Undercover-COP

Am 16. Dezember letzten Jahres ging die United Nations Framework Convention on Climate Change, 24th Conference of the Parties, kurz COP 24, im polnischen Kattowitz zu Ende. Der NABU war natürlich auch vor Ort. Mein Kollege Sebastian Scholz hat die gesamten Verhandlungstage vor Ort als „Observer“ begleitet. Seine Eindrücke, beziehungsweise weitere Informationen zur COP24 findet ihr hier. NABU-Präsident Olaf Tschimpke war natürlich auch dabei und hat sich für ambitionierten Klimaschutz stark gemacht. Leider konnte ich nicht so viel Zeit vor Ort in den Klimaschutz investieren. Aber ich hatte immerhin Gelegenheit, ein paar Tage die Luft auf dieser für den Klimaschutz so wichtigen Veranstaltung zu schnuppern. Mit dabei war auch mein Kollege Jan Schönewolf. Zurück in Deutschland haben dann viele Freunde, Verwandte und Kollegen gefragt, wie es so war. Und was wir da überhaupt gemacht haben. Und was die Weltklimakonferenz überhaupt soll. Deshalb haben Jan und ich beschlossen, die meistgestellten Fragen hier im Blog mal zusammenzufassen und aus unserer Sicht zu beantworten. Da Bilder oft mehr sagen, als Worte, haben wir viele Fotos unserer Reise hinzugefügt.

Das COP-NABU-Team: Sebastian Scholz, Danny Püschel, Jan Schönewolf

Das COP-NABU-Team: Sebastian Scholz, Danny Püschel, Jan Schönewolf

Wie seid ihr angereist?

Danny: Ich bin natürlich mit der Bahn angereist. Zumindest habe ich das versucht. Als ich zum Bahnhof in Berlin kam – und ich hatte eine Zugfahrt von acht Stunden vor mir, mit vier Umsteigebahnhöfen – hieß es: „Der Zug nach Frankfurt/Oder fällt aus. Geplante Baustelle! Warum haben Sie denn diesen Zug gebucht?“ Ok, dachte ich mir. Das Internet basierte Buchungssystem stößt an seine Grenzen, sobald man Grenzen überstreitet. Ich hatte nun die Wahl innerhalb von 2 Minuten in die S-Bahn zu springen, die mich auf völlig anderen Wegen nach Kattowitz führt oder den DB-Bus zu nehmen. Da ich nicht sicherstellen konnte, noch einen freien Platz im Bus zu bekommen, habe ich mich für Ersteres entschieden. Das hieß dann S-Bahn, Regionalbahn der DB, polnischer, dieselbetriebener Bummelzug, nochmal polnischer Bummelzug, polnischer Interregio. Nach neun Stunden war ich dann auch endlich da.

Meine drei Erkenntnisse des Tages:

  1. Kaum über die Oder rüber, begrüßt mich das erste Kohlekraftwerk. Schön, dass ich zur Weltklimakonferenz fahre…
    Kohlekraftwerk an der Deutsch-Polnischen Grenze in Köstrin

    Kohlekraftwerk an der Deutsch-Polnischen Grenze in Küstrin

    2. Die polnische Bahn schafft es, mit einem Mix aus uralter und top moderner Technik immer drei bis fünf Minuten früher am Bahnhof zu sein. Die sollten ihr Geheimnis mal der Deutschen Bahn verraten!

    Alte und neue Züge ergänzen sich zu einem guten Schienenverkehrssystem in Polen.

    Alte und neue Züge ergänzen sich zu einem guten Schienenverkehrssystem in Polen.

    3. Vokale in Ortsnamen sind definitiv überbewertet.

Umsteigebahnhog Krzyz

Umsteigebahnhof Krzyz

Während der Fahrt, vorbei an wunderschöner Natur, aber auch an vielen Kohlekraftwerken und zerfallenen Industrieanlagen überkam mich dann der Gedanke, ob Bahnfahren in Polen überhaupt so ökologisch ist – bei dem kohlelastigen Strommix und den vielen Dieselloks…

Jan: … Nächste Frage bitte.
Ich bin mit dem Flugzeug zur Klimakonferenz angereist. Asche auf mein Haupt. Hier zeigt sich, dass mir Klimaschutz, wenn es um mein ganz persönliches Handeln geht, manchmal gar nicht so leicht fällt. Denn im Gegensatz zu Danny war ich nicht acht Stunden in der Bahn, sondern eine Stunde im Flugzeug. Und günstiger war der Flug obendrein. Deshalb habe ich mich trotz der viel, viel schlechteren CO2-Bilanz für das Flugzeug entschieden. Die Treibhausgasemissionen meines Fluges habe ich über einen zertifizierten Anbieter kompensiert.

