Ich fliege zur Klimakonferenz – leider

Ich fliege zur Klimakonferenz – leider

Ich fahre gerne Zug! Also wirklich. Ich habe dieses Jahr alle meine Urlaubsreisen mit dem Zug organisiert. Und nein, ich war nicht nur in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern, sondern in Tschechien, Österreich und in Italien, und dort sogar auf Sizilien – mit dem Zug machbar, wenn man sich die Zeit nimmt. Auch meine letzten Dienstreisen nach Brüssel und Paris habe ich selbstverständlich mit dem Zug unternommen.

Lange Zugfahrten sind aus meiner Sicht großartig, um in Ruhe zu arbeiten. Der gelegentliche Blick aus dem Fenster hilft mir, meine Gedanken zu sortieren; wenn ich Texte schreibe, bin ich im Zug oft produktiver und schneller als im Büro. Auf meinen privaten Reisen liebe ich es, mich in die Musik aus den Kopfhörern zu vertiefen und lese ausgiebig Zeitung und Bücher. Zugfahren entschleunigt mich. Schon deshalb wäre ich gerne zur Klimakonferenz nach Madrid mit dem Zug gefahren, es folgen ja zwei Wochen voller Hektik und Zeitdruck. Die Gelegenheit war je eigentlich perfekt, denn anders als nach Chile (dort sollte ursprünglich die Klimakonferenz stattfinden), kann man innerhalb Europas anders als per Flugzeug reisen.

Bahnfahren in Europa ist kompliziert

Ja, aber warum habe ich trotzdem nicht den Zug genommen, sondern bin geflogen? Die einfache Antwort ist: um die Komplexeität zu reduzieren (ich weiß, Luhmann würde sagen, alles was wir tun, dient ausschließlich dazu). Aber im Ernst, einen Flug buchen ist ungleich einfach im Vergleich zur Buchung eines Zugtickets von Berlin nach Madrid. Von Berlin gibt es sogar mehrere Direktflüge, es gibt etliche Suchmaschinen, die mir die Flüge mit allen Kosten vergleichen und ich kann mir Abflug- und Ankunftszeit aussuchen.

Wer schon mal probiert hat, die Verbindung Berlin-Madrid mit dem Zug zu buchen, weiß, online geht das nicht. Europäische Verbindungen, spätestens, wenn zwei Landesgrenzen überschritten werden, lassen sich nicht mehr über die Internetseite der Bahn buchen. Das geht entweder nur im Reisebüro oder Reisecenter der Bahn oder aber indem ich die Reise stückele und über die lokalen Bahngesellschaften buche. Die Recherche dafür, der Gang zum Reisebüro kostet Zeit – Arbeitszeit. Die Reise selbst dauert auch länger, klar. Aber das tatsächlich finde ich nicht besonders problematisch, eigentlich im Gegenteil.

Aber es ist auch nicht nur die Fahrzeit selbst. Auch Abfahrt und Ankunft kann man nicht immer selbstbestimmt wählen, sondern muss sich den Bedingungen ergeben. Nachtzüge wurden von der Deutschen Bahn verbannt, nur die Österreichische Bahn bietet einige Verbindungen auch von Berlin aus an – allerdings nicht Richtung Spanien. Bei längeren Fahrten innerhalb Europas muss man also fast immer einen Zwischenhalt eingelegen. Kein Problem, hätte ich in Kauf genommen. Aber das dauert natürlich.

Europäische Bahnreisen selbst buchen und recherchieren? Fehlanzeige

Für meine Reise nach Madrid hätte ich problemlos 48 Stunden aufbringen können – viel mehr allerdings nicht. Denn ich hatte am Freitag noch einen Termin, den ich nicht verpassen wollte und Sonntag oder spätestens Montag früh musste ich in Madrid sein. Für die reine Fahrzeit wäre das kein Problem. Zum Zeitpunkt meiner Recherche für die Reise kam noch erschwerend hinzu, dass auf der Strecke zwischen Paris und Barcelona eine Baustelle war. Auf dieser Verbindung ließen sich Fahrten nicht einmal recherchieren. Wann die Baustelle behoben sein würde? Das war nicht in Erfahrung zu bringen. Im übrigen war ich nur zu früh dran, einige Tage später war die Baustelle behoben und es die Verbindungen waren wieder buchbar. Aber woher soll ich das wissen? So kam für mich nur eine einzige Verbindung mit einer Übernachtung in Montpellier in Frage. Nur war der Zug ab Montpellier nicht mehr buchbar, offensichtlich waren alle Plätze gebucht.

