Bunte Begegnungen an einem grauen Tag

Dieser Sonntag macht seinem Namen keine Ehre. Die Wolken hängen dicht und tief über Potsdam. Heute geht nicht viel – aber ein Spaziergang im Park geht immer.

Vor 270 Jahren von Friedrich dem Großen angelegt und von den Nachfolgern mehrfach erweitert, erstreckt sich Sanssouci über fast drei Quadratkilometer. Vom barocken Garten über den „englischen“ Landschaftspark bis zu dichtem Wald mit alten Buchen und Eichen ist für jeden Geschmack etwas dabei. Direkt am Osteingang, hinter dem Obelisken, stehen mächtige Winterlinden, die fast so alt sind wie der Park. Die in Jahrzehnten und Jahrhunderten entstandenen Lücken wurden nun mit Neupflanzungen aufgefüllt.

Kleiber - Foto: Frank Derer

Kleiber – Foto: Frank Derer

In den Lindenkronen turnen Kohlmeisen, eine Ringeltaube lässt sich im Segelflug auf ihrem Nest nieder. Mit schnellen Schnabelstößen bearbeitet ein Kleiber kopfüber die Borke auf der Suche nach Insekten. Bald hat er genug, mit einem aufgeregten „keck keck keck“ fliegt er davon. Und da ist noch ein Kleiber: In einer mittelstarken Linde schaut der graublaue Vogel aus einem Astloch hervor, verschwindet wieder im Inneren, kommt rückwärts hervor, inspiziert scheinbar den Eingang und taucht wieder ab. Für die Brut ist es noch etwas früh im Jahr, jetzt steht erst einmal die Auspolsterung der Höhle mit kleinen Rindenstückchen an. Und wenn der Eingang der bezogenen Spechthöhle zu groß erscheint, wird er in den nächsten Tagen noch mit Lehm und Erde verkleinert, so dass größere Vögel oder Fressfeinde nicht eindringen können.

Entlang der Hauptallee sind es nur wenige hundert Meter bis zum Schloss Sanssouci. Der Weg führt durch den östlichen Lustgarten und den Holländischen Garten, dessen barocke Gestaltung wiederhergestellt werden soll. An den Hecken-Umfriedungen wurden zahlreiche Hainbuchen nachgepflanzt. Zusammen mit den frisch erneuerten Seitenwegen und gelegentlichen Absperrgittern macht der unbelaubte Park hier momentan eher den Eindruck einer Baustelle. Immerhin sind die Winter-Schutzverkleidungen der Marmorstatuen bereits entfernt, damit ist die Frühjahrsaison in Sanssouci offiziell eröffnet.

Direkt vor dem Schloss mit den berühmten Weinbergterrassen schwimmen auf dem Bassin der Großen Fontäne zwei einsame Stockenten. Gleich nebenan, am Parkgraben, herrscht mehr Betrieb. Rechts von der frisch sanierten Tritonenbrücke paddeln acht Mandarinentenerpel Richtung Chinesisches Teehaus. Ein Weibchen fliegt ein und die Erpel fangen an, sich gegenseitig zu verfolgen. Hektisch schleudern sie immer wieder ihre Köpfe nach oben, um die anderen Erpel und das Weibchen zu beeindrucken.

Drei Mandarinentenpaare - Foto: Helge May

Drei Mandarinentenpaare – Foto: Helge May

Auf der anderen Seite der Brücke geht es friedlicher zu. 20 Stockenten und fast ebenso viele Madarinenten halten sich hier auf. Die Mandarinente gehört zu den Besonderheiten im Raum Berlin und Potsdam. Die Art stammt aus Ostasien und wurde ab den 1920ern hier angesiedelt. Wie unsere heimischen Schellenten sind Mandarinenten Höhlenbrüter. Jetzt im März haben sich die Paare bereits gefunden. Oft bleiben die weitgehend grauen Weibchen und die sehr bunten Erpel mehrere Jahre zusammen. Hier im Park scheint starker Männchen-Überschuss zu herrschen, immer wieder schwimmen Erpeltrupps einzelnen Weibchen hinterher. Ganz ohne Chance sind sie nicht, denn auch bereits verpaarte Mandarinenten gehen regelmäßig fremd.

