NABU-Agrar-Blog: Ökoregelungen in Europa – ein Vergleich

30.11.2021. Der europäische NABU-Dachverband BirdLife International und das EEB (European Environmental Bureau) haben in Zusammenarbeit mit nationalen Partnerorganisationen, u.a. dem NABU, einen Vergleich der Ökoregelungen (ÖR) aus den verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten vorgenommen. Die ÖR sind in der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) verortet. Sie sollen Landwirt*innen einen Anreiz bieten und dafür entlohnen, dass sie ihre landwirtschaftlichen Praktiken hinsichtlich deren Natur- und Umweltverträglichkeit verbessern und so zur Erreichung der Green-Deal-Ziele beitragen. Ergebnis der Analyse: nur wenige ÖR erhalten das Urteil „gut“, über 40 Prozent der ÖR sind zu schwach.

Denn die EU hat sich mit dem Europäischen Green Deal das übergeordnete Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein sowie Ökosysteme und Biodiversität zu schützen und wiederherzustellen. Um diese Ziele zu erreichen, ist ein Wandel im Landwirtschaftssektor essentiell.  Mit der europäischen Farm-to-Fork-Strategie sowie EU-Biodiversitätsstrategie sollen bis 2030:

  • mindestens 10% der EU-Agrarfläche Landschaftsmerkmale mit hoher Vielfalt aufweisen.
  • mindestens 25% der EU-Agrarfläche biologisch bewirtschaftet werden.
  • der Gesamteinsatz und das Risiko durch chemische Pestizide um 50% reduziert werden sowie auch der Gebrauch von gefährlicheren Pestiziden um 50% verringert werden.
  • der Nährstoffverlust um mindestens 50% reduziert werden, sowie der Düngemitteleinsatz um mindestens 20% verringert werden.
  • der Vertrieb von Antibiotika für die Nutztierhaltung um 50% reduziert werden.

Jedoch besteht das Risiko, dass die ÖR aufgrund ihrer teils mangelhaften Ausgestaltung nicht die erhoffte Wirkung erzielen und darüber hinaus sich sogar schädlich auf Natur und Umwelt auswirken könnten.

Die verschiedenen Ökoregelungen der EU-Mitgliedsstaaten

Jeder Mitgliedsstaat hat zwischen 4 und 12 ÖR in seinem nationalen Strategieplan (NSP) ausgearbeitet. Meistens handelt es sich dabei um eine ÖR, die eine bestimmte Maßnahme unter einer Auswahl von Voraussetzungen finanziert. Einige wenige Länder (Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Slowakei und die Niederlande) haben sich dagegen für multidimensionale ÖR entschieden, die meist aus einer Mischung grundlegender und ambitionierterer Maßnahmen zusammengesetzt sind und somit Landwirt*innen mehr im Verhältnis zu ihrem aufgebrachten Aufwand entlohnen können. Dieser Ansatz wird von Umweltorganisationen sehr begrüßt.

Die Bewertung der ÖR durch Expert*innen aus den jeweiligen Ländern hat gezeigt, dass nur 19 Prozent der Maßnahmen in den einzelnen Mitgliedsstaaten nach derzeitiger Ausgestaltung für gut befunden wurden und die gewünschte Wirkung erzielen, so zum Beispiel die ÖR in Finnland zum Erhalt einer geschlossenen Pflanzendecke auf Ackerland über den Winter. 40 Prozent der ÖR gehen zwar in eine richtige Richtung, aber haben noch Nachbesserungsbedarf. Dies betrifft zum Beispiel die ÖR zur Grünlandbeweidung in Kroatien, bei der noch eine minimale und maximale Besatzdichte festgelegt werden müsste. Die Wirkung von 32 Prozent der Regelungen wurde für schwach bewertet, denn sie fördern nur grundlegende Maßnahmen, die eher zum Erhalt des Status Quo statt zu einer Verbesserung beitragen werden, beispielsweise die dänische ÖR zur Anbaudiversifizierung. 9 Prozent der ÖR wurden als reines Greenwashing bezeichnet, z.B. die Irische ÖR zu precision farming bei der Anwendung chemischer Düngemittel oder die ÖR für Tierschutz und dem Einsatz von Antibiotika in Portugal. Damit bleiben die ÖR in ihrer Gesamtheit weit hinter den Erwartungen zurück.

