Nature Restoration Law: Wichtiges Ergebnis mit schmerzhaften Abstrichen

Nature Restoration Law: Wichtiges Ergebnis mit schmerzhaften Abstrichen

Das Nature Restoration Law hat mit dem Abschluss des letzten Trilogs eine weitere Hürde auf dem Weg zum Ziel genommen – der gemeinsamen und verbindlichen Wiederherstellung unserer Ökosysteme in der EU. Der Kompromiss zwischen Mitgliedsstaaten und Parlament bringt schmerzhafte Änderungen mit sich, erhält aber immerhin die wichtige Grundstruktur des Gesetzes. Welche Änderungen das sind und wie die Zielgerade aussieht, beschreiben wir hier. 

Als würde uns der Klimawandel nicht schon genug einheizen: Die Diskussionen um das Wiederherstellungsgesetz in Sommer verliefen unerwartet hitzig. Am Ende stellte sich jedoch sowohl eine Mehrheit der Abgeordneten im Europaparlament als auch der Mitgliedsstaaten im Rat hinter das Gesetz. Zwischen diesen Positionen galt es nun einen Kompromiss zu finden, welcher zusammen mit der Kommission ausgehandelt wurde. Beide Mitgesetzgeber hatten ihre Bedenken bereits in Abschwächungen des Kommissionstext übersetzt. Über die nahezu inhaltsleere Parlamentsposition hatten wir im Juli berichtet. 

Neben diversen technischen Treffen auf Arbeitsebene kamen die Verhandler in drei Trilogen zusammen. Im letzten dieser drei Triloge gelang nun, im November 2023, der Durchbruch. 

Die größte Aufmerksamkeit erfuhren dabei die Agrarökosysteme in Artikel 9. Hier hatte die Kommission Ziele für den Schutz von Böden, die Wiedervernässung von Moorböden sowie mehr Landschaftselemente vorgeschlagen. Auch Verbesserungen bei Feldvögeln wie Kiebitz und Rebhuhn sowie Wiesenschmetterlingen wie dem Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling waren vorgesehen. Im Gegensatz zum Rat sah die Parlamentsposition die komplette Löschung dieses wichtigen Artikels vor. Darüber hinaus wurde auch über die besonders wertvollen Land- und Meereslebensräume sowie mögliche Ausnahmen während wirtschaftlicher Krisen bis zuletzt gestritten. 

Einigungen im Detail 

  • Der Geltungsbereich der terrestrischen Wiederherstellung besonders wertvoller Lebensräume in Artikel 4 wurde nicht ausschließlich auf Natura-2000-Gebiete beschränkt. Allerdings wurden erhebliche Schlupflöcher hinzugefügt, die die insgesamt wiederherzustellende Fläche verringern können.
  • Das enthaltende Verschlechterungsverbot wurde stark ausgehöhlt, so dass es nur schwer umzusetzen ist.
  • Glücklicherweise wurden konkrete Anforderungen zur Verbesserung der Natur auf landwirtschaftlich genutzten Flächen und zur Wiederherstellung von Mooren in die Vereinbarung aufgenommen. Die Wiedereinführung des Artikels hatte jedoch einen hohen Preis, da erhebliche Zugeständnisse gemacht wurden, wie zum Beispiel die Einführung der Möglichkeit, die Umsetzung der Verordnung unter bestimmten Vorraussetzungen auszusetzen – auch als „Notbremse“ bezeichnet.

Trotz dieser Veränderungen dürfte das Ergebnis des Trilogs ein Zwischenerfolg für die Natur sein. Dies ist seitens des Parlaments auch dem unermüdlichen Einsatz einer deutschen Abgeordneten zu verdanken. Zusammen mit ihrem spanischen Kollegen César Luenar und ihrem französischen Kollegen Pascal Canfin hatte sich insbesondere die rheinland-pfälzische MdEP Jutta Paulus als Schattenberichterstatterin um das Gesetz verdient gemacht. 

Nächste Schritte 

Das Verhandlungsergebnis muss nun nochmal vom Rat und Europaparlament bestätigt werden. Dort kommt es darauf an, den Gesetzgebungsprozess ohne weitere polarisierende Störfeuer zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Argumente dafür gibt es genug: 

  • Die Bedenken von Mitgliedsstaaten und Parlament wurden umfänglich aufgenommen, das Ergebnis ist von zahlreichen Ausnahmemöglichkeiten geprägt und von großer Flexibilität für Mitgliedstaaten. 
  • Weltweit muss sich die EU den globalen Anstrengungen der UN-Dekade für Ökosystemwiederherstellung einreihen und die Verpflichtungen des Montrealer Weltnaturschutzabkommen erfüllen.
  • Die Wiederherstellung von Ökosystemen schützt nicht nur die Natur vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels, sondern auch uns Menschen. Auch zum Schutz des Klimas tragen Moore, Wälder und Meere durch ihre Funktion als Kohlenstoffsenken bei. 

