Bundesrat beschließt GAP-Umsetzung: Verpasste Chancen für die Artenvielfalt

Bundesrat beschließt GAP-Umsetzung: Verpasste Chancen für die Artenvielfalt

 

Die Verordnungen zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in Deutschland wurden am vergangenen Freitag, dem 17.12.2021, vom Bundesrat beschlossen. Damit kann Deutschland nun seinen Umsetzungsplan (Nationaler Strategieplan für die Jahre 2023-2027) bis Ende des Jahres in Brüssel zur Genehmigung vorlegen. Im Folgenden analysieren wir den Stand der Dinge aus Naturschutzsicht. 

Im Oktober waren die ersten Entwürfe zur sogenannten GAP-Konditionalitätenverordnung und zur GAP-Direktzahlungsverordnung vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) veröffentlicht worden. Seitdem wurde intensiv mit dem Bundesumweltministerium (BMUV), den neuen Ampel-Koalitionären und den Bundesländern verhandelt. Dabei zeichneten sich deutliche Verbesserungen ab – zuletzt gerade durch Änderungsanträge einzelner Bundesländer. Die meisten davon wurden jedoch im Plenum des Bundesrats abgelehnt. Angesichts der Hoffnungen, die die neue Bundesregierung derzeit verbreitet, ist das eine Enttäuschung und eine verpasste Chance für die Verbesserung unserer Artenvielfalt in der Agrarlandschaft.  Dennoch wird die GAP-Umsetzung einige wichtige Verbesserungen für Vögel, Insekten und Ökosysteme bringen. Außerdem ist das letzte Wort noch nicht gesprochen – die EU-Kommission muss den Plan 2022 noch genehmigen und wird wohl Nachbesserungen verlangen.

Die Konditionalität (GLÖZ-Standards)

In der “GAP-Konditionalitätenverordnung” werden die neun sogenannten GLÖZ-Standards (Guter Landwirtschaftlicher und Ökologischer Zustand) neu definiert. Sie regeln die einzuhaltenden Bedingungen, um als Betrieb überhaupt fördermittelberechtigt zu sein. Die meisten davon gab es unter den Begriffen „Cross-Compliance“ und „Greening“ schon in der letzten Agrarförderperiode (die noch bis Ende 2022 läuft), einige wurden jedoch erweitert und ergänzt. Hier wird zum Beispiel geregelt, dass die Fläche des gesamten Dauergrünlands in Deutschland nicht um mehr als vier Prozent sinken darf – Landwirt*innen sind verpflichtet jeden Umbruch von Dauergrünlandumbruch gesondert zu beantragen (GLÖZ1). Neu ist der Schutz von Mooren und Feuchtgebieten. Aus Sicht des NABU geht dieser Standard leider nicht weit genug- es werden keine Regeln zur Bewirtschaftung aufgestellt, sondern die Betriebe werden lediglich dazu verpflichtet, wasserrechtliche Eingriffe (z.B. Entwässerung) vorher zu beantragen. Moore werden oft intensiv bewirtschaftet und emittieren große Mengen an Treibhausgasen. Sie sind für 40 Prozent der Emissionen der Landwirtschaft verantwortlich. Eine schonende Bewirtschaftung könnte nicht nur Emissionen verhindern, sondern langfristig sogar zu einer CO2-Senke führen und somit einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz bedeuten.  Die Klima-Bilanz der GAP-Umsetzung ist insgesamt äußerst dürftig.

Weitere GLÖZ Standards machen Vorgaben zu Gewässerrandstreifen, zum Erosionsschutz, zur Mindestbodenbedeckung im Winter, zum Fruchtwechsel und zu nicht-bewirtschafteten Flächenanteilen.

