Gemeinsame Agrarpolitik: Umweltschutz bye-bye
Das EU-Parlament hat am 24. April 2024 den umfassenden Änderungsvorschlägen an der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU zugestimmt. Damit schlägt das Parlament den letzten Sargnagel für jegliche Umweltambitionen der GAP und wirft die Bemühungen, die GAP stärker an Umweltzielen auszurichten, um Jahrzehnte zurück. Ein Rückblick auf den Prozess.
Nach jahrelangem Ringen ist zu Beginn 2023 die neue Agrarpolitik in Kraft getreten. Unter der Überschrift eines “Systemwechsels” dahingehend die Agrarzahlungen endlich an Gemeinwohlleistungen zu knüpfen, wurden Grundanforderungen an die Landwirtschaft formuliert (Konditionalitäten) und freiwillige Maßnahmen (Ökoregelungen) in der ersten Säule eingeführt. Aus Sicht des Naturschutzes reichten diese marginalen Änderungen keineswegs, um den Herausforderungen des Artensterbens und dem Klimawandel zu begegnen, wie diverse Analysen zeigen, dennoch zeigten sie den Weg in die richtige Richtung auf.
Doch schon von Beginn der neuen Förderbedingungen regte sich Widerstand: Dreh- und Angelpunkt der Diskussion, die Verpflichtung über die Bereitstellung von vier Prozent Flächen für die Biodiversität, die GLÖZ 8 Brachen. Die Einführung dieser Regelung wäre ein großer Schritt auf dem Weg gewesen, ausreichend Lebensräume für Arten des Offenlands, wie das stark gefährdete Rebhuhn oder den Feldhamster, zu schaffen. Doch dieser Lichtblick für die Natur wurde seit Beginn attackiert, sodass schon im ersten Jahr eine Ausnahmeregelung die Auflage aussetzte. Das vermeintliche Argument der Ernährungssicherung, weil aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eine knappere Getreideernte vorhergesagt wurde, wurde allerdings mehrfach widerlegt.
Die Landwirtschaft im Aufruhr
Verständlicher Frust in der Landwirtschaft über die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen, nicht kostendeckende Preise und eine schlechte Stellung in der Wertschöpfungskette führten zu Beginn des Jahres zu europaweiten Protesten des Sektors. Die Reaktion der EU folgt prompt: GLÖZ 8 wurde auch für 2024 ausgesetzt beziehungsweise so weit abgeschwächt, dass es keine nennenswerten Umwelteffekt mehr bringt. Kurz darauf wird ein umfassender Reformprozessvorschlag der Europäischen Kommission zur “Vereinfachung” der GAP vorgelegt. Ohne Folgenabschätzung, den Einbezug der Zivilgesellschaft oder eine Debatte im EU-Parlament werden unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus die Grundzüge der Gemeinsamen Agrarpolitik umgebaut. Im Zentrum steht dabei der Rückbau von Umweltstandards, der die Agrarpolitik in ihrem Ambitionsniveau um Jahrzehnte zurückwirft, wie hier beschrieben. Nicht nur die Umweltverbände kritisieren diesen Vorstoß scharf, auch wissenschaftlich sind diese Änderungen nur schwer nachvollziehbar. Es besteht weitestgehend Einigkeit, dass die Reform keineswegs mit Bürokratieabbau verbunden ist und der Rückschritt für die Biodiversität eklatant ist.
Ohne große Diskussion wurde der Vorschlag auch im Rat durchgewunken, nun hat das Parlament am 24. April mit erschreckender Mehrheit für den Vorschlag der Kommission gestimmt. Stimmt der Rat nun endgültig zu, was als Formsache gilt, ist die schnellste Reform der Agrarpolitik in der Geschichte abgeschlossen.
Viel Geld für nix
Aus deutscher Sicht haben die Proteste mit dem Argument der Agrardiesel-Kürzungen gestartet, eine überproportionale Belastung der Landwirtschaft wurde kritisiert. Doch die nun gemachten Änderungen gehen weit darüber hinaus:Vor dem Hintergrund, dass die GAP den größten Anteilen am EU-Budget einnimmt, stellt sich die Frage, welche Legitimation diese Veranschlagung von Steuergeldern noch hat. Subventionen werden also für weniger Anforderungen gewährt, gesellschaftliche Leistungen müssen teuer erkauft werden.