Fliegen ist zu billig

Nach einigen Stunden Recherche ist schlussendlich meine Anreise per Zug zur Klimakonferenz daran gescheitert und ich habe einen Flug gebucht. Selbstverständlich kompensieren wir diese Flugreise, aber das löst das Problem des Fliegens nicht auf. Der Flugverkehr ist problematisch, weil der CO2-Ausstoß pro Kilometer ungleich höher ist als bei allen anderen Verkehrsmitteln. Und weil dieser auch noch in den Atmosphärenschichten erfolgt, in denen das CO2 direkt seine Treibhauswirkung entfaltet. Aber es gibt nicht immer einfache Lösungen, um nicht zu fliegen. Ich glaube, das hat mein Beispiel dargestellt. Und Fliegen ist auch erstaunlich billig. Verglichen mit dem Flugpreis hätte ich selbst mit Bahncard 50 rund das Vierfache für die Reise per Bahn bezahlt!

Die Infrastruktur muss besser werden

So geht das nicht! So schaffen wir es nicht, dass mehr Reisen innerhalb Europas auf die Schiene verlagert werden. Die Kosten für Bahnfahrten muss sinken und die für Flugreisen steigen. Gleichzeitig brauchen wir eine viel bessere Infrastruktur in ganz Europa. Es kann doch nicht sein, dass wegen einer Baustelle auf unbestimmte Zeit kein Zug recherchiert und gebucht werden kann! Die europäischen Fernzüge müssen besser aufeinander abgestimmt werden und es braucht dringend ein übergreifendes Buchungssystem, das kundenfreundlich für alle Menschen in Europa nutzbar ist.

Ich werde beobachten, wie sich das entwickelt. Spätestens zur nächsten Klimakonferenz in Glasgow werde ich erneut mein Glück versuchen, mit der Bahn zu reisen. Und ich hoffe jetzt schon, dass trotz Brexit die Anreise einfacher auf dem Schienenweg machbar ist.

 

 

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Sebastian Scholz
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7 Kommentare

Uwe

15.12.2019, 21:56

Gerne gelesen. 👍

Rainer Stoll

06.12.2019, 14:32

Ich bin Reiseveranstalter für nachhaltigen Tourismus und ich bin mir sicher, dass es ohne Tourismus extrem negative Auswirkungen auf ökonomische und ökologische Systeme in der Welt auf uns zukommen. Nationalparks funktionieren ohne Touristen nicht. Es fallen Millionen Arbeitsplätze weg, vor allem für Frauen. Es gibt eine Menge, auch der internationale Austausch und das Kennenlernen der Kulturen gehört dazu. Klar können wir nicht so weitermachen wie bisher. Unser aller Urlaub muss nachhaltiger werden. Wir müssen weniger fliegen. Aber Flugreisen komplett zu verteufeln geht auch nicht.

Holger Gulyas

04.12.2019, 13:25

Ich fasse es nicht: Ein NABU-Mitarbeiter muss nach Madrid fliegen, weil der Ticketkauf für die Bahn zu umständlich ist. Das hätte ich als fast 70-jähriger ja sogar mit relativ geringem Aufwand hingekriegt (ich buche auch Bahn-Tickets im Super-Bahnreiseland Russland ohne Probleme online). Bei der SNCF kann man ein Ticket von Paris nach Hendaye buchen, ohne ein Wort englisch oder gar französisch verstehen zu müssen (https://de.oui.sncf/de/zug-fahrkarte). Von Hendaya kann man auch sehr bequem über's Internet einen Anschlusszug nach Madrid buchen (http://www.renfe.com/EN/viajeros/index.html). Ich finde es befremdlich, dass NABU-Mitarbeiter der kapitalistischen hektischen Termintaktung fröhnen, was auf mich recht wichtigtuerisch wirkt ("ich hatte am Freitag noch einen Termin, den ich nicht verpassen wollte"). Mal ehrlich: Würde die Klimakatastrophe schneller kommen, wenn ein NABU-Mitarbeiter später (oder auch gar nicht) zur Klimakonferenz nach Madrid kommt? Die Forderung nach Verbesserung der Bahnverbindungen ist natürlich gerechtfertigt. Es sollte aber auch gefordert werden, dass Fliegen - möglichst ab sofort - nur noch mit klimaneutralen Treibstoffen erlaubt ist. Es gibt kein Menschenrecht auf schnelles Reisen, zumal dem größten Teil der Menschheit von vielen selbstgefälligen Bewohnern des reichen Nordens überhaupt keine Reisefreiheit zugesprochen wird! Ich hoffe mal, dass der NABU in Zukunft mit Augenmaß und entschleunigt reist, um eine gewisse Vorbildfunktion wahrzunehmen. Mit solidarisch-kritischen Grüßen Holger Gulyas