Letztere (GLÖZ 8) sind besonders bedeutsam für den Erhalt der Artenvielfalt. Hinter diesem sperrigen Begriff verstecken sich Hecken, Sölle, Feldränder und Brachen, – jene Flächen und Strukturen, die kaum noch in unserer Landschaft zu finden sind- nur noch zu 1,5-2 Prozent – obwohl aus wissenschaftlicher Sicht mindestens zehn Prozent notwendig wären. Der neu definierte GLÖZ 8 legt fest, dass jeder landwirtschaftliche Betrieb vier Prozent seiner Ackerfläche diesen Artenvielfalt-Hotspots widmen muss. Das ist immerhin eine Verdopplung der aktuellen Fläche. Im bisherigen Greening war auf diesen ökologischen Vorrangflächen auch der Anbau von Zwischenfrüchten erlaubt, anfangs sogar mit Pestiziden. Es ist anzunehmen, dass die nächsten Jahre deshalb eine Verbesserung zum Beispiel für das Rebhuhn bringen werden, das aus vielen Landschaften bereits verschwunden ist.

Als Zusatz gibt es für diese „Landschaftselemente“ noch eine sogenannte „Ökoregelung“ – mit ihr können die Betriebe freiwillig bis zu sechs weitere Prozent ihrer Ackerfläche als Brache oder Blühstreifen deklarieren und dafür eine Prämie erhalten, die entfallende Erträge ausgleicht. Unglücklicherweise werden hierbei Blühstreifen höher honoriert als echte Brachen, obwohl die Wirkung von eingesäten Flächen auf die Artenvielfalt nicht so positiv ist wie die von sich selbst begrünende Brachen. Begrüßenswert ist, dass über diese Ökoregelung auch Altgrasstreifen gefördert werden- denn im Grünland fehlen nicht-bewirtschaftete Flächen gänzlich. Altgrasstreifen können ein wichtiges Refugium für Insekten darstellen.

Die Ökoregelungen (freiwillige Anreize für Betriebe)

In der “GAP- Direktzahlungsverordnung” werden die Ökoregelungen ausgestaltet. Es wird in Deutschland neben dem schon beschriebenen „top-up für GLÖZ 8“ sechs weitere Ökoregelungen geben: Fruchtfolge (5 Kulturen, 10 Prozent Leguminosen), Beibehaltung Agroforstsysteme, extensive Grünlandbewirtschaftung, Grünlanderhalt über Kennarten, Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, Natura- 2000-Bonus. Aus NABU-Sicht ist grundsätzlich positiv zu bewerten, dass keine der Ökoregelungen echtes “Greenwashing” darstellt oder sogar schädlich für Natur und Umwelt ist. Was selbstverständlich sein sollte ist in anderen EU-Ländern leider nicht immer der Fall, wie  eine Auswertung von Birdlife Europe zeigt).

Besonders effektiv werden die deutschen Ökoregelungen aller Voraussicht nach jedoch nicht sein, zum einen weil sie nur für einjährige Maßnahmen ausgelegt sind. Vor allem aber sind die Prämienhöhen nicht attraktiv genug um für echten Wandel in der Agrarlandschaft zu sorgen. Maßnahmen wie zur Fruchtfolge und zur extensiven Grünlandbewirtschaftung werden voraussichtlich nur solche Betriebe in Anspruch nehmen wollen, die dafür wenig bis gar nichts in ihrer bisherigen Praxis ändern müssen, ein klassischer Mitnahmeeffekt droht. Prämien für den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel klingen zwar gut, doch gilt die Maßnahme nur für Sommerkulturen wie Mais, Sommerhafer und Zuckerrübe. In Deutschland wird aber überwiegend Wintergetreide angebaut. Außerdem bauen sich Pestizidrückstände über mehrere Jahre ab, so dass ein einjähriger Verzicht auf einer bestimmten Fläche nur begrenzt sinnvoll ist.

