Mir ist ein Licht aufgegangen

Mir ist ein Licht aufgegangen

Mich erreichen des Öfteren Anfragen zum Thema Beleuchtung. Wie sieht eine insektenfreundliche Beleuchtung aus? Was kann ich an meinem Haus tun? Unsere Kommune modernisiert die Straßenlaternen. Was gibt es da zu beachten?

Bislang habe ich mich noch (zu) wenig mit diesem spannenden Themenfeld befassen können. Ein erster Blick ins Internet und in andere Publikationen zeigt: uff! Das ist ja doch etwas komplexer und komplizierter als gedacht.

Ziemlich schnell bin ich aber auf eine ausgesprochene Expertin auf diesem Gebiet gestoßen. Und die lebt und arbeitet auch noch in derselben Stadt wie ich. Also habe ich Frau Dr. Sibylle Schroer angerufen und sie gefragt, ob sie etwas Zeit für mich hat und mir ein paar Fragen beantworten kann. Ziemlich schnell und sehr freundlich hat mir Frau Dr. Schroer einen Gesprächstermin angeboten und sich mit mir und meinem Kollegen Sebastian Kolberg (unser Bat-Man) zusammengesetzt. Sie konnte all unsere Fragen hoch kompetent und anschaulich beantworten. Danke Frau Dr. Schroer!

Bevor ich euch die Antworten auf unsere Fragen vorstelle, möchte ich gerne noch kurz Frau Dr. Schroer vorstellen:

Dr. Sibylle Schroer arbeitet am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei am Müggelsee in Berlin. Sie ist dort Projektkoordinatorin in der „Arbeitsgruppe Lichtverschmutzung und Ökophysiologie“ und derzeit verantwortlich für das Projekt „Artenschutz durch umweltverträgliche Beleuchtung –Tatort Straßenbeleuchtung“ sowie für das Netzwerk „Verlust der Nacht“.  Ihr Wissen und ihre Erfahrung hat sie auch in den aktuellen BfN-„Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen“ eingebracht. Vor allem dadurch bin ich auch auf sie aufmerksam geworden.

So viele Fragen!

NABU: Liebe Frau Dr. Schroer, vielen Dank, dass Sie sich für den NABU Zeit nehmen, um etwas Licht ins Dunkle zu bringen! Warum ist Lichtverschmutzung überhaupt ein Thema?

Sibylle Schroer: Elektrische Beleuchtung, die unsere Außenräume erhellt, gibt es erst seit ungefähr 130 Jahren. In den letzten Dekaden hat das künstliche Außenlicht in seiner räumlichen Verteilung und in der Beleuchtungsstärke stark zugenommen. Das bedeutet, dass Lebensräume mit natürlichen nächtlichen Verhältnissen immer seltener werden. Das natürliche nächtliche Licht wird durch künstliches Licht verschmutzt. Das raubt nicht nur die Sicht auf die Sterne, sondern verändert auch die Bedingungen für dämmerungs- und nachtaktive Tiere, die ihre Sinne evolutionär auf die Schwachlichtbedingungen der Nacht eingestellt haben.

NABU: Verstehe. Licht ist also nicht gleich Licht. Und das menschgemachte schonmal gar nicht. Können Sie uns ein paar Beispiele nennen, bei denen Licht die Natur, vor allem die Tiere, beeinflusst? Woher kommt dieser Einfluss und wie wirkt er?

Sibylle Schroer: Licht ist nicht neutral – auf einige Organismen wirkt es anziehend auf andere abschreckend, dadurch können sich Ökosysteme und wichtige Räuberbeute-Beziehungen in Nahrungsnetzen verzerren. Zum Beispiel werden nachtaktive Insekten wie von Staubsaugern an künstliche Lichtquellen angezogen, einige wenige Arten können von diesen Quellen profitieren, bevorzugen dann aber eher die weicheren Arten, wie Falter statt stark gepanzerten Käfer. Diese Bevorzugung kann dazu führen, dass mehr nächtliche Pflanzenbestäuber konsumiert werden, die für den Erhalt einiger Wildpflanzen wichtig wären. Tagaktive Räuber können länger in die Nacht hinein jagen und ändern dadurch die Bedingungen für einige nachtaktive Tiere. Lichtscheue Arten können beleuchtete Lebensräume teilweise gar nicht nutzen. Von Fledermäusen ist zum Beispiel bekannt, dass sie oft keine Möglichkeit des Trinkens mehr finden, wenn eine zu helle Straßenbeleuchtung sie von ihren Tränken abschneidet.