Sebastian Scholz

04.12.2019, 14:29

Hallo Herr Gulyas, danke für Ihren Kommentar. Vielleicht haben Sie es überlesen. Zum Zeitpunkt meiner Recherche, gab es keine Verbindung von Paris Richtung Spanien außer die eine über Montpellier. Und ich fröhne nicht der kapitalistischen hektischen Zeittaktung, sondern bin darin gezwungen. Natürlich geht immer alles auch anders. Aber wenn ich möglichst allen Ansprüchen, die an mich gestellt werden und die ich selbst habe, gerecht werden will, muss ich mit Kompromissen leben. Dieses Mal war der Kompromiss zu fliegen. Das ich darüber nicht glücklich war, habe ich hoffentlich zum Ausdruck gebracht. Zu Ihren Forderungen gebe ich Ihnen recht. Klimaneutrale Treibstoffe sind notwendig und ich versichere Ihnen, wir reisen nicht, wenn wir es nicht für nötig halten. Viele Grüße Sebastian Scholz

Ute Bergt

04.12.2019, 10:19

Sehr geehrter Herr Scholz Danke für Ihren Beitrag. Es muß etwas getan werden. So kann es nicht weitergehen. Aber auch im Kleinen beobachte ich in unserem Einkaufsort Menschen, die 300 Meter vom Supermarkt entfernt wohnen und nichts schweres eingekauft haben mit dem Auto fahren. Viele Grüße U. Bergt

Martin Linser

04.12.2019, 00:39

Hallo Herr Scholz, zu Ihrer Info, es gibt genügend Portale im Internet, wo man sehr bequem eine Zugreise buchen kann. Z.B. thetrainline.com. Ob man aber 15 Stunden oder länger in einem Zug sitzen möchte, ist eine andere Frage. Ich habe jedenfalls als selbständiger Unternehmer nicht die Zeit dafür. Da der Flugverkehr weltweit aber nur für 2,5% der CO2 Emissionen verantwortlich ist, stellt sich hier die Frage, ob es wirklich Sinn macht auf einen Flug zu verzichten. Solange sich weltweit 1.400 Kohlekraftwerke im Bau befinden, sollte man hier ansetzen, und versuchen dies zu vermeiden. Eine Antwort, wie wir aber die weltweite Energiewende schaffen wollen, hat ihre Organisation leider auch nicht. Als kleine Aufgabe hierzu könnte eine Antwort darauf sein: Aktuell erzeugen wir in Deutschland ca. 68 GW Strom. Wenn nur 2% aller aktuell zugelassenen Fahrzeuge in Deutschland mit einem elektrischen Antrieb ausgestattet wären, bräuchten wir ca. 300 GW um diese zu laden. Wie wollen Sie diesen Strom CO2 neutral erzeugen? Mich ärgert die Diskussion über CO2, Energiewende, Diesel, etc., wenn sie nicht fachlich fundiert angegangen wird. Die Autoindustrie hat sehr große Fehler begangen, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Doch den Diesel so zu verteufeln ist auch nicht in Ordnung. Es ist z.B. technisch möglich, einen Dieselantrieb zu bauen, der der Umwelt gerecht wird. Ich hoffe, dass Ihre Organisation in manchen Dingen zukünftig etwas tiefer in die Materie einsteigt. Die Diskussionen sind mir jedenfalls zu sehr schwarz oder weiß. Ich hoffe auf ein miteinander aller und nicht nur auf ein gegeneinander.

Sebastian Scholz

04.12.2019, 11:50

Hallo Herr Linser, danke für Ihren Kommentar und auch den Hinweis zur Buchung. Ich glaube, es machen keinen Sinn immer wieder auf andere noch schlimmere Emittenten zu zeigen, wie Ihr Fingerzeig auf den Bau von Kohlekraftwerken. Die Klimakrise zu bekämpfen bedeutet in allen Sektoren die Emissionen in Richtung der Treibhausgasneutralität zu bringen. Und zwar schnell. Unsere Vorstellung, wie das gelingen kann, ist sehr klar: wir brauchen weltweit die naturverträgliche Energiewende, mit einem sehr starken Fokus auf Energiesparen - Effizienz und Suffizienz - sowie naturverträgliche erneuerbare Energien. Mich persönlich ärgert, dass es so viele Stimmen gibt, die zwar die Klimakrise als relevantes Problem begreifen und anerkennen, jedoch nicht bereit zu sein scheinen auch Veränderungen in ihrem Leben mitzutragen. Sie werfen hier Zahlen in den Raum, die sie weder belegen noch scheinen mir Ihre Zahlen schlüssig und richtig. Kurz, Ihr Kommentar wirkt auf mich nicht so, als wären Sie in die Materie tiefer eingestiegen, was Sie gleichzeitig uns vorwerfen. Ich bin davon überzeugt, dass wir nur gemeinsam in der Lage sind die Krise zu bewältigen. Mit dem ehrlichen Beitrag, wie ich mit dem Dilemma zur Klimakonferenz anzureisen umgehe, glaube ich nicht, dass ich Fronten aufgebaut habe.

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