Ist Öko wirklich besser? Neue Studie untermauert Klimavorteile des Ökolandbaus

28.02.2023: Der Ökolandbau verfolgt das Ziel, durch möglichst geschlossene Betriebskreisläufe und den Verzicht auf chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel, gesunde Lebensmittel zu produzieren und die Belastung der Umwelt durch die Landwirtschaft zu minimieren. Die positiven Wirkungen im Vergleich zu konventionellen Betrieben in den Bereichen Boden-, Wasser- und Biodiversitätsschutzsind in vielen Veröffentlichungen belegt und schwer von der Hand zu weisen. Nichtdestotrotz wird die Frage der Umwelt- und besonders der Klimawirksamkeit des Ökolandbaus vielfach kontrovers diskutiert. Ausschlaggebend ist hier vor allem die Tatsache der geringeren Erträge pro Hektar im Ökolandbau und dem damit verbundenen größeren Flächenbedarf. Dies führt häufig zu der Annahme, dass der ökologische Landbau insgesamt keine eindeutigen Vorteile gegenüber konventionellen Betriebssystemen habe.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der TU München im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) untersuchte die Umwelt- und Klimawirkungen konventioneller sowie ökologisch bewirtschafteter Betriebe. Die Ergebnisse sind eindeutig und bescheinigen dem Ökolandbau eine eindeutig positive Umwelt- und Klimawirkung im Vergleich zu konventionellen Betrieben.

Inhalt der Studie

Anhand von zehnjährigen Untersuchungen auf 80 Pilotbetrieben in Deutschland und der Auswertung internationaler Literatur vergleichen die Autor*innen konventionell und ökologisch wirtschaftende Marktfrucht- und Milchviehbetriebe bezüglich ihrer Umwelt- und Klimawirkungen. Die Studie legt dabei einen Fokus auf Wechselwirkungen verschiedener Einflussfaktoren und hebt sich somit von vergangenen Untersuchungen ab, die Klima- und Umweltwirkungen meist nur an einzelnen Indikatoren bemessen haben. Inhaltlich konzentriert sich die Studie, unter Berücksichtigung der individuellen Betriebsstrukturen, auf vier Themenbereiche. Die Forscher*innen beleuchten den Stickstoffkreislauf und die Stickstoffemissionen, die Energiebilanz und Energieeffizienz, die Humusbilanz und Bodenkohlenstoffbindung sowie die Treibhausgasbilanz und Klimawirkungen. In allen Bereichen stellen sie im Mittel Vorteile des Ökolandbaus gegenüber den konventionellen Pilotbetrieben fest. Die Autor*innen machen jedoch deutlich, dass es zwischen den ökologisch bewirtschaftenden Betrieben und den konventionellen Betrieben sowie zwischen Marktfrucht- und Milchviehsystemen aufgrund von Bewirtschaftungsintensität und Betriebsstrukturen auch innerhalb der Gruppen gravierende Unterschiede gibt. Hier zeigt sich, dass es eben nicht DEN Ökobetrieb oder DEN konventionellen Betrieb gibt und auch innerhalb der Systeme durch gutes Management viel Potenzial für Umwelt- und Klimaschutz besteht.

Einfluss der Stoff- und Energieflüsse in den Betrieben

Ausschlaggebend für die Umwelt- und Klimawirkungen sind Stoff- und Energieflüsse der Betriebe. Vor allem Stickstoffeinträge und Treibhausgasemissionen aufgrund von Energieflüssen spielen eine Rolle und werden entsprechend in der Studie genauer untersucht. Die ökologischen Betriebe werden von den Autor*innen im Vergleich zu den konventionellen als Low-Input-Systeme beschrieben, die jedoch auch weniger Output in Form von Erträgen generieren. Auf ökologischen Betrieben wird deutlich weniger Stickstoff eingesetzt und es werden zusätzlich aufgrund der Form des eingesetzten Düngers (vor allem Stallmist und Kompost) geringere Stickstoffverluste generiert. Auch der Energieinput ist bedeutend geringer. In diesem Bereich schlägt also vor allem der Gebrauch von chemisch-synthetischen Stickstoffdüngern in den konventionellen Betrieben zu Buche.

