Graue Energie? Kenn ich nicht!
Was ist der Unterschied zwischen einer Erdbeere im Juni und einer Erdbeere im Dezember? Nun, wenn wir mal vom Geschmack und vom Preis absehen, eigentlich keiner. Das zumindest sollte man annehmen. Doch stammt die Erdbeere im Juni höchstwahrscheinlich von Obstbauern aus der Region, oder gar aus dem eigenen Garten. Im Dezember hingegen muss die Erdbeere entweder von der Südhalbkugel importiert oder in Europa in Gewächshäusern angepflanzt und geerntet werden. Sie hatte also eine extrem weite Anreise – wahrscheinlich mit dem Flugzeug oder sie wurde für ihr Wachstum künstlich beleuchtet und beheizt. Das sieht man der süßen Frucht aber nicht an. Transport, Beleuchtung und Beheizung sind aber mit Energieaufwand (und natürlich entsprechenden CO2-Emissionen) verbunden.
Dieser Energieaufwand ist dem Produkt in der Regel nicht anzusehen. Eben deshalb wird die Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes oder einer Dienstleistung notwendig ist, als „graue Energie“ bezeichnet, weil sie im Produkt versteckt und für den Konsumenten nicht direkt sichtbar ist. Dabei werden auch alle Vorprodukte bis zur Rohstoffgewinnung berücksichtigt und der Energieeinsatz aller angewandten Produktionsprozesse addiert.
Graue Energie – überall und nirgends (zu sehen)
Graue Energie steckt also in jedem Produkt – sei es ein Bleistift, eine Schokolade oder ein Auto. Für den Konsumenten ist sie nicht direkt erkennbar, hat aber Einfluss auf den Produktpreis. Selbst Dienstleistungen wie das Haareschneiden (Anschaffung und Verbrauch von Föhn, Haarschneidemaschine, Schere) oder die Nutzung des Internets beinhalten versteckte Energie(verbräuche). Der Zusammenhang mit dem Verbrauch endlicher Ressourcen und der allgegenwärtigen Klimaproblematik liegt auf der Hand. Denn unmittelbar mit grauer Energie verbunden sind Verbräuche von Primärenergieträgern und auch die „graue Emissionen“ von CO2 und anderen Treibhausgasen.
Brauch ich das wirklich?
Die graue Energie erfährt in der öffentlichen Wahrnehmung nahezu keine Beachtung. Dabei gibt es hier enormes Einsparpotenzial! Zur Reduzierung der grauen Energie gibt es verschiedene Ansätze, die man in seine Kaufentscheidung mit einfließen lassen kann. Zunächst sollte man sich überlegen, ob eine Neuanschaffung überhaupt notwendig ist. Hält das Handy nicht noch ein Jahr? Muss es das dritte Paar Laufschuhe sein? Ist der Fernseher wirklich zu klein? Etwas Suffizienz beim persönlichen Besitztum walten zu lassen, ist der effektivste Weg, (graue) Energie und CO2 einzusparen.
Man sollte aber auch darauf achten, woher das Produkt kommt und unter welchen Bedingungen es hergestellt wurde. In vielen Teilen der Welt werden die von uns konsumierten Produkte überwiegend mit Energie hergestellt, die auf Erdöl, Kohle, Gas und Nuklearenergie basiert und in ineffizienten Prozessen hergestellt.
Ich brauche das wirklich!
Suffizienz geht aber nicht immer. Ohne Smartphone, Tablet etc. kann man oft mit der Geschwindigkeit in der heutigen Gesellschaft – sowohl privat als auch beruflich – nicht mithalten. (Wie lange das wohl noch gut geht?) Nun steht also eine zwingend notwendige Neuanschaffung oder der Austausch eines defekten Gerätes ins Haus und ihr wollt die graue Energie berücksichtigen – das heißt minimieren? Schwierig!
Graue Energie heißt nicht umsonst „grau“. Oft ist es nur schwer bis gar nicht möglich herauszufinden, wie viel graue Energie konkret in einem Produkt steckt. Eine gute Hilfestellung bieten die immer mehr an Bedeutung gewinnenden Ökobilanzen. Diese erfordern allerdings ein wenig Übung im Lesen und Interprätieren der Daten. Oder kannst Du abschätzen, ob 30.000 kWh zur Herstellung eines Kleinwagens viel oder wenig sind? Oder 3.000 kWh für einen Laptop? 5 kWh für eine Aludose? Wie hoch ist eigentlich Dein Stromverbrauch?
Eine weitere Entscheidungshilfe kann der sogenannte „Product Carbon Footprint“, PCF sein. Dieses CO2-Label gibt an, wie hoch die grauen Treibhausgasemissionen eines Produktes sind. Es existieren bereits Pilotprojekte zur Einführung des PCF und einige Staaten prüfen die Einführung dieses Labels. Ein CO2-Preis für Produkte wäre ein gutes Instrument, die Hersteller zu „zwingen“, den Energieverbrauch – und damit auch die CO2-Emissionen effektiv zu senken. Aber das ist ein anderes Thema…
Lebenszyklusbetrachtungen!
Es ist ein Anfang, sich darüber Gedanken zu machen, wie viel Energie in Erdbeeren von chilenischen Feldern, aus holländischen Treibhäusern oder deutschem Anbau im Frühjahr steckt und dies auch in eine Kaufentscheidung mit einfließen zu lassen. Bei elektronischen Produkten aber auch, und vor allem bei Gebäuden, spielt die graue Energie eine immer größer werdende Rolle. Vor einigen Jahren noch, als Energieeffizienz und Klimawandel Begriffe waren, die nur Experten oder Öko-Nerds kannten, spielte die Herstellungsenergie keine Rolle.