Was war euer erster Eindruck vom Veranstaltungsort Kattowitz?

Danny: Wow, wie modern die Stadt doch ist! Nach der nächsten Ecke dachte ich aber, wow, wie zerfallen die Stadt doch ist. Kattowitz stellt einen spannenden Mix aus europäisch modern und alt und kaputt dar. Auf jeden Fall merkt man aber, dass man sich in einer Schwerindustrie-Stadt befindet – mitten im Strukturwandel. Oft ist ein lautes, dumpfes, metallisches Schäppern zu hören. Und Smog, der echt in der Lunge brennt gab es auch – einmal jedenfalls. Das war gefühlt erst einmal schwer zu vereinbaren mit dem echt gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr in der Stadt. Zum Glück konnten COP24-Teilnehmende diesen immer kostenlos nutzen.

Bunter Architekturmix in Kattowitz

Bunter Architekturmix aus neu und alt in Kattowitz

Jan:  Hochhäuser und breite Straßen, Plattenbauten und Beton. So habe ich das Stadtbild von Kattowitz erlebt, wenn ich mit dem Shuttle-Bus aus Krakau zum COP-Gelände angereist bin. Charmant sieht anders aus. Aufgrund der hohen Nachfrage lagen die Hotelpreise in Kattowitz bei 200-300€ pro Nacht, deshalb musste ich nach Krakau ausweichen. Außer der kurzen Einfahrt in die Stadt und dem Konferenzgelände habe ich daher nicht viel gesehen und insofern mag ich Kattowitz Unrecht tun, aber für mich bleibt der Eindruck einer wenig einladenden Industriestadt.

Wie sieht das Veranstaltungsgelände aus?

Danny: Wie ein Ufo, das bei seiner Landung den Tagebau platt gemacht hat. Also ich fand das Kongress-Center echt hübsch. Alles super organisiert. Moderne, zweckmäßige Architektur. Interessant war der Fakt, dass das COP24-Gelände während der Konferenz nicht zu Polen gehörte, sondern UN-Gebiet war. Wir haben also mehrfach täglich Polen „verlassen“ und sind auf internationales Gelände gewechselt – und das unter Einhaltung höchster Sicherheitsstandards – nur dreimal so schnell und fünfmal so freundlich wie an Flughäfen üblich.

Jan: Konferenzräume, lange Flure und noch mehr Konferenzräume. Wo viele Leute verhandeln, braucht es natürlich auch viel Platz. Da kommt auch ein Messezentrum wie das in Kattowitz an seine Grenzen, immerhin kommen rund 20.000 Teilnehmer zur Klimakonferenz. Deshalb muss angebaut werden. So entsteht ein skurriler Mix aus sehr modernem und ansprechendem Messegelände und funktionalen, temporär errichteten Zeltstätten. Neben den Konferenzräumen beherbergt das Gelände auch einen kleinen Messebereich, in dem sich verschiedene Länder mit eigenen Ständen (sogenannten Pavillons) präsentieren können. Bemerkenswert ist, dass die Stadt Kattowitz ihrem Pavillon mit echter Steinkohle dekoriert hat. In Sachen Klimaschutz sicher auch ein klares Statement.

Pavillon der Stadt Kattowitz mit Steinkohleexponaten

Pavillon der Stadt Kattowitz mit Steinkohleexponaten

Last but not least haben auch die Presse, die NGOs und die Verhandlungsdelegationen jeweils einen eigenen Bereich mit Besprechungsräumen und kleinen Büros. Falls ihr dachtet, politische Verhandlungen finden in einem glamourösen Rahmen statt. Weit gefehlt! Stellt euch eine Lagerhalle vor, in der mit Aufstellwänden einzelne Bereiche voneinander abgetrennt und mit einfachen Tischen und Stühlen bestückt werden, fertig ist euer Delegationsbüro. Insgesamt ist das Gelände vor allem eins – und das ist ziemlich groß. Die Distanz von einem bis zum anderen Ende liegt bei knapp 1 km, so dass Bewegung auf der COP definitiv nicht zu kurz kommt.

