Zähe Diskussionen um das Gentechnikrecht auf EU-Ebene
Biodiversität und Biolandwirtschaft sehen einer ungewissen Zukunft entgegen: Am vergangenen Mittwoch fanden zwei wichtige Abstimmungen auf EU-Ebene statt, wie zukünftig der Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen in der EU geregelt werden soll.
Der Regulierungsvorschlag der EU-Kommission, der bereits im Sommer veröffentlicht wurde, bietet keine ausreichenden Lösungen, um die Interessen des Natur- und Umweltschutzes sowie der gentechnik-frei wirtschaftenden Landwirt*innen und Lebensmittelwirtschaft zu wahren.
Käme der Verordnungsvorschlag durch, würden Analysen des BfN zufolge 94 Prozent der in der Entwicklung befindlichen neuen Gentechnik-Pflanzen dereguliert werden.
Das bedeutet:
- Aushebelung des EU-Vorsorgeprinzips,
- keine verpflichtende Risikoprüfung,
- keine wirksamen Anbau- und Koexistenzregelungen,
- keine Haftung im Schadensfall,
- Transparenz und Wahlfreiheit stehen auf dem Spiel,
- keine Klärung der Frage, wie Patente auf Saatgut und Lebensmittel rechtssicher verhindert werden können.
Zähe Diskussionen und schwierige Kompromisse
Nicht nur das EU-Parlament, sondern auch der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten des Rates (AStV) versuchte einen Kompromiss zum Kommissionsvorschlag zu finden. Die Mitgliedsstaaten konnten sich bisher mit keiner qualifizierten Mehrheit auf eine gemeinsame Position zum Kommissionsvorschlag einigen. Es blieben offene Fragen rund um die Klärung des Patentrechtes und zu EU-weit einheitlichen Koexistenzregeln.
Anders als der AStV einigte sich das EU-Parlament und stimmte dabei mehrheitlich für den Vorschlag der EU-Kommission, die Neuen Gentechniken weniger streng zu regulieren. Das sind keine erfreulichen Nachrichten für das europäische Vorsorgeprinzip sowie den Umwelt- und Naturschutz.
Kleine Hoffnungsschimmer
Das EU-Parlament stimmte jedoch auch wichtigen Änderungsanträgen zu, die entscheidend für die zukünftige Sicherung von Wahlfreiheit und Transparenz für Verbraucher*innen sind: Beschlossen wurden eine dokumentationsfähige Rückverfolgbarkeit und eine Kennzeichnungspflicht für Lebens- und Futtermittel, die mit Neuer Gentechnik hergestellt wurden. „Neuartige genomische Verfahren“ soll dann auf dem Etikett stehen. Hinzu kommt, dass Saatgut der Kategorie 1 auch wieder verboten werden könnte, wenn unerwartete Risiken auftauchen.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Trilog-Verhandlungen können erst starten, wenn auch der Ministerrat der EU-Staaten eine gemeinsame Position gefunden hat. Es gilt als unrealistisch, dass dies noch vor der Europawahl im Juni geschehen wird. Der Trilog müsste bis Ende Februar abgeschlossen sein, damit die Verordnung bis zur letzten Sitzung des Parlaments dieser Legislatur verabschiedet werden könnte. Damit könnte das Tempo in diesem schnellen Prozess gedrosselt werden. Es bliebe mehr Zeit, zentrale Fragen rund um Koexistenz, Wahlfreiheit und Patente grundlegend zu klären.
Weitere Links zum Thema:
Verbändeposition: Keine Deregulierung neuer Gentechnik-Verfahren
Detailliertere Erklärung zum Kommissions-Vorschlag: Aufweichung des EU-Gentechnikrechts bedroht Natur, Landwirtschaft und Verbraucher*innen
Gentechnik-Petition: Kennzeichnung und Regulierung aller Gentechnik-Pflanzen erhalten
- Zähe Diskussionen um das Gentechnikrecht auf EU-Ebene - 9. Februar 2024
3 Kommentare
Harald Tillmann
05.06.2024, 02:34Ein wichtiger Aspekt, der in der aktuellen Gentechnik-Diskussion keine Berücksichtigung findet, ist, dass nach einer gentechnischen Veränderung eines Organismus ein relativ hohes Risiko besteht, dass die Vitalität dieses Organismus' durch den Eingriff sinkt. Zum Beispiel dadurch, dass das fremd exprimierte Protein Bindungseigenschaften an andere zelluläre Proteine hat und diese in ihrer Aktivität negativ beeinflusst. Oder dadurch, dass die neu exprimierte mRNA teilkomplementär zu einer zellulären mRNA ist und diese deshalb durch Bindung inaktiviert bzw. sie wird durch die zellulären Enzyme, die doppelsträngige RNAs zerstören "Antisense-RNA-Systeme"), vernichtet!
AntwortenJo
09.02.2024, 19:54Es muß zwingend geklärt werden, wer haftet bei genmanipulierten Pflanzen/Tieren. Wer trägt die gesundheitlichen Kosten. Alle genmanipulietreten Pflanzen müssen vorab auf gesundheitliche Risiken abgeklärt werden. Ich brauche/mag keine künstliche Kartoffel. Lehne künstliches Fleisch ab. Ich habe/lehne die EU verbrecherische Bevormundung satt. Eine Tomate, die nicht nach Tomate schmeckt, die nur vortäuscht eine Tomate zu sein kann weg. Ich kaufe keine Hollädische aus dem Treibhaus.
AntwortenVolkmar Lehmann
09.02.2024, 17:17Mein Eindruck ist, das hier gegen neue Entwicklungswege und für viel Regulierung eingetreten wird. Das hilft einer ökologischen Landwirtschaft vielleicht ideologisch, aber kaum wirtschaftlich. Man sollte sich lieber für eine ökologische Gentechnik einsetzen. Das scheint mir kein Widerspruch zu sein, vor allem aber besser als konventionelle intensive Landwirtschaft.
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