Langfristig stellt sich hier also die Frage der Legitimation der GAP. Bei immer knapper werdenden Mitteln und ohne eine Wirkung für das Gemeinwohl lässt sich dieses “Grundeinkommen” für die Landwirtschaft nur schwer legitimieren – auch für die Landwirtschaft ein Problem. Die langfistig notwendigen Umwidmungen der Mittel, um diese im Sektor zu halten, rücken in weite ferne.
Kampf um den Machterhalt auf Kosten der Natur
Das Fehlen sachlicher Gründe zeigt deutlich, dass diese Turboreform der Agrarpolitik vor dem beschriebenen Hintergrund also nur als Wahlkampf interpretiert werden kann. Aus Angst Stimmen an den rechten Rand zu verlieren und die Chance auf eine zweite Amtszeit zu verspielen, verspielt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihre Fraktion auch das letzte Vertrauen, dass der Green Deal ernst gemeint war.
Wollen von der Leyen und auch der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nun ihre Glaubwürdigkeit nicht vollkommen verspielen, müssen sie jetzt mit voller Kraft freiwillige Förderung für den nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft aus- und aufbauen. Denn eins ist klar: Ein “Weiter so” in der Agrarpolitik ist weder für die Landwirtschaft noch für den Natur ein Gewinn.
- Die Endlosschleife ums Düngegesetz – Umweltkatastrophe mit Ansage - 25. September 2024
- Gemeinsame Agrarpolitik: Umweltschutz bye-bye - 26. April 2024
- Der Abbau der Brachen – ein herber Rückschlag für die Artenvielfalt - 5. März 2024
5 Kommentare
Maarten Sillekens
26.04.2024, 12:08Schade, dafür die EARA aber richtig gute Vorschläge geliefert: https://eara.farm/wp-content/uploads/EARA_CAP-Policy-Paper_-Towards-a-farmer-and-agroecosystem-health-centered-CAP-1.pdf
AntwortenJan
26.04.2024, 12:14Ich bin wirklich verzweifelt. Was können wir tun, um die Vernichtung unserer Erde durch gierige Konzerne und korrupte Politiker zu verhindern? Sind denn die Bauern selber auch nicht in der Lage sich zu wehren und alle dem System verfallen? Sollen wir zu“Kindern von Kali“ werden? Es ist so unendlich deprimierend….
AntwortenMartin Schmid
26.04.2024, 14:23Ich stimme Frau Hagenow zu, es ist nur Wahlkampf, wenn wir 2025 hätten, wäre gar nichts passiert. So war auch der Plan, dass die GAP-Reform schon 2 Jahre in Kraft ist und sich keiner mehr daran erinnert, dann kam Putin. Dass der Agrarsektor mit 55Mrd. der größte Ausgabenposten in der EU ist, stimmt aber nicht, in den letzten 2 Jahren war es mit 755Mrd. die Ukraine und davor Corona mit einem Vielfachen des Agrarsektors. Es hilft nichts solange die Landwirte in Deutschland mit Ihren Erzeugnissen einen Stundenlohn von durchschnittlich 5,85€ erzielen und dann noch durch Bürokratie gegängelt werden. Das ist der Durchschnitt, mit schlechten Rahmenbedingungen leben manche nur noch von der Substanz. Deshalb werden die Bauern immer wieder auf die Straße und gegen noch mehr Auflagen, die unwirtschaftlich sind und Arbeitszeit binden, demonstrieren. Es geht um Ihre Existenz und unsere Ernährung. Wenn es nicht gelingt dem Strukturbruch in der Landwirtschaft Einhalt zu bieten durch die Zerschlagung der Oligopole des LEH und der Ernährungsindustrie, haben die Bauern keine andere Möglichkeit als zu intensivieren, Stückkosten zu senken und sich gegen Auflagen zu wehren, oder eben aufzuhören. Dabei spielt es keine Rolle ob konventionell oder biologisch gewirtschaftet wird. Beides ist der Biodiversität nicht zuträglich, deshalb muss an der Einkommenssituation (ganz wichtig nicht nur aus staatlichen Mittel) der Bauern angesetzt werden, dass die bisherige Vorgehensweise nicht erfolgreich ist, zeigen die letzten 25 Jahre. Der NABU muss sich transformieren, sonst machen es andere auch nicht.
AntwortenNils M.
29.04.2024, 10:48Die EU-Parlamentarier müssen wissen, was sie wollen: Entweder dem Druck der Agrarlobby nachgeben und die industrielle Landwirtschaft befördern, oder eine Umwelt- und biodiversitätsförderndr Landwirtschaft fördern. Beides gleichzeitig geht eben nicht!
AntwortenPatrick T.
24.05.2024, 04:53Das finde ich auch.
Antworten