Was habt ihr an einem Konferenztag gemacht? Beschreibt euren Tagesablauf

Danny: Nun, was kann man in drei Tagen auf der COP schaffen? Zunächst habe ich mir einen Überblick über den Räumlichkeiten und den Veranstaltungskalender verschafft. Da ich

Arnold Schwarzenegger bei der Weltklimakonferenz

Arnold Schwarzenegger bei der Weltklimakonferenz

nicht alleine war, konnte ich mich auch zum Glück recht einfach an meine Kollegen ranhängen. Und das war echt spannend. Ich weiß nun, dass der Cappuccino am deutschen Pavillon echt gut ist. Die ganztägig lange Schlange beim besten Barista der COP scheint das zu bestätigen. Und dann stolpert man in die erste Veranstaltung und sieht junge Menschen aus aller Welt, die über ihre Erlebnisse und Wünsche diskutieren. Das war schon sehr interessant. Auf dem Weg zur nächsten Veranstaltung musste ich dann etwas länger auf Jan warten. Er hat mal eben Arnold Schwarzenegger getroffen. Ich wäre garantiert auch stehen geblieben und hätte dem „Gouvernator“ zugehört, dass Klimaschutz in Kalifornien immer noch ein äußerst bedeutsames Thema ist – Trump zum Trotz.

Das war schon alles aufregend. Richtig spannend wurde es dann, als wir im groooooßen Saal den IPCC-Leitern zuhören dürften. In zwei Stunden wurde uns sehr eindrücklich vorgestellt, wie sich eine 1,5-Grad-Welt von einer 2-Grad-Welt unterscheidet. Und dass ein weiter-wie-bisher sehr viel teurer wird, als jetzt alles Mögliche in den Klimaschutz zu investieren. „Jedes Zehntel Grad zählt! Jede Anstrengung zählt! Jede Entscheidung zählt!“ habe ich mir dann notiert und verinnerlicht. Dann haben wir noch das tägliche Meeting des Climate-Action-Networks CAN, bei dem der NABU auch aktiv engagiert ist, besucht.

Es war schön zu sehen, wie diszipliniert aber entspannt und freundlich sich die Umwelt- und Klimaschutzorganisationen international abstimmen – zum Beispiel wenn es um das täglich erscheinende Journal ECO oder die Wahl zum „Fossil oft he Day“ geht. Dabei werden Staaten für besonders klimaschädliche oder anderweitig befremdliche Äußerungen „geehrt“. Der lange Tag ging dann mit der großen Eröffnungsparty zu Ende, wo wir mit der gesamten Welt essen, trinken und tanzen konnten. Das war schön. Dann ging es noch schnell mit Tram und Bus in die Unterkunft und der Tag war vorbei.

Jan: Als erstes durch den Security Check – ähnlich wie am Flughafen – am Konferenzeingang. Rein kommt nur, wer akkreditiert ist und seinen Pass mit Foto um den Hals hängen hat. Drinnen angelangt, habe ich als „Observer“ die Qual der Wahl. Denn auf der Klimakonferenz finden nicht nur politische Verhandlungen statt. Es gibt auch Fachvorträge rund um das Thema Energie und Klima, sogenannte „Side Events“. Und natürlich Netzwerktreffen der NGOs, die die Verhandlungen verfolgen und versuchen Einfluss auf die Delegierten ihres jeweiligen Landes zu nehmen. Und alles läuft parallel.

Ich habe an einem Tag in der Regel drei Meetings des NGO-Netzwerks CAN, ein Side Event und eine Verhandlung besucht. Bei CAN wurden Informationen über den aktuellen Verhandlungsstand und die Positionen verschiedener Länder ausgetauscht. Im Anschluss wurde diskutiert, wie die klimapolitisch progressiven Länder unterstützt und Druck auf die weniger ambitionierten ausgeübt werden kann. Die Treffen mit Leuten aus aller Welt, denen Klimaschutz wichtig ist und die kollegial zusammenarbeiten, haben wirklich Spaß gemacht. Etwas nüchterner, aber nicht weniger informativ waren für mich die Side Events. Hier kommen nicht nur NGOs, sondern auch Industrie und Politik zu Wort. Ich habe mich dabei über unter anderem über Möglichkeiten eines „gerechten Kohleausstiegs“ und die „zukünftige Rolle von Strom- und Gasnetzen in Europa“ informiert.

