruse
AntwortenUwe
08.02.2025, 00:11👍
AntwortenVolkmar Lehmann
06.02.2025, 14:51Technologieoffenheit heißt doch nicht, dass "alle Technologieoptionen für die Wärme- und Stromerzeugung und im Verkehr gleichrangig behandelt werden sollten." Was für ein Stuss. Es geht darum, nicht bestimmte Technologie von vornherein gar nicht zu berücksichtigen und festzustellen, was perspektivisch sinnvoll ist. Das tut der Sache wieder mal keinen guten Dienst. Volkmar Lehmann
AntwortenDer NABU
06.02.2025, 16:51Natürlich verstehen nicht alle genau dasselbe unter dem Wort, aber zum Beispiel hieß es bei der GEG-Einigung wortwörtlich: "Beim Umstieg auf klimaneutrale Heizungssysteme sollen die verschiedenen Optionen gleichwertig behandelt werden." (Quelle: Leitplankenpapier der Koalition vom 13.6.2023) Damit wurden ineffiziente und z. T. umweltschädliche Technologien auf eine Stufe gestellt mit den effizienteren Technologien, obwohl es deutlich sinnvoller wäre, den Bürger*innen durch eine Abstufung Orientierung zu bieten. Viele Grüße, Michaela Kruse
Antworten