In den buchsbaumgesäumten Beeten am sogenannten Parterre strecken Tulpen und Hyazinthen ihre Sprosse hervor. Von Blüten ist aber längst noch nichts zu sehen. Einige Meter weiter frieren frisch gepflanzte Stiefmütterchen und gefüllte Gänseblümchen in den Beeten. Den Mandarinenten dagegen macht das kühle Wetter nichts aus. Während einige Erpel sich an Land begeben, so dass man ihre leuchtend weißen Unterseiten sieht, fangen andere an, sich ausgiebig zu säubern. Immer wieder plantschen sie heftig flügelschlagend im Wasser und widmen sich anschließend der Gefiederpflege.

Die Krokusse im Park halten ihre Blüten ebenso dicht geschlossen wie das bereits erblühte Scharbockskraut. Auch die gelben Blüten der Kornelkirschen öffnen sich heute nur zaghaft, während die Haselsträucher zum Großteil bereits abgeblüht sind. Am Ufer das Parkgrabens, zwischen den Luftwurzeln der Sumpfzypressen, gibt es dafür Zuwachs. In kräftigem Rosa wachsen die Blütensprosse der Pestwurz empor. Die riesigen Pestwurzblätter erscheinen dagegen erst, wenn die Blüte vorüber ist.

Frisch erblühte Pestwurz - Foto: Helge May

Frisch erblühte Pestwurz – Foto: Helge May

Zunächst bleiben die Pestwurzblüten unbestäubt. Das trübe, nasskalte Wetter ist nicht gut für die Insekten. Kein Schmetterling weit und breit, keine Hummel und auch Honigbienen sind keine unterwegs. Etwas weiter im Park sind die nach Süden ausgerichteten Wände der Neuen Kammern ebenso wie die Futtermauer im Sizilianischen Garten beliebte Plätze für Wärme tankende Insekten. Doch auch hier ist bis auf einen einzelnen Marienkäfer Fehlanzeige.

Also soll es das gewesen sein. Nach anderthalb Stunden wird es Zeit für eine Tasse heißen Tee. Durch den Rehgarten führt der Weg zurück über die Wiesenbrücke und den Marlygarten zur Friedenskirche und zum Grünen Gitter.

Und dann, ausgerechnet zum Schluss, schon zuhause angekommen, scheint der Frühling plötzlich doch da: Vom Dach des Nachbarn zwitschert eine Schwalbe! Der Sound ist eindeutig – doch die Optik passt nicht ganz dazu. Tatsächlich ist es ein Star, der täuschend echt die Schwalbe imitiert hat und nun fröhlich weiter zu den nächsten Stücken seines reichhaltigen Repertoires übergeht.

Den Park Sanssouci erreicht man vom Potsdamer Hauptbahnhof aus unter anderem mit der Straßenbahnlinie 91 und dem Linienbus 695. Von der Haltestelle Luisenplatz sind es nur wenige Fußminuten bis zu den östlichen Parkeingängen am Grünen Gitter und am Obelisken. Der Parkeintritt ist frei.

Ausführliches Kleiber-Porträt

Mandarinenten-Info bei Wikipedia

Offizielle Homepage Park Sanssouci

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Helge May
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2 Kommentare

Ellen Restemeier

20.11.2015, 08:46

War das Zufall? Gewundert habe ich mich, in diesem Sommer so oft zu hören: es gibt so viele Wespen. Oft habe ich draußen auf meiner Bank gesessen und in Ruhe Kuchen gegessen. Zwei Meter weiter ein Beet voller Natternkopf, mit jeder Menge Insekten, vor allem dicke Hummeln? Muß man den Tieren einfach etwas besseres als Kuchen bieten?

Ali Kemal

20.11.2015, 00:12

Ich bin so fasziniert von eurer Arbeit! Es gibt viel zu wenige Menschen die sich um die Natur interessieren, dass ist echt schade. Keep up the great Work ! Liebe Grüße Aley

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