Naturschutzoffensive 2020 Beiträge

Warum spielt die Qualität der Erstgutachten in der Planungspraxis eine so große Rolle?

Zu den interessantesten Workshops, an denen ich in letzter Zeit teilgenommen habe, zählte der Workshop zum Thema „Qualität von Gutachten“, der Anfang Juni auf der Insel Vilm stattfand und vom Deutschen Rat für Landespflege (DRL) organisiert und vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) gefördert wurde.

Foto: Christoph Hein

Foto: Christoph Hein

Bei den Gutachten sind vor allem die Erstgutachten gemeint, die von den Vorhabenträgern in Auftrag gegeben und von Planungsbüros durchgeführt und anschließend bei den Genehmigungsbehörden mit dem Planungsantrag eingereicht werden. Der Workshop war ein erster Versuch diese Thematik, die besonders bei dem Windenergieausbau einer der Kernproblematiken darstellt, zu beleuchten. Gemeinsam mit Vertretern unterschiedlicher Interessengruppen u. a. von Umwelt-, Naturschutzverbänden, Gutachterbüros, Behörden und aus der Wissenschaft und der Umweltbildung, wurden Ideen für mögliche Lösungsansätze zusammen zutragen damit eine optimierte Qualitätssicherung in der Praxis bei den Erstgutachten, bei der Genehmigung bis hin zur Nachkontrolle gewährleistet ist.

Natura 2000: zähes Ringen um Meeres-Schutzgebiete

Hoch her ging es bei der gestrigen Anhörung der Verbände zu den Entwürfen des Umweltministeriums für die Naturschutzgebietsverordnungen in der AWZ von Nord- und Ostsee. Besonders Freizeitfischer und Meereswissenschaftler wehrten sich in Hamburg gegen jede mögliche Regulierung. Dabei ist das bisschen Verbot und Lenkung, das sich in den Entwürfen findet, viel zu wenig, um den Rückgang von Arten und Lebensräumen auch an unseren Küsten zu beenden. Die deutschen Umweltverbände haben koordiniert vom NABU eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet, die deutlich macht, dass die bisherigen Entwürfe an der massiven Übernutzung der Meere nichts ändern und den Verpflichtungen des nationalen und europäischen Umweltrechts nicht gerecht werden (weitere Informationen dazu HIER).

Foto: Felix Paulin

Foto: Felix Paulin

Meeresschutz verschoben und verschlafen

Immer wieder ist die Tage in der öffentlichen Diskussion die Rede von neuen Schutzgebieten. Fischer beschweren sich im Interview über die Ausweisung von zusätzlichen Schutzgebieten, Zeitungsartikel sind überschrieben mit „Neues Schutzgebiet im Fehmarnbelt“. Ein trauriges aber deutliches Signal, dass das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000, unter das auch ca. ein Drittel unserer AWZ fällt, in den Köpfen von Meeresnutzern, aber vielleicht auch der Öffentlichkeit nicht angekommen ist. Denn ausgewiesen wurden die insgesamt zehn Gebiete bereits 2004, durch die EU-Kommission bestätigt 2007, Verordnungen hätten sie 2013 erhalten sollen. Doch diese nationale Unterschutzstellung wurde versäumt, zerrieben im Streit der Nutzerressorts aus Wirtschaft, Verkehr, Fischerei mit dem federführenden Umweltministerium. Und so geriet es in Vergessenheit, dass Deutschland bereits vor mehr als elf Jahren eine gemeinsame Verantwortung zum Schutz der Biodiversität in Nord- und Ostsee übernommen hat.

Game changers: Was braucht der europäische Naturschutz?

workshop titelZusammenfassung NABU-Workshop in Brüssel (Teil 2)

Im Oktober hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks mit ihrer Naturschutzoffensive einen beachtlichen Aktionsplan veröffentlicht, mit dem Deutschland das internationale 2020-Ziel zur Trendwende beim Artensterben erreichen soll. Allerdungs müssen die wesentlichen Weichenstellungen auf der Ebene von EU und Bundesländern erfolgen, auf die die Bundesregierung nur begrenzten Einfluss hat. Gerade auf „Brüssel“ richten sich derzeit große Erwartungen, denn im kommenden Jahr wird die EU-Kommission darlegen, womit sie die gefährdeten Lebensadern unseres Kontinents, die bedrohten Arten und Schutzgebiete, wiederbeleben will. Heibei braucht es nicht kosmetische, sondern tiefgreifende Veränderung. Worin diese „game changer“ bestehen könnten diskutierten am Dienstag auf Einladung des NABU Vertreter von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden in Brüssel, darunter Naturschutzpraktiker aus 19 EU-Staaten.