Effekt der Ökoregelungen für die Ausweitung nicht-produktiver Flächen in Europa

Da die Landwirtschaft derzeit für einen großen Anteil an Biodiversitätsverlust in der EU verantwortlich ist, könnte durch effektive ÖR dieser Negativtrend aufgehalten werden, indem wieder mehr Raum für die Natur zur Verfügung gestellt würde. Mehrere Studien zeigen, dass zur Wiederherstellung der Biodiversität mindestens 10-14 Prozent (Mechtery-Stier et al. 2014; Oppermann et al. 2020) der Agrarfläche als nicht-produktive Landschaftselemente und Flächen nötig wäre. Die geplanten ÖR in den Mitgliedstaaten zeigen, dass in vielen Ländern durch Konditionalität plus Ökoregelung ein Anteil von etwa 7 Prozent erreichten werden könnte.

Extensives Grünlandmanagement: Besatzdichten regeln! (Foto: NABU/Sebastian Hennings)

Um die Biodiversität zu erhöhen, zielen ÖR am häufigsten auf die Förderung einer hohen Vielfalt an Landschaftselementen und (extensiven) Grünlandmanagements ab. Allerdings sind die Befürchtungen groß, dass Landschaftselemente auf zu geringer Fläche vorhanden sein werden. Das für diese Maßnahme zur Verfügung stehen Budget ist so gering, dass beispielsweise in Deutschland nur 2,4 Prozent, in Polen sogar nur 0,3 Prozent der Ackerfläche hiervon profitieren werden. Auch wird die Förderung vor allem an schon existierende Elemente gehen und es gibt zu wenig Anreiz für Landwirt*innen, Landschaftselemente qualitativ zu verbessern oder neu zu erschaffen. Diese Befürchtung ist beispielsweise in Irland hoch. Die Ausgestaltungen der zweithäufigsten ÖR zum (extensiven) Grünlandmanagement geht zwar meist schon in eine richtige Richtung, jedoch braucht es hier noch mehr Anreize im Hinblick auf Besatzdichten und die Umsetzung von extensivem Management. Außerdem muss die Anpassung des Managements an die dort zu erhaltenden Pflanzenarten sichergestellt werden, damit ein positiver Beitrag zum Biodiversitätsschutz geleistet wird.  In der Slowakei besteht zum Beispiel die Befürchtung, dass ein unangepasstes Management nicht zum Schutz der Zielarten in der Lage ist.

Der für die Biodiversität problematische Pestizideinsatz wird insgesamt nur von wenigen Mitgliedsstaaten als ÖR umgesetzt. Einige haben für eine Verringerung des Einsatzes ÖR für mehr Ökolandbau entwickelt, andere versuchen die Pestizidreduktionen durch direkte entsprechende Regelungen umzusetzen. Um den allgemeinen Bedarf an Pestiziden zu verringern, müssten darüber hinaus auch alternative Schädlingsbekämpfungsmethoden häufiger durch entsprechende Regelungen entlohnt werden.