NABU: Das hört sich ja gar nicht gut an. Woran liegt das, dass wir so sorglos mit Licht in der Natur umgehen? Was hindert uns daran, es besser – naturverträglich – zu machen?

Sibylle Schroer: Licht wird gerne mit Sicherheit, Wohlbefinden und Wohlstand assoziiert. Ein Zuwenig an Licht fällt uns eher auf, als ein Zuviel. Oft entstehen aber Unsicherheiten und Unwohlsein erst durch ein Zuviel an Beleuchtung, weil Licht eben auch Schatten wirft. Eine gleichmäßige Beleuchtung mit möglichst geringem Beleuchtungsstärkeniveau bietet die besten Voraussetzungen, Angsträume oder Schwellen des Unwohlseins zu verhindern. Diese entstehen nämlich dann, wenn man aus einem beleuchteten in einen unbeleuchteten Raum tritt. Eine maßvolle Beleuchtung steht aber oft im Konflikt nach dem Wunsch helle, ausgeleuchtet Räume zu schaffen, in denen der Mensch auch Farben gut erkennen kann und möglichst wenig Schatten erfährt.

NABU: Es gibt also – wie so häufig im Naturschutz – Zielkonflikte. Können Sie das bitte genauer beschreiben?

Sibylle Schroer: Um Zielkonflikte zu lösen fehlt es oft an einer interdisziplinären Zusammenarbeit. Beleuchtungsanlagen werden bestenfalls von Lichtplanerinnen bzw. Lichtplanern geplant, chronobiologische oder ökologische Expertisen werden bei Lichtplanung nur sehr selten zu Rate gezogen. Die Interessen fokussieren dann nur darauf, den zu beleuchtenden Raum möglichst hell zu gestalten. Der Erhalt natürlicher Nachtlandschaften und natürlich dunkler Räume kann erst durch das Zusammenwirken aus ökologischen, chronobiologischen und ingenieurtechnischen Zielen ermöglicht werden.

NABU: Jaja, die Zusammenarbeit! Damit haben wir uns in einem anderen Artikel auch schonmal befasst. Aber zurück zum Thema: In Ihrem Leitfaden geben Sie auch Handlungsempfehlungen ab. Es gibt also Lösungen und gute Beispiele? Welche?

Sibyle Schroer: Ja es gibt umweltverträgliche Beleuchtungslösungen und die sind oft nicht mal teuer. Im Grunde sollte bei Neuinstallationen immer hinterfragt werden, ob die Beleuchtung auch wirklich benötigt wird, zu welchem Zweck und in welchen Zeiträumen. Demnach sollten sie bedarfsgerecht eingestellt werden, und der Leitsatz befolgt werden, so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Gute Praxis für umweltverträgliche Beleuchtung werden durch die Leitlinien der internationalen Darksky Association (IDA) geboten, die Dunkelgebiete mit besonders erhaltenswerten Nachthimmeln zertifiziert und Bürgerinnen und Bürger motiviert, diese zu schützen. In Deutschland gibt es mittlerweile vier dieser zertifizierten Sternenparks, das Biosphärenreservat der Rhön, der Naturpark Westhavelland, der Nationalpark Eifel und die Winkelmoosalm. Außerdem ist seit Beginn letzten Jahres Fulda als erste Sternenstadt in Deutschland zertifiziert worden.

Auch im privaten Bereich kann man viel für den Schutz von Nachtlandschaften und dämmerungs- bzw. nachtaktiven Wildtieren tun. Kugelleuchten, die in alle Richtungen abstrahlen, und nicht abschaltbare Garten- und Balkonbeleuchtung sollte vermieden werden, weil sie Lebensräume stark beeinträchtigen. Wenn Beleuchtung eingeschaltet wird, dann nur zu den Zeiten, wenn wir wirklich die Außenräume nutzen und auch nur auf den Flächen, auf denen die Beleuchtung benötigt wird. Fassaden und Pflanzenbeleuchtungen aus ästhetischen Zwecken sollte vermieden oder auf Zeiten beschränkt werden, wenn sie wirklich wahrgenommen werden.

Viel zu viel, unkontrolliert und in der falschen Farbe: schlechte Beleuchtung

Viel zu viel, unkontrolliert und in der falschen Farbe: schlechte Beleuchtung (Illustration: Rainer Stock / COST Aktion LoNNe ES1203 (2016))

 

Fokussiert, sparsam, orange: gute Beleuchtung

Fokussiert, sparsam, gelblich: gute Beleuchtung (Illustration: Rainer Stock / COST Aktion LoNNe ES1203 (2016))

NABU: Der BfN-„Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen“ klärt über Lichtverschmutzung und die Auswirkungen von künstlichem Licht auf Flora und Fauna auf. Außerdem finden sich dort rechtliche Anforderungen an Außenbeleuchtungen und eine ganze Reihe von Handlungsempfehlungen. Gibt es noch weitere Literatur oder Angebote im Internet, die Sie uns empfehlen können?