Die Energieverbräuche während der Nutzung überstiegen die graue Energie bei weitem. Das hat sich aber radikal geändert. Durch Ökodesign, höhere Energiekosten und letztlich auch durch die Bekämpfung des Klimawandels sind die Energieverbräuche von Consumer Electronics und auch von Gebäuden drastisch gesunken. Dafür ist der Herstellungsenergieaufwand – gerade bei Gebäuden – stark gestiegen.
Zurzeit entspricht die graue Energie, die in einem Neubau steckt, in etwa der notwendigen Betriebsenergie für 30 bis 50 Jahre. Der Trend geht richtigerweise zur Abnahme der Betriebsenergie durch immer weitere Bau- und Dämmvarianten. Die passiert aber bei gleichzeitigem Anstieg der im Bau enthaltenen grauen Energie, weil der Materialaufwand der Konstruktionen und der technischen Komponenten zunimmt. Dabei müssen wir darauf achten, dass wir keine Milchmädchenrechnung aufmachen. Betrachten wir nicht die Energieaufwendungen im gesamten Lebenszyklusses eines Gebäudes, verschieben wir den Energieverbrauch nun von der Betriebsphase in die Herstellungsphase. Dem Klima ist es dabei letztlich egal, ob das CO2 aus dem Schornstein unseres Hauses kommt, oder bereits vorher aus den Fabrikschloten der Baustoffhersteller. Die Energieverbräuche müssen über den gesamten Lebenszyklus minimiert werden!
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6 Kommentare
Birgit
31.07.2017, 13:17Ich verstehe den CO2-Rechner nicht. Obwohl ich kein Auto besitze und mich ausschließlich ZU Fuß, mit dem Fahrrad und dem ÖPNV bewege, gibt er an, mein Energieverbrauch für Mobilität sei höher als der Duchschnitt. Das KANN nicht stimmen, in Anbetracht der täglichen Pendlerkarawane vor und des Flugverkehrs Über meinem Haus. Außerdem frage ich mich, was mein Körpergewicht (Normalgewicht) Und die Reduktion desselben mit der Energiebilanz zu tun hat.
Danny Püschel
31.07.2017, 13:29Hallo Birgit, wir haben bislang keine Rückmeldung, dass der Rechner nicht funktioniert. Und bei der Ermittlung unser eigenen CO2-Fußabdrücke gab es immer plausible Ergebnisse. Vielleicht hat sich irgendwo ein Fehler eingeschlichen und Du versuchst es nochmal?
Birgit Bossbach
09.08.2017, 10:01Ich habe nicht gesagt, dass er nicht funktioniert, sondern den Teilbereich Mobilität bemängelt, der offensichtlich nicht stimmt. Eine Erklärung bezüglich Größe, Körpergewicht und Sport und wie die in die Rechnung eingehen, wäre auch schön.
Birgit Bossbach
09.08.2017, 10:05Nebenbei: Mein Energieversorger ist der Meinung auf der Rechnung, dass ich weniger Energie verbrauche als der Durchschnitt. Während der Test angibt, ich brauche mehr als der Durchschnitt. Da kann ich mir aber vorstellen, dass die wahren Energieverschwender diesen Test gar nicht erst machen und somit aus Ihrer Statistik fallen.
Uwe
08.08.2017, 22:20Hi, Ich nehme an, ein hoher im Wert kommt eventuell durch eine große Wohnfläche zustande, die ja im Winter auch beheizt werden muss. Das Körpergewicht finde ich aber auch eine interessante Größe. Wie genau geht die denn in die Rechnung ein? Das wäre mal interessant zu erfahren. Wird denn angenommen, ein schwererer Mensch würde auch mehr essen und hat daher einen höheren Energieverbrauch? Diese Annahme würde ich stark bezweifeln. Allerdings müsste im geht mehr Masse bewegt werden, wodurch der Energieverbrauch steigt. Aber hir sollten wenige Kilogramm Gewichtsunterschied nur eine sehr zu vernachlässigende Rolle spielen.
Birgit Bossbach
09.08.2017, 09:59Es war aber aufgeschlüsselt, und was ich bemängelt habe, war Mobilität. Da ich kein Auto fahre, kein Flugzeug fliege und nicht mal Car-Sharing nutze, sondern nur ÖPNV (nicht täglich) und Fahrrad, kann ich nicht mit Mobilität höher liegen als der Duchschnitt. Meine Wohnfläche finde ich mit 60qm für eine Einzelperson etwas hoch, aber: Was du ererbt von Deinen Vätern… Jedenfalls kann ich die Wohnfläche des Hauses, das mein Großvater mit Sinn und Verstand gebaut hat, schlecht verkleinern. Die Heizkosten sind über- der Stromverbrauch unterdurchschnittlich. Was sagt uns das? Ich mache mein Wasser mit der Gasheiztherme warm, mit der ich auch heize. Ja, Körpergewicht, Größe und Sport hat mich auch gewundert. Vielleicht glauben sie ja auch, dass Sportler mehr essen (was stimmt, Paddler fressen ;-)) oder schwere Menschen mehr Energie beim Transport benötigen.