Humusgehalt in den Boden ausschlaggebend

Zentral für die Ergebnisse der Studie sind jedoch die von den Autor*innen berechneten Humusbilanzen der Betriebe. Durch den direkten Zusammenhang des Humusgehalts mit der Kohlenstoffbindung im Boden ist dieser von großer Bedeutung für die Klimawirkung der Betriebe. Die Ergebnisse zeigen hier einen eindeutigen Vorteil von ökologischen Betrieben, die im Mittel positive Humusbilanzen aufweisen und somit als Kohlenstoffsenken fungieren. Als wichtigster Grund werden vor allem die vielfältigen Fruchtfolgen genannt und insbesondere der (mehrjährige) Kleegrasanbau, dessen Anteil in der Fruchtfolge bei Biobetrieben häufig signifikant höher ist. Besonders bei ökologischen Milchviehbetrieben ist dies ausgeprägt, wodurch ein Vorteil für diese Betriebssysteme entsteht. Konventionelle Betriebe weisen hingegen im Schnitt eine negative Humusbilanz auf und sind somit Kohlenstoffquellen.

Ökobetriebe verursachen weniger Treibhausgase

Die Aussagen über Treibhausgasemissionen und die damit verbundene Klimawirkung der Betriebe beruhen auf den Ergebnissen der Stoffstrombilanzierungen und der Humusbilanzierung. Insgesamt kommen die Forscher*innen zu dem Ergebnis, dass ökologisch wirtschaftende Betriebe im Pflanzenbau auf die Fläche bezogen im Mittel 50 Prozent weniger Treibhausgasemissionen produzieren und auch bei einer Betrachtung der Emissionen auf den Ertrag bezogen nur 70 Prozent der Emissionen vergleichbarer konventioneller Betriebe erzeugen. Doch besonders bei den Milchviehbetrieben ist darauf hinzuweisen, dass auch innerhalb der Gruppen der ökologischen und konventionellen Betriebe signifikante Unterschiede bei den Emissionen bestehen. Hierbei sind besonders Betriebsstrukturelemente viehlos vs. viehhaltend, Anbaustruktur und Fruchtfolge ausschlaggebend. Die Autor*innen sehen pauschale Optimierungsstrategien daher als wenig sinnvoll an. Sie schlagen stattdessen betriebs- und standortangepasste Maßnahmen vor. Nichtsdestotrotz sind es hier eindeutig ökologische Betriebe, die aufgrund einer effizienten Humuswirtschaft und geringem Energieinput sehr geringe Treibhausgasemissionen aufweisen oder sogar CO2-neutral wirtschaften können.

 

Foto: NABU/Volker Gehrmann

 

Ökolandbau verursacht weniger Kosten für Gesellschaft

Die gesellschaftliche Bedeutung der Ergebnisse verdeutlichen die Autor*innen schließlich durch die Monetarisierung der Umweltwirkungen beziehungsweise durch die Berechnung der Vermeidungskosten, die durch geringere Stickstoffeinträge und Treibhausgas-Emissionen des Ökolandbaus entstehen. Hierzu werden vom Umweltbundesamt berechnete mittlere Umweltkosten herangezogen. Bei berechneten Einsparungen von 140 bis 108 kg Stickstoff je Hektar und 1758 bis  1775 kg CO2-Äquivalenten je Hektar ergeben sich 750 bis 800 Euro je Hektar Ersparnis, die der Ökolandbau erbringt. Mit diesen Ergebnissen spart der Ökolandbau der Gesellschaft schon heute Kosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Bei einer Steigerung auf die politisch angestrebten 30 Prozent-Flächenanteil wären dies sogar vier Milliarden Euro.