Aus Sicht des NABU sind die Ökoregelungen eine Chance, Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft zu honorieren und damit einen Wandel hin zu mehr Naturverträglichkeit der Landwirtschaft anzustoßen. Die finanzielle Unterstützung muss dafür aber attraktiv sein und verglichen mit der vorherigen Nutzung zusätzliches Einkommen für die Betriebe generieren. Mit dem aktuellen Budget, dass die Regierung den Ökoregelungen zugesteht, ist das aber nicht gegeben. Nur 23 Prozent der GAP-Direktzahlungen (also der sog. Erste Säule) sollen in Ökoregelungen umgewidmet werden. Das Europäische Parlament hatte, wie der NABU auch, einen Anteil von mindestens 30 Prozent gefordert. Bis 2027 sollen also weiterhin 77 Prozent der Ersten Säule (über 3,7 Mrd. EUR jährlich) und damit deutlich über der Hälfte des gesamten GAP-Budgets pauschal pro Fläche ohne Berücksichtigung der Naturverträglichkeit eines Betriebes verteilt werden. Ein Anreiz zum „business as usual“, der den Empfehlungen der Wissenschaft genauso widerspricht wie dem in der Zukunftskommission Landwirtschaft gefundenen Konsens, nach dem diese Pauschalsubventionen bis spätestens 2034 ganz verschwinden sollten.

Wie geht es weiter?

Im kommenden Jahr wird die Europäische Kommission den Nationalen Strategieplan Deutschlands (einschließlich der Programme der Bundesländer für die Gelder der Zweiten Säule) und der anderen Mitgliedstaaten prüfen, erst nach der Genehmigung kann er am 1.1.2023 in Kraft treten. Aus Sicht des NABU sind noch erhebliche Verbesserungen notwendig – wenn EU-Kommission, die neue Bundesregierung und die Bundesländer ihre Klima- und Biodiversitätsziele wirklich ernst nehmen und auch in der Agrarlandschaft erreichen wollen. Schließlich droht in zwei Jahren sogar eine Verurteilung Deutschlands durch den Europäischen Gerichtshof – wegen des Verlusts an artenreichem Grünland. Um diesen peinlichen Rückschlag für die Ampelkoalition zu vermeiden müssen Bund und Länder hier massiv nachbessern und gerade für die Wiederherstellung artenreicher Wiesen und Weiden bessere Anreize bieten. Der NABU bleibt am Ball und wird hierzu eine Reihe von Vorschlägen machen.

Welche Chancen haben die Bundesländer verspielt?

In der folgenden zugegebenermaßen recht technischen Tabelle zeigen wir einige der Änderungsvorschläge aus den Ländern, die naturschutzfachlich deutliche Verbesserungen bedeutet hätten, im Bundesratsplenum  aber abgelehnt wurden. Man sieht, auch nach dem Regierungswechsel in Berlin sind noch viele Bremser am Werk, aus aus den eigenen Reihen der Ampelkoalition. Die Vorschläge sind jedoch nicht vom Tisch, wir hoffen einige von ihnen bald wieder zu sehen – im Dialogprozess mit der EU-Kommission.

Verabschiedete Regelung Abgelehnter Änderungsvorschlag Kommentar

GLÖZ 2. Schutz von Feuchtgebieten und Mooren:

“Ein Begünstigter, der ab dem 1. Januar 2022 eine Anlage zur Entwässerung von land-wirtschaftlichen Flächen […] neu anlegt, erneuert oder vertieft, hat im Falle einer Kontrolle [….]nachzuweisen, dass die Genehmigung vorliegt, sofern eine solche nach Landesrecht erforderlich ist.”

“ In der Gebietskulisse nach § 11 dürfen Anlagen zur Entwässerung von land-
wirtschaftlichen Flächen weder neu angelegt, erneuert noch vertieft werden”
Ohne die Änderung bringt der neue GLÖZ vom Schutz von Mooren und Feuchtgebieten keine Verbesserungen zum Status Quo. Weiterhin können Eingriffe in die Entwässerungssysteme vorgenommen werden.
GLÖZ3: Pufferstreifen an Gewässern

3m Gewässerrandstreifen (Ohne Dünge- und Pflanzenschutzmittel)

Gewässerrandstreifen auf 5m vereinheitlichen. Zahlreiche Regelungen (GAP, DüngeVO, PflaAnwVO, Wasserhaushaltgesetz) existieren in Deutschland und bilden zusammen einen Dschungel unterschiedlicher Vorgaben. Es wäre Zeit gewesen, diese zu vereinheitlichen und so den Betrieben Klarheit zu verschaffen und gleichzeitig die Gewässer effektiver zu schützen. Je breiter, desto effektiver im Schutz der Gewässer (10m) und als Lebensraum für Insekten (20m).

