Fast geschafft: Nature Restoration Law nimmt vorletzte Hürde

Grafik: Marc Tebart/ KI-generiert

Das sechste und letzte Mal stimmte das Europaparlament am 27.2. über das Nature Restoration Law ab, und abermals versuchte Manfred Weber das Gesetz zu verhindern – ohne Erfolg: selbst 25 EVP-Abgeordnete stimmten für die Wiederherstellung der Natur.

 

Eine emotionale Innenansicht vorab

Vor der Abstimmung waren wir sehr nervös.
„Wir“ meint die Mitarbeitenden von über 200 NGOs in ganz Europa, hunderte Mitarbeiter:innen in Umwelt- und Naturschutzbehörden, tausende Wissenschaftler:innen und hunderttausende Bürger:innen, welche das Gesetz unterstützt haben.

Seit fast vier Jahren begleiten viele von uns das Gesetz intensiv. Seit knapp einem Jahr wehren wir eine im Naturschutz so noch nicht gekannte FakeNews-Kampagne ab. Wer wissen will, wie erleichtert viele von uns nun sind, schaue sich diese Reaktion der Kolleg:innen im Brüsseler Dachverband „BirdLife Europe“ an.

Noch geht das Zittern jedoch weiter, denn die Gegner des Gesetzes versuchen, die finale Abstimmung im Rat zu sabotieren. Auch in der FDP gibt es schon wieder Überlegungen, sämtliche Absprachen zu brechen. Ob so ein Verhalten für eine Wiederwahl zuträglich ist, bleibt fraglich. Vielleicht geht es darum aber auch schon nicht mehr.

 

Wer hat wie abgestimmt?

Abstimmverhalten zum Trilogkompromiss des Nature Restoration Law (AM136) der Fraktionen im Europaparlament

 

Insgesamt stimmten Linke, Sozialdemokraten und Grüne Abgeordnete ganz überwiegend für das Gesetz. Bei den Sozialdemokraten tanzte allerdings deren rumänisches Sorgenkind PSD aus der Reihe – schade, dass ein Land mit so reichhaltiger Natur diese nicht zu schätzen weiß.

Die im Rest von Europa überwiegend progressiven Liberalen (Renew) stimmten unter Führung des französischen Pascal Canfin mehrheitlich für das Gesetz.

Je weiter man im politischen Spektrum nach rechts blickt, desto geringer wurde die Unterstützung für die Wiederherstellung der Natur. Allerdings stimmten beispielsweise auch zehn der elf ungarischen Fidesz-Abgeordneten (im EP fraktionslos) für das Gesetz. Selbst dort erkannte man also den Nutzen von einem gemeinsamen und verbindlichen europäischen Vorgehen.

Bei der EVP gab es ein gemischtes Bild. Immerhin 35 Abgeordnete (ein Viertel) verweigerten Manfred Weber ihre Unterstützung. Dies zeigt, dass Webers Kampagne gegen die Natur nicht bei allen Konservativen gut ankam.

Wie die nachfolgende Grafik zeigt, ist das Bild bei den deutschen Abgeordneten wesentlich homogener. Dies mag auch daran liegen, dass der Widerstand gegen das NRL mit Manfred Weber und Peter Liese maßgeblich von zwei deutschen Abgeordneten organisiert wurde.

 

Abstimmverhalten der deutschen Abgeordneten

 

Konservative Fallstudien

Bei der EVP gab es durchaus Lichtblicke und Nuancen. Die finnische Abgeordnete Sirpa Pietikainen und der tschechische Stanislav Polčák bekannten sich von Beginn an offen zum NRL. Polčák und andere wurde daraufhin von Manfred Weber vor der knappen Abstimmung im Umweltausschuss durch loyale und vorwiegend deutsche EVPler ersetzt. Seán Kelly aus dem stark landwirtschaftlich geprägten Irland überzeugte alle irischen EVP-Abgeordneten, für das Gesetz zustimmen.

