Der Benzinpreis darf nicht steigen!

Der Benzinpreis darf nicht steigen!

Die Aufregung war groß: Hatte die Grüne Spitzenkandidatin Annalena Baerbock es doch tatsächlich gewagt, auf Pläne ihrer Partei hinzuweisen, die CO2-Abgabe auf Kraftstoffe bis zum Jahr 2023 nochmals um 9 Cent je Liter anzuheben. Neun Cent! Ein Land im Ausnahmezustand. Befeuert durch die ungewohnt einige Allianz von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD), ergoss sich eine Welle der Empörung über die grüne Partei. Da war längst vergessen, dass noch wenige Monate zuvor unter dem Eindruck der Corona-Krise der Preis für einen Liter Diesel unter die Marke von einem Euro gerutscht war und damit so günstig zu haben war, wie zuletzt vor über 15 Jahren.

Regierungsparteien hatten längst ähnliche Preiserhöhung beschlossen

Nun ist es allerdings so – und die sachlichere Berichterstattung der folgenden Tage griff das unisono auf – dass eben jene Parteien, deren Minister soeben öffentlichkeitswirksam Empörung dargestellt hatten, kurz zuvor in der Regierungskoalition die Erhöhung des CO2-Preises von heute 25 Euro je Tonne auf dann 55 Euro pro Tonne in 2025 beschlossen hatte. Auf den Liter Benzin umgerechnet also lediglich eine Differenz von einem Cent im Vergleich zu Baerbocks Vorschlag, auch wenn die Grünen diese Höhe schon zwei Jahre früher erreichen möchten.

Worüber reden wir hier eigentlich?

Im Grunde ist es verblüffend und auch traurig, wie verlässlich die Deutschen mit dem Thema Spritpreis in Aufregung zu versetzen sind. Schon 1998 kochten die Gemüter hoch, als die Grünen mit der Forderung zur Bundestagswahl antraten, den Preis pro Liter Benzin auf fünf Mark anzuheben. Da fällt es nur allzu leicht, diese Geister wieder heraufzubeschwören, um den politischen Gegner im Wahlkampf empfindlich zu schwächen. Somit war es auch nun ein Leichtes, mit den Emotionen der Bevölkerung zu spielen. Wieder sprangen alle darauf an. Schnell ist das Bild der alleinerziehenden Geringverdienerin heraufbeschworen, die zur Ausübung ihres Berufs täglich größere Strecken pendeln muss und in einer schlecht wärmegedämmten Mietwohnung lebt. Denn Heizen wird durch einen steigenden CO2-Preis ebenfalls teurer.
Ja, für Menschen am unteren Einkommensniveau müssen sinnvolle Ausgleichsmechanismen gefunden werden, weil bereits heute Energiearmut eine deprimierende Tatsache in diesem Land ist. Doch wie häufig ist diese konstruierte Person tatsächlich in Deutschland anzutreffen? Eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag des NABU, die wir zusammen mit dem Sozialverband Deutschland veröffentlicht haben, zeichnet jedenfalls ein ganz anderes Bild: Heute sind es die Haushalte mit höheren und sehr hohen Einkommen, die überdurchschnittlich von Steuervergünstigungen und Fehlanreizen im Verkehrssektor profitieren und damit auch das Klima überdurchschnittlich belasten.

Unterschiedlicher Stellenwert des Emissionshandels

Zurück zum CO2-Preis. Nachdem also die Ersten gerechnet und festgestellt hatten, dass Grüne, SPD und Union hier gar nicht weit auseinander liegen, stellte Unions-Fraktionsvorsitzender Ralph Brinkhaus klar, dass der Benzinpreis auch mit der Union steigen werde. Ein redliches Manöver in dieser sonst recht unredlichen Debatte. Zumal sein Kollege und Stellvertreter, der Bundestagsabgeordnete Andreas Jung (CDU) bereits einen noch höheren CO2-Preis von 65 Euro im Jahr 2024 ins Spiel gebracht hatte. Ob nun fünf Euro mehr oder weniger oder ein Jahr früher oder später für den Ausstoß einer Tonne CO2 der richtige Weg ist – viel entscheidender ist die Frage nach dem Stellenwert, den die einzelnen Parteien einem CO2-Preis und dem Emissionshandel insgesamt beimessen. Hier zeigen sich die tatsächlichen Unterschiede in den Parteiprogrammen.