Sibylle Schroer: Durch den unermüdlichen Einsatz von Prof. Andreas Hänel, ehemaliger Leiter des Planetariums der Stadt Osnabrück, konnten in Deutschland so viele Sterneparks erfolgreich zertifiziert werden. Die von ihm betriebene Webseite bietet viele hilfreiche Informationen für den Erhalt natürlicher Nachtlandschaften: lichtverschmutzung.de.

Weiterhin hat das Biosphärenreservat der Rhön unter der Federführung von Sabine Frank einige hilfreiche Broschüren herausgegeben: https://www.biosphaerenreservat-rhoen.de/natur/sternenpark-rhoen/umweltvertraegliche-beleuchtung/.

Auch das Projekt „Sternenpark Schwäbische Alm“ macht sich für den Erhalt von Nachtlandschaften mit besonders guten Illustrationen stark: https://www.sternenpark-schwaebische-alb.de/

Unsere Netzwerk-Seite „Verlust der Nacht“ bietet weitere Links zu hilfreicher Literatur: http://www.verlustdernacht.de/literatur-links.html.

Nicht zu vergessen ist natürlich unser Projekt „Artenschutz durch umweltverträgliche Beleuchtung –Tatort Straßenbeleuchtung

NABU: Das ist alles sehr interessant! Aber auch viel. Ich würde gerne die wichtigsten Punkte für eine umweltverträgliche Beleuchtung zusammenfassen. Können Sie mir dabei helfen?

Sibylle Schroer: Im Wesentlichen gilt es drei Punkte zu beachten, um die Umweltwirkung von Beleuchtung so gering wie möglich zu halten:

  1. Die Beleuchtungsstärke sollte so gering wie möglich gewählt und auf den Bedarf abgestimmt werden. Optimaler Weise kann die Beleuchtungsstäre durch eine technische Stärkeregulierung standortgenau angepasst werden.
  2. Der Abstrahlungswinkel von Leuchten muss so eingestellt sein, dass sie wirklich nur dort beleuchten, wo das Licht benötigt wird. Licht, das in den Himmel oder in die Horizontale abstrahlt erhellt Nachtlandschaften über weite Bereiche, weil das nach oben und in flachen Winkeln abgestrahlte Licht atmosphärisch streut, also zu den sogenannten Lichtdomen über Siedlungsbereichen, übermäßig beiträgt.
  3. Das Licht sollte einen möglichst geringen Blauanteil haben, weil dieser kurzwellige Anteil des Lichtes das zirkadiane System, also den tageszeitlichen Rhythmus, höherer Wirbeltiere am meisten beeinflusst und mehr Insekten anzieht. Langwelliges, warmweißes bis bernstein- oder orange-farbenes Licht ist für den Außenraum am besten geeignet. Oder technisch ausgedrückt, Farbtemperaturen unter 3.000 Kelvin sollten für den Außenraum genutzt werden.
Richtige Beleuchtung: geringe Lichtstärke, nur dort beleuchtet, wo es nötig ist, geringer Blauanteil.

Richtige Beleuchtung: geringe Lichtstärke, nur dort beleuchtet, wo es nötig ist, geringer Blauanteil. (Illustration: Rainer Stock / COST Aktion LoNNe ES1203 (2016))

 

Falsche Beleuchtung: zu hohe Lichtstärke, rundherum beleuchtet, zu hoher Blauanteil.

Falsche Beleuchtung: zu hohe Lichtstärke, rundherum beleuchtet, zu hoher Blauanteil. (Illustration: Rainer Stock / COST Aktion LoNNe ES1203 (2016))

NABU: Vielen Dank Frau Dr. Schroer. Das war sehr erhellend ;). Wir werden nun gerne diese drei Punkte berücksichtigen und den Tieren und Pflanzen – und auch den Menschen –  etwas mehr Nacht zurückgeben.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer spannenden Arbeit und würden uns freuen, wenn Sie uns bei Gelegenheit die Ergebnisse Ihrer Feldforschung vorstellen könnten.

 


Mehr Informationen zur ökologischen Stadtbeleuchtung zum Nachlesen und Downloaden gibt es auf NABU.de sowie im NABU-Flyer umweltfreundliche Stadtbeleuchtung.

 

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Danny Püschel
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