People, people, people: NABU-Workshop in Brüssel

Durchbruch für die Biologische Vielfalt bis 2020 – Was muss die EU tun?

Zur Stunde diskutieren in Brüssel Vertreter von EU-Institutionen, Regierungen und Naturschutzverbänden darüber, wie die EU-Naturschutzrichtlinien künftig besser umgesetzt werden können. Der Workshop, organisiert vom NABU und seinem Dachverband BirdLife Europe, ist Teil des Projekts „EU-NaturExchange“, das vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesumweltministeriums (BMUB) druchgeführt wird. Ziel ist es, den laufenden „Fitness Check“ der EU-Naturschutzrichtlinien zu nutzen, um die bestehenden Defizite bei deren Umsetzung, Finanzierung und Durchsetzung zu beheben. Hier ein kurzer Bericht mit weiterführenden Links:

Workshop pic

Foto: Kristina Richter

Die nächsten Schritte des „Fitness-Checks“

Für die EU-Kommission erklärte Nicola Notaro, Referatsleiter Naturschutz, den Stand des „Fitness-Checks“ der EU-Naturschutzrichtlinien. Nach der großen Brüsseler Konferenz am 20.November und der Veröffentlichung der vorläufigen Ergebnisse der beauftragten Experten wird für Anfang 2016 der finale Bericht erwartet. Basierend auf dieser umfangreichen Studie plant die Kommission im Frühjahr ein Arbeitspapier („Staff Working Paper“) zu veröffentlichen, in dem sie die lange ersehnte Antwort auf die Frage gibt, ob die beiden Naturschutzrichtlinien wirksam, effizient und noch relevant sind, außerdem ob sie zu einander und zu den anderen EU-Richtlinien passen (Kohärenz), sowie ob die einen europäischen Mehrwert darstellen verglichen mit rein nationalen Naturschutzaktivitäten. Später im Jahr 2016 wird die Kommission dann konkrete Schritte vorschlagen, und damit entscheiden, ob sie eine Änderung der Richtlinien für notwendig hält oder deren bessere Umsetzung. Was  man unter „besserer Umsetzung“ verstehen sollte, und was die EU dafür tun könnte, ist Thema der folgenden Präsentationen und Diskussionen.

Live aus Brüssel: Der NABU-Konferenzticker (Teil 1)


Mittagspause in Brüssel! Weiter geht’s um 14:45 Uhr – hier klicken für den zweiten Teil!

Der erste Teil der Konferenz war zum großen Teil ein klares Bekenntnis zu den Naturschutzrichtlinien aus sehr vielen Richtungen. Beachtlich die positiven Worte der britischen Regierung und einiger Industrievertreter, erwartbar die Angriffe der Wald- und Grundbesitzer. Aber es wird klar, dass sie sich zunehmend isolieren. Spannend wird der Auftritt der ebenfalls bisher kritischen niederländischen Regierung am Nachmittag.


12:50, Lebhafte Debatte mit ungewöhnlichen Allianzen

mike clarkMike Clarke, Chef des größten Umweltverbands in Europa, der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) gibt wie zu erwarten ein starkes Statement für die Naturschutzrichtlinien ab. Unterstützt wird er vom Verband der europäischen Zementindustrie (CEMBUREAU), die sich schon länger für den Erhalt der Naturschutzrichtlinien einsetzen.

Einer der Väter der FFH-Richtlinie, Stanley Johnson (Vater des derzeitigen Londoner Bürgermeister) ist auch im Raum. Er spricht von dem starken Baum, der aus der Saat hervorgegangen ist – und appelliert an alle, die Erfolge nicht aufs Spiel zu setzen.