Ökoregelungen ohne Nutzen für die Biodiversität    

Folgende ÖR zeigen insgesamt oder in ihrer derzeitigen Ausgestaltung keinen Nutzen für die Biodiversität und sollten deshalb keine Anwendung in dieser Form finden:

  • ÖR zu Precision Farming, die keine Höchstwerte oder Anforderungen für den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden enthalten. Der tatsächliche Vorteil für die Umwelt ist bei dieser ÖR unklar und darüber hinaus werden vor allem die größten landwirtschaftlichen Unternehmen profitieren, da die Zahlungen bisher nach Hektaren geplant sind.
  • ÖR zur Förderung von Direkteinsaaten ohne vorherige Bodenbearbeitung, wenn nicht gleichzeitig auch der Einsatz von Herbiziden (z.B. Glyphosat) geregelt ist, da sich dieser sonst voraussichtlich erhöhen wird. Auch hat diese ÖR nur begrenzten Nutzen, wenn nicht gleichzeitig auch andere Maßnahmen zur Fruchtfolge oder dauerhaften Bodenbedeckung umgesetzt werden.
  • ÖR in der Viehhaltung, die nur die oberflächliche Lösung von Problemen verfolgen, beispielsweise mithilfe von Futterzusätzen oder der nur leichten Verringerung des Antibiotikaeinsatzes, ohne die tatsächlichen Ursachen für Umweltverschmutzungen oder übermäßigen Antibiotikaeinsatz zu bekämpfen.
  • ÖR zur Anbaudiversifizierung, denn diese Maßnahme hat in der Vergangenheit nur begrenzten ökologischen Nutzen gezeigt. Große Monokulturen ohne Fruchtfolge können so immer noch gefördert werden. Außerdem ist die Maßnahme schon in der Konditionalität vertreten und bedeutet in Deutschland nur für wenige Betriebe einen Anpassungsbedarf.
  • ÖR zum Grünlandmanagement, die keine Besatzdichte oder Angaben zum Management der Fläche machen.

Empfehlungen für eine Verbesserung der Ökoregelungen

Insgesamt braucht es mehr ergebnisorientierte ÖR, um den Zustand der Biodiversität wirklich zu verbessern. Eine Nachbesserung durch die Mitgliedsstaaten vor Einreichung der NSP ist demnach dringend notwendig. Basierend auf der Analyse durch BirdLife, können folgende Empfehlungen für die Ausgestaltung der ÖR gegeben werden:

  • Zahlungen sollten jene landwirtschaftlichen Praktiken entlohnen, die eine ganzheitliche Transformation der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen.
  • Mehr multidimensionale ÖR, wie schon in einigen Mitgliedsstaaten angewendet. Wenn mehr ÖR miteinander kombiniert werden, würde dies ihre Effektivität deutlich erhöhen.
  • Maßnahmen, die schon in der Konditionalität vorhanden sind, sollten als ÖR so konzipiert werden, dass sie die Konditionalität sinnvoll ergänzen z.B. ÖR in Deutschland zur Aufstockung der nicht-produktiven Flächen.
  • Schon gängige Praktiken, deren vorteilhafte Wirkung für die Umwelt unklar oder umstritten sind, sollten nicht weiter durch ÖR gefördert werden. ÖR, die keine Verbesserungen für Natur und Umwelt bringen, sollten gestrichen werden, wie z.B. solche zu Precision farming in Irland, Schweden oder Belgien.
  • Die Ausgestaltung und Wirkung der ÖR sollte eindeutig und messbar sein, sodass mehr ergebnisorientierte Effekte erzielt werden können.
  • Damit eine faire Zahlung für die Landwirt*innen gewährleistet ist, müssen diese im Verhältnis zum aufgebrachten Aufwand und dem zu erwartenden Vorteil für die Umwelt stehen. Einfache Flat-Rate-Zahlungen für ÖR sollten vermieden werden.
  • Die ÖR sollten auf keinen Fall andere Bausteine der GAP wie die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der 2. Säule schwächen oder mit diesen konkurrieren. Die erfolgreiche Umsetzung muss durch entsprechenden Kapazitätsausbau und Beratungen unterstützt werden.

Der ausführliche Bericht von BirdLife kann hier nachgelesen werden.

Autorin: Pia Raker

Der NABU-Agrar-Blog

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