Die EVP-Schattenberichterstatterin Christine Schneider aus Rheinland-Pfalz war anfangs gegen das NRL, verhandelte dann im Trilog wieder mit und stimmte im Umweltausschuss für das Trilogergebnis. Bei der Plenarabstimmung fehlte sie – vermutlich absichtlich. Anders stimmte die Berliner Abgeordnete Hilde Bentele im Ausschuss erst für das Trilogergebnis, im Plenum dann aber gegen den exakt gleichen Text. Peter Liese aus Nordrhein-Westphalen sparte sich solche Dissonanzen und stimmte beständig gegen das NRL. Er fiel auch durch das Verbreiten von falschen Informationen auf. Gerade bei Liese führte dies anfangs zu starken Irritationen, denn er war als aufrichtiger und fairer Politiker bekannt.

Auch Manfred Weber blieb sich bis zuletzt treu und glänzte noch kurz vor der Abstimmung mit weiteren Desinformationen. Ob es nun wirklich Verbitterung über von der Leyens Ernennung zur Kommissionspräsidentin war, die ihn so gegen den Naturschutz aufbrachte, werden wir wohl erst in seinen Memoiren erfahren – sofern er bis dahin auf den Pfad der Wahrheit zurückgefunden hat.

 

Wurde mit Rechten oder für Rechte Parteien gestimmt?

In den hitzigen Debatten hörte man oft, die EVP stimme gemeinsam mit Faschisten ab. Diese Aussage gefiel nicht allen Konservativen – auch in Deutschland nicht.

Bei Plenarabstimmungen wird vor allem für oder gegen Gesetzestexte gestimmt. Allerdings können die Fraktionen auch Änderungsanträge ins Plenum einbringen. Dies tat vor den Plenarabstimmungen nur die rechte Fraktion EKR, nicht aber die EVP selbst.
Die EVP entschied sich hier ganz bewusst, für die Vorschläge von Parteien wie der spanischen VOX, der polnischen PIS oder Georgia Melonis postfaschistischen Fratelli d’Italia zu stimmen.
Auch dies kam vermutlich nicht bei allen EVP-Abgeordneten gut an und es gibt Hoffnung, dass die EVP noch eine pluralistische Partei ohne US-republikanischen Kadavergehorsam ist.

Übrigens stimmte auch die FDP für die Anträge der Rechten. Sie kann hier noch geltend machen, dass sie in einer „zu naturfreundlichen Fraktion gefangen ist“ und so keine eigenen Plenaranträge einreichen konnte. Diese schwache Ausrede gilt für EVP bzw. CDU/CSU nicht. Die FDP könnte sich nach der Europawahl immerhin eine neue Fraktion suchen.

 

Fazit

Die Abstimmungen über das Nature Restoration Law haben eins ganz deutlich gezeigt:
Bei den anstehenden Europawahlen kommt es auf jede einzelne Stimme an!
Beispielsweise hätte nur eine weitere Stimme dem Gesetz im Umweltausschuss zu einer frühen Mehrheit verholfen!

Gezeigt hat sich aber auch, dass Naturschutz sich nicht für Kulturkämpfe eignet (was idealerweise auch bei anderen Themen so wäre). Die vielen Abweichler der EVP haben verdeutlicht, dass die Wiederherstellung der Natur nicht spaltet, sondern parteiübergreifend verbindet. Viel Schaden hat Webers polarisierende Kampagne trotzdem angerichtet. Es gab überraschend viele Stimmen gegen ein Gesetz, das das Klima vor uns und uns vor den Auswirkungen des Klimawandels schützt.

Nun kommt es auf eine ambitionierte sowie faire und sozial-gerechte Umsetzung dieses weltweit einmaligen Gesetzes an. Dazu gehört auch eine ehrlichere Kommunikation von Parteien und Interessenverbänden. Wenn dies gelingt, nützt das nicht „nur“ der Natur, sondern jedem einzelnen von uns.

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