Mit Kohleausstieg haben wir nicht Holzkohleeinstieg gemeint
Holzkohleherstellung ist eine der ältesten Menschheitstechnologien. Sie erlebt derzeit als „Pyrolyse“ oder „Biokohle“ ein großes Comeback, denn sie soll helfen, sogenannte negative Emissionen zu erzeugen, also Kohlenstoff aus der Atmosphäre langfristig zu speichern, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Doch das birgt Risiken.
Wenn man Holz oder andere Pflanzenreste unter Luftabschluss hohen Temperaturen aussetzt, verwandelt sich die Biomasse in Kohle. Nicht anders wird Grill-Holzkohle hergestellt. Je nach Temperatur entstehen nebenbei auch noch gasförmige oder flüssige Stoffe. Ein Teil des Kohlenstoffs wird in der Kohle mehr oder weniger dauerhaft gebunden. Darauf beruht eine große Hoffnung im Kampf gegen die Klimakrise: Anders als bei der Verrottung im Wald, auf dem Feld oder im Komposthaufen wird die Kohle nicht (sofort) abgebaut und das CO₂ entweicht verzögert in die Atmosphäre. Da die Pflanzen zuvor CO₂ gebunden haben, wird von „negativen“ Emissionen gesprochen. Die Pflanzenkohle soll dann in Baustoffe wie Zement eingearbeitet oder in Böden eingebracht werden, um auch die Emissionen im Bau- oder Landwirtschaftssektor zu reduzieren.
Chance, aber mit großen Risiken
Dieses Verfahren birgt in der Theorie erstmal Vorzüge, in der Realität kann ein durch Subventionen und politische Rahmenbedingungen ausgelöster massiver Hochlauf von Pflanzenkohle – vor allem von Holzkohle – schlimme Folgen für Natur und Klima haben.
Das Hauptproblem ergibt sich daraus, dass wir unsere natürlichen Ressourcen schon jetzt bis zum Anschlag ausbeuten. Kaum „ungenutzte“ Biomasse ist verfügbar. Auch Industrie, Kommunen und Haushalte setzen für Wärme zunehmend auf Holz und andere pflanzliche und tierische Materialien. Holz soll nicht nur zum Bauen, sondern auch als Ausgangsstoff in Bioraffinerien verwendet werden. Und das in einer Situation, in der die Wälder bereits extrem geschädigt sind und unter der intensiven Bewirtschaftung leiden.
In so einem Fall wird der Kohlenstoff nicht aus der Atmosphäre entzogen, sondern nur innerhalb des Kohlenstoffkreislaufs verschoben – von lebender Biomasse in Kohle. Klimatisch ist das ein Nullsummenspiel. Wenn es sich um Biomasse handelt, die nicht zeitnah verrotten würde, wie ein lebender Baum, wird unterm Strich am Ende sogar mehr CO₂ in die Atmosphäre freigesetzt als ohne diese Nutzung (da bei der Kohleherstellung nur etwa die Hälfte des Kohlenstoffs in die Kohle überführt wird und die andere Hälfte in die Luft gelangt, wenn das entstehende CO₂ nicht aufwendig und teuer abgeschieden und gespeichert wird).
Zudem bestehen bei der Einarbeitung der Kohle in Böden große Unsicherheiten bezüglich der Stabilität der Kohle und zusätzlich könnten Giftstoffe aus der Kohle in die Böden gelangen. Hier sind weitere Forschung und die Einführung strenger Kontrollen der Inhaltstoffe nötig, bevor das Verfahren breit angewendet wird.
Der große Run aufs Holz
Wenn Reste aus der Lebensmittelproduktion, Bioabfälle oder ähnliche Abfallstoffe verkohlt werden, kann das tatsächlich positive Effekte auf das Klima haben. Besonders dann, wenn die entstehende Kohle später hilft, Emissionen zu senken – etwa in der Landwirtschaft oder im Zement. Solche ‚echten‘ Reststoffe sind jedoch knapp. Es muss sichergestellt werden, dass ihre Nutzung nicht dazu führt, dass bisherige Nutzer*innen auf fossile Rohstoffe oder problematischere Biomasse ausweichen. In der Landwirtschaft etwa, wo Pflanzenkohle zur Bodenverbesserung eingesetzt werden soll, gibt es außerdem längst bewährte und risikoärmere Methoden zur Minderung von Treibhausgasen.
Der technisch einfachste und günstigste Weg scheint aber derzeit häufig zu sein, auf Holzkohle zu setzen, anstatt echte Reste zu verkohlen. Man kann hoffen, dass sich das ändert, wenn Holz noch knapper und teurer wird, aber darauf verlassen kann man sich nicht. Immerhin ist Holz bereits heute ein häufig illegal gefällter und geschmuggelter Rohstoff und problematische Importe aus Ur- und Primärwäldern könnten künftig noch zunehmen, wenn die Holzkohleherstellung finanziell angereizt wird.
Proteste in Frankreich
Erste Projekte lassen jedenfalls die Alarmglocken klingeln: In den französischen Pyrenäen gibt es bereits Proteste gegen Holzkohle-Pläne, unter denen auch wertvolle Bergwälder leiden könnten. Im Berliner Umland wird eine geplante Pyrolyseanlage von Cemex und Alba die (Alt-)Holznachfrage stark anheizen – und das während bereits für die Berliner Fernwärme auf große Mengen Holz (mehr als 1 Million Tonnen pro Jahr) gesetzt werden soll. Die holzverarbeitende Industrie in Brandenburg muss dann auf frisch gefällte Bäume ausweichen, obwohl sie in Zukunft sogar mehr Altholz (z.B. alte Möbel oder Palletten) recyceln möchte.
Da künftig neben Pflanzenkohle auch BECCS (Bioenergie mit CCS) als Technologie zur Erreichung negativer Emissionen eingesetzt werden soll (zum Beispiel am bislang größten geplanten Holzkraftwerk in Deutschland in Stade), könnte die Holznachfrage massiv steigen. Es fehlt der politische Überblick über diese Planungen und entschiedenes Gegensteuern, wenn sich ein Überschreiten der Potenziale ankündigt. Und am Ende drohen alle zu verlieren: Unternehmen, die um das immer teurere Holz konkurrieren, die Verbraucher*innen und Fernwärmekunden, die vom Brennstoff abhängig sind und nicht zuletzt die Wälder als wichtige Klimaschützer und Ökosysteme.
Der NABU fordert:
Die zur Pyrolyse verwendeten Biomasse-Substrate müssen naturverträglich sein, also Waldholz und Anbaubiomasse müssen ausgeschlossen werden, und auch bei den Rest- und Abfallstoffen sind Einschränkungen und Mengennachhaltigkeit zu beachten.
Es muss garantiert werden, dass auszubringende Pflanzenkohle keine gefährlichen Bestandteile enthält. Langzeitstudien zur Wirkung auf die Ökosysteme sowie auf die Klimabilanz müssen durchgeführt werden, bevor die Technologie in die breite Anwendung gehen und klimabilanziell angerechnet werden kann. Andere Klimaschutzbemühungen in der Landwirtschaft, die ohne Risiko auch die Ökosysteme stärken, sollten bevorzugt gefördert werden.
Der gesamte NABU-Standpunkt zu BECCS und Pflanzenkohle ist hier zu finden.


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