Dagegen feuert die finnische Forstindustrie „wir können nicht alles schützen“

 


12:40, Landbesitzerlobby greift NGO-Kampagne anlandowner

Der Sprecher der Europäischen Großgrundbesitzer schlägt einen schärferen Ton an. Die Umweltverbände hätten Bilder von „süßen Tieren“ missbraucht für ihre Kampagne anstatt vernünftig zu diskutieren….

Naturschutzrichtlinien fit. EU-Kommission stellt erste Ergebnisse des Fitness-Checks vor.

Eine Woche vor einer entscheidenden Konferenz in Brüssel zur Zukunft des EU-Naturschutzrechts (wir werden an dieser Stelle berichten!), stellte die EU-Kommission heute zwei wichtige Berichte ins Internet: Die vorläufigen Ergebnisse des Fitness-Checks der EU-Naturschutzrichtlinien (PDF-Download, Englisch) und die Analyse der EU-Bürgerbefragung vom Frühsommer 2015 (PDF-Download, Englisch).

Nach erstem Überfliegen bestätigen beide Dokumente in eindrucksvoller Weise, das was der NABU und andere Umweltverbände schon seit längerem betonen: Die EU-Naturschutzrichtlinien sind die richtigen Instrumente, was fehlt ist ihre ernsthafte Umsetzung und Finanzierung, durch die Mitgliedstaaten unterstützt durch die EU. Und: die ganz große Mehrheit der Öffentlichkeit ist gegen eine Neuverhandlung der Richtlinien, aber für eine starke Rolle der EU im Naturschutz. Auch eine Verschmelzung der Richtlinien sollte nun zumindest aus fachlicher Sicht vom Tisch sein.

naturealert

Mit dieser Kampagne haben wir gezeigt: EU-Bürger wollen Naturschutz.

Was fehlt ist nun eine politische Entscheidung der Kommissionsspitze wie es weitergeht. Diese könnte sich auf der Konferenz nächste Woche abzeichnen. Offiziell soll dies aber erst im Frühjahr bekannt gegeben werden. Man will auch noch abwarten wie sich die EU-Umweltminister und EU-Parlamentarier im Winter äußern.

Worten müssen Taten folgen

Wiederholt haben die Naturschutzverbände bemängelt, dass es mit der Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) nur unzureichend voran geht; dies haben auch Studien des Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes für Naturschutz belegt, z.B. der Bericht zur Lage der Natur im Jahr 2014 und der Artenschutzreport im Jahr 2015. „Die aktuelle Lage der Natur muss ein Weckruf an die Politik sein. Denn Abwarten führt dazu, dass unsere Natur immer weiter Schaden nimmt“ hatte NABU-Präsident Olaf Tschimpke darauf hin seinerzeit gefordert. Und nun war es so weit, in der vergangenen Woche hat Bundesumweltministerin Hendricks ihre „Naturschutzoffensive 2020“ vorgestellt, mit der eine Reihe von prioritären, für das Jahr 2020 formulierten Zielsetzungen der NBS doch noch erreicht werden soll.

BM Hendricks_stellt die Naturschutzoffensive vor (BMUB/Inga Wagner)

Bundesumweltministerin Hendricks stellt die Naturschutzoffensive vor (BMUB/Inga Wagner)

In der Tat, das muss man anerkennen, enthält das Papier deutliche Worte zu den Treibern aktueller Probleme des Naturschutzes. Dies war sicher nur möglich, weil das Papier explizit die Sichtweise der Umweltministerin wiedergibt, wie Frau Hendricks bei der Vorstellung betonte, und eben nicht im Vorfeld mit den anderen Bundesressorts abgestimmt wurde – genau hier liegt der Reiz, aber eben auch der mögliche Schwachpunkt der Naturschutzoffensive: Die Probleme, insbesondere die durch intensive industrielle Landnutzung hervorgerufenen, werden zwar klar benannt und mögliche Lösungswege aufgezeigt, die Umsetzung liegt aber weitgehend in der Zuständigkeit anderer Ministerien. Dies ist im Grunde nur logisch, denn die NBS ist schließlich eine Strategie der gesamten Bundesregierung und in der Konsequenz sind daher alle Ressorts dafür verantwortlich, dass die Weichen zur Zielerreichung bis 2020 gestellt werden. Mehr noch: Weil Naturschutz in weiten Teilen Ländersache ist, müssen zudem auch die Landesregierungen ihren Teil dazu beitragen. Entsprechend haben die Umweltverbände in einer ersten Stellungnahme ein konsequentes Handeln von Bund und Ländern eingefordert.