In der Summe gibt es also keinen Grund für weitere Verzögerungen. Als nächstes kommt es auf den Umweltausschuss des Parlamentes an, welcher voraussichtlich am 28. November mit einfacher Mehrheit über das Ergebnis des Triloges entscheidet. Hier bleibt zu hoffen, dass sich die EVP (CDU/CSU) von Manfred Weber ihrem Anspruch als Europäische Volkspartei wieder annähert und das Vertrauen der Bürger*innen in die EU nicht weiter aufs Spiel setzt. Gleiches gilt auch für die deutschen Abgeordneten von Renew (FDP). 

Bild oben: Kleiner Feuerfalter, eine Art des Wiesenschmetterlingsindex – Foto: NABU/Erwin Hangmann

11 Kommentare

Bam Fischer

10.11.2023, 10:16

Danke für die Arbeit der Gesetzgebung für die Renaturierung und Ökologisierung der wilden und Mensch beeinflusst Natur

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Katja

16.11.2023, 13:27

Ein Erfolg auch wenn es immer mehr sein dürfte 👍

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Thomas Bartsch Hauschild

16.11.2023, 14:10

Ein Naturschutzgesett die Erhaltung der diversen Lebensräume für alle Arten von Tieren und Pflanzen gibt es bereits seit der EU- Richtlinie FHH - Flora und Faune hat das EUGH am 21. 9.2023 festgestellt, das Deutschland diese nicht eingehalten hat. Jetzt soll auf einmal alles besser werden.Fachtkräftemangel gibt es in den zuständigen Umweltbehörden in ganz Deutschland.

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Stephan Piskol

17.11.2023, 09:26

Lieber Herr Hauschild. Das Wiederherstellungsgesetz ginge weit über die Anforderungen der FFH-Richtlinie hinaus, bzw wählt es einen anderen Ansatz. Es werden größtenteils allgemeinere, Indikatorbasierte Ziele vorgegeben. Auch die FFH-Lebensraumtypen profitieren aber, da das GEsetz hier einen weiteren Hebel schafft. Zur Umsetzung gehört dann aber auch mehr Personaleinzustellen, bzw die Renaturierung von Ökosystemen und den Einsatz von vorhandenem Personal effektiver zu gestalten, z.B. indem Genehmigungsprozesse vereinfacht werden.

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Andreas Herrmann

16.11.2023, 14:22

Auch angesichts der heute bekannt gewordenen Verlängerung der Glyphosatzulassung für weitere zehn Jahre kommt mir der Kompromiss mit diversen Schlupflöchern eher wie ein Feigenblatt daher. Letztlich bleibt wie immer fraglich, wer in welchem Umfang gefasste Beschlüsse in die Tat umsetzt. Da ist die Bundesrepublik Deutschland leider zu oft keine Leuchte!

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Stephan Piskol

17.11.2023, 09:20

Lieber Herr Herrmann, Wir hatten uns von dem Gesetz zwar mehr erhofft und es bleibt noch viel zu tun, bzw kann auch ein Wiederherstellungsgesetz alleine nicht die Kehrtwende bringen. Dennoch, wäre das Gesetz eine große und in dieser Form weltweit einmalige Errungenschaft. In der Tat muss Deutschland und die Bundesländer das Gesetz aber dann auch ambitioniert umsetzen.

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Ursula Frenzel

16.11.2023, 16:39

Ich werde die Debatte des Umweltausschusses am 28. November mit Spannung verfolgen und wünsche viel Erfolg zum Wohle unserer Natur.

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Michael Dietrich

16.11.2023, 18:06

Ich hoffe nur das die Menschheit wieder mehr die Natur an die erste Stelle gesetzt wird damit das Gesetz, sollte es so durch die restlichen Instanzen durchgehen, auch was bewirken tut.

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Jörg Kätzel

16.11.2023, 18:10

Vielen, vielen Dank für die unermüdlichen Stunden der Arbeit. Weiterhin alles Gute.

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Christine

16.11.2023, 19:48

toll was ihr alles erreicht, danke für eure tolle Arbeit, weiter so

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F. Josef Angele

18.11.2023, 12:51

Liebe Damen und Herren vom NABU, danke für Eure unermüdlichen Bemühungen für eine gesunde Umwelt - nur, ich denke, es ist inzwischen fast schon zu spät. Die Natur und besonders unsere Vogelwelt, sind bereits zu einem großen Teil nachhaltig geschädigt. Ein Gang durch Wald, Feld und Flur zeigt dies unerbittlich.

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