CO2-Preis nur ein Instrument von vielen

Union und FDP setzen auf den Emissionshandel als „Leitinstrument“ und wollen dafür bestehendes Ordnungsrecht oder steuerrechtliche Vorgaben teilweise ersatzlos streichen. Dieser Schritt würde jedoch dazu führen, dass der CO2-Preis eine Höhe erreichen müsste, die eher im Bereich von 180 Euro pro Tonne liegen würde und damit eine Verteuerung des Benzinpreises von 50 bis 60 Cent je Liter zur Folge hätte. Zwar beziffert auch das Umweltbundesamt die tatsächlichen Folgekosten einer Tonne CO2 etwa auf diese Höhe, doch die sozialen Auswirkungen wären um ein Vielfaches höher, als diejenigen, die heute von den Parteien selbst beklagt werden. Dass dies politisch zeitnah umsetzbar wäre, gilt als in höchstem Maße unwahrscheinlich. Gleichzeitig drohen effektive Vorgaben, etwa die CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und Lkw, gestrichen zu werden. Diese verpflichten die Hersteller bisher dazu, jährlich die Kraftstoffeffizienz ihrer Neufahrzeuge zu verbessern und Schritt für Schritt auf Elektroautos umzustellen.

Der Ausstoß von CO2 schadet dem Klima und verursacht damit hohe gesellschaftliche Folgekosten. Er muss einen angemessenen Preis haben, der im Ergebnis den Umstieg auf CO2-neutrale Energieträger beschleunigt. Gleichzeitig scheint es nur eine geringe gesellschaftliche Akzeptanz dafür zu geben, dass das Verbrennen fossiler Kraftstoffe kurzfristig deutlich teurer wird. Je schneller der CO2-Preis steigt, ohne dass bereits entsprechende Alternativen für die Menschen zur Verfügung stehen, desto geringer die Chancen auf seine Umsetzung und damit auch eine effektive Minderung des Treibhausgasausstoßes. Es empfiehlt sich daher, neben einem kontinuierlich, aber moderat ansteigenden CO2-Preis, weiterhin an den bewährten Instrumenten festzuhalten, die an anderer Stelle ansetzen und diese zu verschärfen. Neben einer Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte sind dies vor zum Beispiel eine Reform der Kfz-Steuer mit einem deutlichen Preisaufschlag für hoch motorisierte, schwere Fahrzeuge, die Umsetzung eines flächendeckenden Tempolimits, die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs oder der Steuerbefreiung von Kerosin und marinen Kraftstoffen.

Mehr zu notwendigen Entwicklungen für eine nachhaltige Mobilität in den NABU-Forderungen zur Bundestagswahl.

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7 Kommentare

Uwe Scholz

16.04.2022, 22:17

> Heute sind es die Haushalte mit höheren und sehr hohen Einkommen, die überdurchschnittlich von Steuervergünstigungen und Fehlanreizen im Verkehrssektor profitieren und damit auch das Klima überdurchschnittlich belasten. Kein Wunder. Wer viel hat bekommt noch mehr, es war schon immer so und wird immer so sein. Selbst wenn endlich mal vernünftige Vorschläge gemacht werden, wie aktuell die Forderung von Wirtschaftsminister Robert Habeck, die Förderung von Plug-In Hybriden vorzeitig zu beenden, so bekommt er gleich Gegenwind aus allen möglichen Richtungen (SPD, FDP, VDA, VDIK, etc.). Ich hoffe, Minister Habeck bleibt standhaft. Plug-In Hybride sind reine Alibi-E-Autos, die nur dafür da sind, das Gewissen der reichen Autofahrer zu beruhigen und für Firmen, sich grün zu rechnen. Dabei wird der Elektroantrieb in diesen Autos nachweislich kaum genutzt.

Wolfgang Plack

09.07.2021, 19:49

Ich frage mich nur bei der ganzen Diskussion was am Klima besser werden soll, wenn die ganzen Autos die hier still gelegt werden sollen dann in den Export gehen, wo dann die Katalysatoren raus geflext werden weil es für die enthaltenen Metalle richtig Geld gibt und die Autos dann ohne KAT weiter fahren 🤷🏻‍♂️ Nur weil sie nicht mehr in Deutschland fahren ist überhaupt nichts gewonnen… Warum werden alternative Kraftstoffe vollkommen ausgeblendet… Es müsste ein Vielzahl an Möglichkeiten geben um das Problem zu lösen… Mit der Brechstange und dem Überbieten mit Laufzeitende Daten wird das nicht gelöst. Die einkommensschwachen Menschen werden nicht berücksichtigt und wenn man auf dem Land lebt ist man mit dem öffentlichen Nahverkehr komplett verloren. Eine Familie mit 3 Kindern kann den Alltag mit Beruf, Kindergarten und evtl. unterschiedlichen Schulen nicht bewerkstelligen.., wer das glaubt ist ein Traumtänzer/in … Die Verteuerung der Energie ist Abzocke die die Scherer zwischen Arm und Reich nur vergrößert, die Kaufkraft sinkt und Menschen werden abgehängt… andere haben ein gutes Gewissen und suhlen sich in dem Gefühl was sie doch für Gutmenschen sind… und die AFD gewinnt Wähler mit ihren hirnlosen Parolen.. so wird es kommen…

Alex S.

