Das Ganze im Blick? Über den Lebenszyklus eines Gebäudes
Wer in den Urlaub fährt, kümmert sich normalerweise um An- und Abreise, eine passende Ausrüstung, ggf. Impfungen und um eine nette Begleitung. Es gibt also durchaus wichtige Punkte, die außer dem Urlaubsort und der Unterbringung geklärt werden müssen.
Wer ein Haus baut, denkt vor allem an Größe, Ästhetik und vor allem an die Kosten. Viele Menschen machen sich natürlich auch Gedanken über Energieverbrauch und -kosten. Dabei beschränken sich die Gedanken aber allzu oft nur auf die Phase, in der das Gebäude benutzt wird. Aber was ist mit der Herstellung der Baustoffe und der Technik? Wie sieht es mit der Bauwerkserrichtung aus? Und was passiert, wenn das Gebäude sein Lebensende erreicht hat?
Seit der Wärmeschutzverordnung 1977 sind die Energieverbräuche von Neubauten drastisch zurückgegangen. Ab 2021 dürfen EU-weit nur noch sogenannte Niedrigstenergiegebäude gebaut werden. So richtig und wichtig es ist, den Energieverbrauch von Gebäuden zu minimieren und den restlichen Energiebedarf durch erneuerbare Energien zu decken, so wichtig ist es mittlerweile aber auch, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes anzuschauen – wenn man es mit Umwelt- und Klimaschutz ernst nimmt.
Der Bau neuer Gebäude verbraucht immense Ressourcen – Fotos: D. Püschel
In früheren Zeiten bestimmte vor allem die Nutzungsphase eines Gebäudes seine Umweltbelastung. Die Verbrennung von Kohle, später Erdöl und vor allem Erdgas sorgten für hohe Emissionen, vor allem von Kohlendioxid. Durch die geringen Energieverbräuche und die effiziente Heiztechnik heutiger und zukünftiger Neubauten sinken die Umwelt- und Klimabelastungen deutlich – nahezu auf null. Doch wie werden die geringen Energieverbräuche möglich? Durch dick gedämmte Wände und viel Technik. Das ist auch meist notwendig. Doch auch die Baumaterialien und die Haustechnik wachsen nicht auf Bäumen. Mit immensen Energie- und Materialaufwand werden alle „Bausteine“ eines Gebäudes heutzutage hergestellt.
Wir befinden uns derzeit an einer Schwelle, an der die Herstellung der Baumaterialien und der Haustechnik mehr Umweltbelastung und CO2-Emission mit sich bringt, als die Nutzung des Gebäudes in 50 oder gar 100 Jahren. Konnte die Umweltbelastung der Baustoffe und der Technik bislang vernachlässigt werden, trifft das durch die enorm gestiegene Bedeutung ab jetzt nicht mehr zu!
Nun gilt es vielmehr, diese sogenannte „graue Energie“ in den Blick zu nehmen und zu reduzieren. Es gilt, die geringen Energieverbräuche und CO2-Emissionen in der Gebäudenutzung nicht mit immer stärker qualmenden Schornsteinen bei den Baustoffherstellern zu erkaufen! Der Bedarf an immer komplexeren Baustoffen steigt, um energieeffiziente Gebäude errichten zu können.
Eine Lebenszyklusbetrachtung schaut auf die Umweltbelastung und auch auf die Kosten von der Baustoffherstellung, über die Errichtung und Nutzung des Gebäudes bis hin zum Umbau oder Rückbau eines Gebäudes. Was nützt es dem Klima, wenn die CO2-Emissionen nur in die Herstellungsphase verschoben, aber nicht reduziert werden? Was nützt es der Umwelt, wenn der Ressourcenverbrauch zu Gunsten der Energieeinsparung massiv anwächst? Und was nützt es dem Geldbeutel, wenn unökologische Baustoffe bei einer Sanierung oder dem Rückbau aufwändig und teuer entsorgt werden müssen, wie es derzeit bei Styropor-Dämmstoffen mit HBCD passiert und wie wir es bei Asbest noch immer beobachten?
Die Auswahl langlebiger, möglichst ökologischer Baustoffe, die Verwendung von wenig, aber hocheffizienter Technik und eine Rückbaufähigkeit, die den Stoffkreislauf schließt, sind notwendig, um die Umweltbelastung von Gebäuden auf ein Maß zu reduzieren, dass die Natur und das Klima nur minimal belasten.
Weitere Informationen zur Energieeffizienz und Gebäudesanierung auf NABU.de
- Versteckter Energieverbrauch - 25. November 2020
- Mir ist ein Licht aufgegangen - 23. April 2020
- „Endlich Sommer! Lass uns die Heizung austauschen!“ - 15. Juli 2019
2 Kommentare
Daniel Finocchiaro
06.07.2016, 21:41Hallo Danny, Ich sehe eine große Gefahr, dass dein Artikel falsch verstanden werden kann. Ich kenne leider sehr viele Menschen, die die ersten drei viertel deines Artikels lesen würden und sich danach bestätigt fühlen, dass das dämmen von Häusern Blödsinn sei. Du schreibst:"Doch auch die Baumaterialien und die Haustechnik wachsen nicht auf Bäumen." Und gerade das ist der Fall. Es ist gar kein Problem ein perfekt gedämmtes Passivhaus aus Holz und Altpapier zu bauen, welches fast keine Energie mehr verbraucht. Und das auch noch mit einem sehr geringen Anteil von grauer Energie. Deine Grafik ist allgemein gesehen einfach falsch. Das ganze ist extrem von der Baustoffwahl abhängig und lässt sich pauschal überhaupt gar nicht bewerten. Mit einem vernünftigen und nachhaltigen Konzept baut man ganz einfach Null Energie Häuser mit super wenig Herstellung Energie. Ziegelhäuser mit Styropor einzupacken kann da kein Weg sein, das sehe ich genauso wie Du. Das kommt in deinem Artikel aber leider wirklich nicht rüber. Schöne Grüße
Danny Püschel
07.07.2016, 10:21Hallo Daniel, vielen Dank für Deinen wertvollen Kommentar. Du hast natürlich vollkommen Recht. In meinem Blog-Beitrag habe ich bewusst nur eine Perspektive dieses vielschichtigen und komplexen Themas angesprochen. Dass die Baumaterialien nicht auf Bäumen wachsen ist genauso richtig wie falsch. Wie Du ja beschreibst, gibt es sehr gute (Passiv-)Hauskonzepte aus Recyclingstoffen oder nachwachsenden Rohstoffen, die über sehr geringe Graue Energie und einen negativen Carbon-Footprint verfügen. Doch leider wird die große Mehrheit der Gebäude (noch) mit anderen, ökologisch nicht optimalen Baustoffen gebaut. Insofern spiegelt meine Grafik den derzeitigen Stand dar – und daran muss sich ja etwas ändern. Wie Du ja auch richtigerweise schreibst, kann man bereits jetzt mit einem vernünftigen und nachhaltigen Konzept Gebäude bauen, die (nahezu) Null Energie verbrauchen und eine sehr geringe Graue Energie aufweisen. Meine Grafik stellt, wie es sich entwickelt, wenn wir weiterhin so bauen, wie bisher. Durch kluge nachhaltige Konzepte soll dieser Trend eben gebrochen werden. Wichtig ist, darüber zu reden, aufzuklären und das Problembewusstsein zu wecken. Dazu soll mein Blogeintrag seinen Beitrag leisten. Viele Grüße, Danny