Sicht des NABU

Die Studie zeigt die positiveren Klima- und Umweltwirkungen des Ökolandbaus und die damit verbundenen gesellschaftlichen Vorteile deutlich auf. Nicht nur deshalb unterstützt der NABU die konsequente Ausweitung des Ökolandbaus mit Projekten wie „Gemeinsam Boden gut machen“. Die Studie verdeutlicht darüber hinaus jedoch auch, dass unabhängig von der Frage, ob ein Betrieb ökologisch oder konventionell wirtschaftet, das Management erheblichen Einfluss auf die Umwelt- und Klimawirkungen der Betriebe hat. Eine übermäßige Intensivierung von Ökobetrieben kann somit die positiven Effekte wieder überlagern. Jeder Betrieb kann also durch ausgewählte Maßnahmen umwelt- und klimaschonender arbeiten. Hier kann insbesondere der Ökolandbau wertvolle Erfahrungen weitergeben. Die im Ökolandbau häufig vertretenen vielfältigen Mischbetriebe mit guter Humuswirtschaft schneiden unter den untersuchten Aspekten besonders gut ab. Der wichtige Faktor Humusaufbau wird hier vor allem durch den Anbau von Klee-Luzerne-Gras, Zwischenfrüchten und Untersaaten sowie die Umwandlung von Ackerland in Grünland gefördert.

Die Berechnung der Kosteneinsparungen zeigt schließlich die enormen gesellschaftlichen Leistungen, die durch die Maßnahmen erbracht werden. Dies zeigt einmal mehr die Notwendigkeit, die Agrarförderung an gesellschaftlichen Leistungen auszurichten.  Da zudem das Ziel der 30 Prozent Anteil Ökolandbauangesichts der aktuellen geringen Wachstumsgeschwindigkeit in weiter Ferne scheint, braucht es auch hier gezielte Unterstützung seitens der Politik in der gesamten Wertschöpfungskette.

 

6 Kommentare

Ute Hasenbein

28.02.2023, 20:19

Nicht zu vergessen die Förderung der Biodiversität und der Schutz der Arten, speziell der Bestäuber durch die Intensivierung des Öko-Landbaus! Wie hoch war doch gleich der exorbitant monetäre Wert der systemrelevanten Bestäuber-Insekten?

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Jan Wagner

02.03.2023, 18:36

Schade, dass die regenerative Landwirtschaft in dieser Studie keine Berücksichtigung gefunden hat. Gerade in Bezug auf den Ackerbau gibt es doch immense Potenziale. Schaut man sich die Direktsaat oder das holistische Weidemanagement nach Savory an, kann die Bio-Landwirtschaft in Bezug auf CO2-Einsparung und Biodiversitätsförderung einpacken. Die Biolandwirtschaft pflügt, grubbert und fräst ihre Böden und setzt damit zuvor gespeichertes CO2 wieder frei. In der Direktsaat ist der Dieselverbrauch deutlich niedriger (weniger Fahrten über den Acker) und das Bodenleben inkl. Bodenbrüter wird in Ruhe gelassen. Hier stecken die wahren Lösungen – nicht in der Biolandwirtschaft, wie sie heutzutage betrieben wird. Wir sprechen schließlich von 90% der konventionellen Landwirtschaft vs. 10% Biolandwirtschaft. Wenn nur 20% der konventionellen auf regenerativ umstellen würden, hätten wir einen riesigen Hebel zur Verbesserung unserer Böden und der Biodiversität. Man muss sich einfach mal von alten Ideologien befreien und Neues zu denken wagen. Nur so können alle gewinnen.

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Dr. Christian Hennig

14.03.2023, 15:56

... doch dabei dürfen wir auf keinen Fall stehen bleiben. Denn der Ökolandbau hat nach aktueller Datenlage einen genauso verheerenden Einfluss auf die Biodiversität wie der konventionelle Ackerbau (https://www.ft.dk/samling/20201/almdel/kef/bilag/109/2300225.pdf). Und durch den vermehrten Einsatz von Hacktechnik gibt es sowohl die selben Probleme mit dem Wassermanagement als auch erhöhten Verbrauch fossiler Brennstoffe. Es bleibt also noch viel zu tun - eine Transformation zu regenerativer Lebensmittelerzeugung muss folgen!

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Dr. Thomas Popp

17.05.2023, 10:25

Gibt es einen Link zur Originalarbeit der TU München? Es wäre ganz hilfreich, wenn ich alle Daten einsehen könnte. Danke und Grüße Thomas Popp

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Cäcilia Hagenow

17.05.2023, 10:45

Hier der Link zur Studie: https://www.oekolandbau.wzw.tum.de/aktuelles/ Viele Grüße

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Ronja

11.06.2023, 22:30

Man kommt zu der studie, wenn man im Artikel auf "TU München" klickt. Das ist der Link: https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn065968.pdf

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