 

GLÖZ 8: Nicht-bewirtschaftete Flächen

“4 Prozent der Ackerfläche, inklusive Landschaftselemente”

 

Bei Schlägen über 25ha sollen die verpflichtenden 4 Prozent auf demjeweiligen Schlag selbst angelegt werden. Mit der Änderung wäre gewährleistet worden, dass diese wertvollen Flächen gerade auch in in ausgeräumten intensiv genutzten Schlägen (also da, wo sie am meisten gebraucht werden) umgesetzt würdeDern.

 

Grünlanddefinition 

“Gräser müssen auf der Fläche vorherrschen”

 

  1. Grünland soll von der Nutzung her definiert werden und nicht von der pflanzenphysiologischen Zusammensetzung.
  2. Der Anteil von holzartigen Strukturen soll nicht auf 50 Prozent der Fläche begrenzt werden.

 

Beide Änderungen würden eine strukturreiche Landschaft fördern und zum Schutz des artenreichen und nassen Grünlands beitragen. Die Bewirtschaftung von Nasswiesen, die oft zu mehr als 50% von Binsen und Seggen bestanden sind, trägt außerdem zum Klimaschutz bei.
Ökoregelung 1a+b: Brache und Blühstreifen

  1. “Brache ist durch Selbstgrünung oder durch Einsaat anzulegen”
  2. “Blühstreifen sind als Top Up auf den Bracheflächen anzulegen und werden höher prämiert”
  1. Keine Einsaat auf Brachen.
  2. Um der Verschlechterung der Brachen durch einjährige Blühstreifen entgegenzuwirken, sollte eine Regelung eingeführt werden, die besagt, dass eine Bodenbearbeitung erst ab 1.10. des auf das Antragsjahr folgendem Jahr zulässig ist
Brachen haben eine besonders positive Wirkung, wenn die Vegetation natürlich aufkommen kann. Eine Einsaat unterdrückt standorttypische Pflanzen.

Mit dieser Regelung würden die einjährigen Blühstreifen über den Winter stehen bleiben und ihre ökologische Wirkung deutlich verbessern.

Ökoregelung 1d: “Altgrasstreifen dürfen ab dem 1.9. abgemäht werden.”

 

 

Früheste Nutzung ab dem 16.11. Durch diese Regelung hätte sich die Chance erhöht, dass die Streifen auch über die Wintermonate stehen gelassen werden und für die Artenvielfalt Nahrungs- und Lebensraum zur Verfügung stellen kann. Auch in den Wintermonaten fehlen Strukturen für Insekten und Feldvögel.

 

 

2 Kommentare

Jürgen Reckin

21.12.2021, 19:41

Liebe Frau Henningsen, dem Artikel und der Tabelle hätte gut zu Gesicht gestanden konkret zu werden und die Bremser zu benennen. Plenum ist nebulös und Interessierte Leser sollten einfach erfahren, wie sich seine Landesregierung und andere positionieren. Ich denke wir haben keine Zeit zu verlieren vom Papier der ZKL zur Realisierung und beim "Moorschutz" - der noch keiner ist - vom einfachen Wort, welches Naturschutzorganisationen jetzt oft nutzen, zur Wiedervernässung großer Gebiete.

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Konstantin Kreiser

28.12.2021, 08:41

Lieber Herr Reckin, vielen Dank für die Anregung, das Abstimmungsverhalten der einzelenen Landesregierungen zu veröffentlichen. Das war vor Jahresende kurzfristig nicht mehr möglich, ich hoffe aber wir können das nachreichen! Viele Grüße!

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