Und zum Schluss gibt es noch die Verhandlungen, der eigentliche Grund der Klimakonferenz. Dabei findet die tatsächliche Verhandlungsarbeit, bei der konkrete Textentwürfe für das Klimaschutzabkommen erstellt werden, hinter verschlossenen Türen statt. Bei den für die Öffentlichkeit und für mich zugänglichen Verhandlungen, hatten Staaten die Möglichkeit zu den bisher erarbeiteten Textentwürfen Stellung zu beziehen. Und das hat mir die Schwierigkeit eines multilateralen Abkommens eindrücklich vor Augen geführt. Während einige Staaten die Glaubwürdigkeit des aktuellsten Berichts des Weltklimarats (IPCC) anzweifeln, drängen andere auf mehr Klimaschutz, weil die Folgen des Klimawandels bei ihnen schon deutlich spürbar sind. Dieses Spannungsfeld überträgt sich auf die gesamte COP und jeder Tag war für mich ein Wandel zwischen den verschiedenen Welten der NGOs, der Politik und der Industrie.

Welche Rolle spielen NGOs auf einer Klimakonferenz?

Danny: Vor allem die Rolle des sogenannten „Observers“, also eine Beobachterrolle. NGOs versorgen aber auch die Klimabeamten und die vielen Politikern mit Zahlen, Fakten, Wünschen, Forderungen und viel Optimismus. Es ist äußerst wichtig, dass nicht nur die Interessen von Wirtschaft und Industrie berücksichtigt werden, sondern auch die von Mensch und Natur. Das ist aus meiner Sicht die wesentliche Aufgabe der NGOs.

Jan:  Aus meiner Sicht haben NGOs vor Ort verschiede Funktionen. Im Rahmen von Einzelgesprächen fungieren Sie als Berater für die Verhandlungsdelegationen. Außerdem sind sie Informationsvermittler, indem sie sowohl während als auch nach der COP den Verhandlungsstand und die -ergebnisse aus sozialer und ökologischer Sicht bewerten und über soziale Netzwerke und die Medien nach außen spiegeln. Damit üben sie mitunter auch politischen Druck aus und können damit Einfluss auf die Verhandlungen nehmen.

Was wird euch in Erinnerung bleiben?

Danny: Die kulturelle Vielfalt! Nicht einmal bei den Olympischen Spielen treffen sich alle Nationen der Welt. Bei der COP schon. Und diese Kraft! Es war sehr inspirierend, so viele motivierte, engagierte und tatkräftige Menschen zu sehen und zu treffen. Das macht Lust auf Mehr!

Jan: Auch für mich bleibt die internationale Atmosphäre in Erinnerung. An einem Ort zu sein, an dem mit Menschen aus 196 Staaten fast die gesamte Welt zu Gast ist und gemeinsam an einer Sache arbeitet, das hat mich wirklich beeindruckt.

 

Das war nun unser „kleiner“ Einblick in die große Konferenz. Habt ihr noch Fragen? Was denkt ihr darüber? Wir beantworten eure Fragen gerne.

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Danny Püschel
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2 Kommentare

Martin H.

19.12.2018, 19:48

Hallo NABU-Team, klasse, euer Bericht von der COP. MIch würde ein Detail zu Essen dort interessieren. Ihr wart ja live dabei. Gab es da für die Teilnehmer*innen, die besonders klimafreundliches veganes Essen auswählen wollten, genug attraktive Optionen? War das Essen dort Bio? Viele Grüße

Danny Püschel

07.01.2019, 10:31

Hallo Martin, danke für das Feedback! Als Nicht-Veganer habe ich darauf leider nicht so sehr geachtet. An den Snack-Bars gab es eine mindestens eine vegane Option (Sandwich mit Grillgemüse). Und was warme Gerichte angeht, kann ich mich an vegane Suppe (Kürbis) erinnern. Eine große Auswahl an veganen Gerichten ist mir aber nicht aufgefallen, vor allem die Hauptgerichte waren eher mit Fleisch. Ob das Essen Bio war, kann ich nicht beantworten. Es war zumindest nicht explizit als Bio/Organic gekennzeichnet. Viele Grüße, Jan

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