Die Naturschutzoffensive 2020 enthält insgesamt 10 prioritäre Handlungsfelder, von denen ich ein paar hier kurz anschneiden möchte:

Besonders treffend und ambitioniert geht die Naturschutzoffensive mit der industriellen Landwirtschaft ins Gericht. Hier besteht der größte Handlungsbedarf und gleichzeitig ein harter Wiederstand gegen substanzielle Reformen. Der Umweltbeauftragte des Deutschen Bauernverbandes sprach bei der Vorstellung der Offensive zwar von „Folterinstrumenten“ und „starkem Tobak“, aber an einer Reform der EU-Agrarförderung unter der Maßgabe „Geld für Leistung“ kommen wir (nicht nur) aus NABU-Sicht keinesfalls vorbei; auch die vorgeschlagene Weiterentwicklung der nationalen Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ mit einem Schwerpunkt Naturschutz ist ebenso überfällig wie eine naturverträgliche Ausgestaltung der Fischereipolitik und eine konsequente Umsetzung von Meeresschutzgebieten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wird hier sicher mehr als einmal angeschoben werden müssen wenn es gilt, richtig dicke Bretter zu bohren.

Beim verbesserten Vertragsnaturschutz im Wald schließlich sind die Länder ebenso gefragt wie beim vorbildlichen Naturschutz und der natürlichen Entwicklung in öffentlichen Wäldern (gemeinsam mit den Kommunen). Die Stärkung von Stadtgrün im Rahmen der Städtebauförderung wiederum ist etwas, dem der neue Ressortzuschnitt des Umweltministeriums entgegen kommt – daran, wie ambitioniert dieser Punkt umgesetzt werden wird, kann man dann bald ablesen, wie weit die Abteilung Städtebau schon in das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit integriert ist.

Bei den Schutzgebieten und dem Biotopverbund bin ich gespannt, was der „Nationale Aktionsplan Schutzgebiete“ tatsächlich bringen wird, den die Ministerin gemeinsam mit den Ländern starten möchte. Klar ist, dass die Länder gerade erst und mit jahrelanger Verspätung angefangen haben, ihre Hausaufgaben in Sachen Sicherung und Entwicklung der Natura 2000-Gebiete zu erledigen – und das auch erst vor dem Hintergrund eines durch die EU eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens – und dass noch ein langer Weg zu gehen ist. Interessant noch im Kontext Biotopverbund: Das schon seit einigen Jahren bestehende „Bundesprogramm Wiedervernetzung“ der Bundesregierung wird nicht explizit erwähnt, und das, obwohl doch gerade die Finanzierung des Programms bisher unzureichend ist und das Bundesverkehrsministerium (BMVI) hier dringend mit einem eigenen Haushaltstitel nachbessern müsste.

Positive Erwähnung findet das BMVI hingegen im Kontext des in Erarbeitung befindlichen Bundesprogramms Blaues Band, das vom NABU seit langem gefordert wurde. Gleichwohl wird sich erst in Zukunft erweisen, inwieweit dieses von Frau Hendricks als „Jahrhundertprojekt“ titulierte Programm die gestellten Erwartungen auch tatsächlich erfüllt (am 8. Dezember werden auf einer Statuskonferenz in Bonn die ersten Arbeitsgergebnisse vorgestellt – man darf gespannt sein). Denn neben politischen Absichtsbekundungen braucht es dafür eine tiefe institutionelle Verankerung, eine solide Finanzierung und zudem über einen langen Zeitraum den politischen Willen, die gesetzten Ziele auch gegen Wiederstände zu verfolgen – ganz so, wie es prinzipiell Grunde für alle Handlungsfelder gilt, die nun in der Naturschutzoffensive 2020 aufs Tableau gehoben werden.