09.07.2021, 18:16

Hauptsache die Grünen wochenlang mit Schmutz bewerfen. Das Rauben der Steuergelder der deutschen Steuerzahler in die eigenen Taschen von CDU, CSU und SPD wird nur einen Tag in die Schlagzeilen gebracht. Was ist das nur für eine Welt? Gibt es denn hier nur noch Gierige, Vorstandsbosse und Aktionäre? Wo bleibt die Verantwortung für unsere Nachkommen und das Leben auf diesem Planeten?

Alex S.

09.07.2021, 18:11

Eine höhere Steuer kann ich auch nicht nachvollziehen. Viel mehr würde ein Tempolimit bringen: - 25 km/h innerorts, - 80 außerorts, - 100 auf Autobahnen. - Die Sicherheit würde sich dadurch enorm erhöhen, - die Abgasreinigung der dreckigen Verbrenner wäre in diesem Bereich für die Menschen und den Planeten am Besten, bis die Verbrenner ganz weg sind.

Markus

09.07.2021, 15:10

Ein Verkehrskonzept aus dem 19. Jahrhundert ist einfach nicht zeitgemäß. Autofahren für private Zwecke sollte komplett verboten werden. Die notwendigen Alternativen ergeben sich dann von selbst. Der große Schwachsinn, dass jeder glaubt ein eigenes Fahrzeug zu brauchen, was 99% der Zeit im Weg rum steht, Parkraum und sonstige Ressourcen verbraucht, ist leider nicht so ohne Weiteres aus den Köpfen der Menschen zu bekommen. Der Verkehrssektor ist da auch nur exemplarisch heranzuziehen, wir müssen im Grunde auf ganzer Ebene deutlich ressourcenschonender leben, leider passt das aber nicht zum Märchen vom unendlichen (Wirtschafts)Wachstum.

Alex S.

07.07.2021, 10:37

Der Preis für fossile Kraftstoffe sollte viel schneller steigen. Solange die Preise immer noch günstiger als die Nutzung der ÖPNV (wenn vorhanden), wird sich niemand auf eine Alternative einlassen. Ich sehe jeden Tag so viele Leute nur zum Spaß die Luft, die Menschen und diesen Planeten verschmutzen, das ist unvorstellbar. Aber die Alternativen müssen mehr gefördert werden und damit meine ich nicht die dreckigsten - die Plug-in-Hybride. Batterie-Elktrische Autos sind dabei der richtige Weg hin zum Brennstoffzellen-Wasserstoff-Auto. Ich selbst fahre seit vier Jahren elektrisch für 3,60€ auf 100 Km, bin aber auch schon den Toyota Mirai gefahren, Klasse! Das wollen die deutschen Vorstandsbosse und Aktionäre der deutschen China-Zusammenbauteile-Industrie nicht. Hier sollte aber auch nicht alles zusammen geworfen werden. Die fossilen Heizstoffe sollten dabei eine Übergangszeit bekommen, da man von den fossilen hier nicht so schnell wegkommt. Das würde bei den vielen sozial schwachen die Haushaltskassen der Kommunen belasten. Hier muss weiter in die Erneuerbaren Energien investiert werden, damit die Möglichkeit zur Umstellung auf E-Heizung und andere Technologien Kurs genommen werden kann. Durch einen Ausbau in die erneuerbaren werden auch "Grüne Wasserstoff-Projekte" immer wirksamer und damit auch die Alternativen zum Heizen. Wenn "Grüner Wasserstoff" in größeren Mengen erschwinglich wäre, würde ich mir einen Tank in den Vorgarten bauen lassen, um meine Brennstoffzellen-Heizung damit zu speisen. Hört also auf die erneuerbaren zu bremsen. Ihr schadet dem Volk damit.

C. Buschbeck

07.07.2021, 09:03

Zustimmung - weitgehend. Aber was soll mit der höheren KFZ-Steuer für "hoch motorisierte, schwere Fahrzeuge" erreicht werden? Vielleicht verzichten einzelne auf die Anschaffung, aber die übrigen haben keinen Anreiz, sparsam zu fahren, die Steuer ist ja eh bezahlt. Entweder man verbietet solche Fahrzeuge also (was sehr weit in die persönliche Freiheit eingreifen würde, für mich zu weit), oder man belässt es bei der Erhöhung des Spritpreises. "Hoch motorisiert" heißt nichts zwangsläufig, dass viel verbraucht wird; dass kann auch der gemütlich und eher selten fahrende Senior sein, der sich in einem großen Auto sicherer fühlt oder es sich einfach "gönnt". Und generell sollte der Staat mit Ordnungsrecht sorgsam umgehen. Das ist im Detail nicht einfach und kann leicht zu unerwünschten Nebeneffekten führen.

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