Live aus Brüssel: NABU-Konferenzticker (Teil 2)
Hiermit geht unser Live-Blog zu Ende. Danke an alle, die so lange durchgehalten haben!
Es war eine denkwürdige Erfahrung zu sehen, wie immer mehr Interessensgruppen, immer mehr Regierungen sich im Laufe des Tages für die Naturschutzrichtlinien ausgesprochen haben. Bis auf einige unverbesserliche Lobbies scheinen wir im letzte Jahr sehr viele Menschen, Organisationen und Institutionen davon überzeugt zu haben, dass es sich lohnt, gemeinsam für die Natur zu arbeiten. Das ist sehr ermutigend – aber noch ist nichts entschieden. In jedem Fall werden wir uns stark einsetzen, die Umsetzung der Richtlinien zu verbessern. Die Liste, die die EU-Kommission am Ende der Konferenz verkündet hat, entspricht ziemlich genau dem, was wir auch für nötig halten!
Nachtrag: Die Teilnehmerliste, die meisten Vorträge und den Videomitschnitt findet man inzwischen hier.
17:25 Abschluss durch den Generaldirektor Umwelt der EU-Kommission
Sinngemäße Zitate von Daniel Calleja Crespo „Was nun: Die EU-Kommission wird im Frühling die finalen Schlussfolgerungen der Kommission über den Fitness Check veröffentlichen. Die Diskussion in den Niederlanden (Konferenz im Juni 2016) wird helfen, die konkreten Vorschläge zu definieren, die wir dann machen werden.
Welche Vorschläge werden das sein? Vorläufig kann die Kommission sagen:
- Dieser Fitness-Check muss im breiteren Kontext der Biodiversität gesehen werden. Vor allem die Rolle der Richtlinien außerhalb von Natura 2000, und Maßnahmen in der ganzen Landschaft, die das Netzwerk unterstützen können.
- Das Thema der Finanzierung muss angegangen werden.
- Wir müssen die bessere Umsetzung angehen. Best practice, training, guidance, intelligente Lösungen. Hieran müssen wir besser arbeiten. IMPLEMENTATION BECOMES CRITICAL.
- Mehr Durchsetzung. Die Kommission ist bereit ihre Rolle auszufüllen als Hüterin der Verträge. Wir werden von den Mitgliedstaaten verlangen, dass die Regeln auch wirklich eingehalten werden.
- Die Verbindungen zur Wirtschaft und Arbeitsplätzen, es gibt viele Verbindungen, die angegangen werden können.
Fortschritt geht dann, wenn es keine Konflikte zwischen den Gruppen gibt. Der Fitness-Check hat gezeigt, dass es gemeinsame Interessen gibt. Es sollte möglich sein, die notwendingen Gemeinsamkeiten zu finden. Was auf dem Spiel steht, ist viel zu groß, als dass wir es uns leisten können zu scheitern.
Schließlich müssen wir das Bewusstsein für die Bedeutung der Biodiversität noch viel weiter steigern.
Viel Arbeit liegt vor uns. Wir werden gut mit den kommenden Ratspräsidentschaften von Luxembourg, den Niederlanden und der Slowakei zusammenarbeiten.
Ich möchte Kommissar Vellas Botschaft wiederholen. Er hat seine persönliche Hoffnung geäußert, dass die Richtlinien eine gute Rolle für die Biodiversität spielen.
Meine persönliche Schlussfolgerung ist, was ich auf den Plakaten der NGOs gesehen habe: NATURE MATTERS. Wenn wir die Gesetzgebung umsetzen, und das zusammen tun, können wir es schaffen! Danke!“
17:15 Die slowakische Regierung spricht: Kein Bedarf an Veränderungen!
Die Slowakei wird die EU-Ratspräsidentschaft inne haben, wenn die finalen Entscheidungen über die EU-Naturschutzrichtlinien getroffen werden, in der zweiten Hälfte 2016.
Das Statement des Staatssekretärs, das wir gerade hören ist ebenfalls eine Überraschung: eine so klare Aussprache für die Richtlinien hätten wir nicht erwartet.
17:05 BREAKING NEWS: Die Niederlande wollen keine Änderung der Naturschutzrichtlinien !!!
Der Generaldirektor im Ministerium für Landwirtschaft und Natur, Hans Hoogeven, beteuert: auch die Niederlande wollen die Naturschutzrichtlinien nicht ändern. Wenn wir das alle richtig verstanden haben, dann wäre das ein sehr wichtiger Schritt und eine Änderung der bisherigen Postion. Allerdings haben sich die Niederlande in den letzten Monaten immer wieder unklar geäußert und ihre Positionen geändert…
Die Niederlande wollen, so Hoogeven, sich in ihrer EU-Präsidentschaft in der ersten Hälfte 2016 der verbesserten Umsetzung der Richtlinien widmen.
Nachtrag: Liest man in der nun veröffentlichten Rede nach, findet sich dieses Statement nicht mehr so klar: „Biodiversity, as well as reaching our common Nature objectives, shouldnot be disputed. TheEuropean nature objectives should strongly be supported and should not be changed. That is also the position of the Netherlands government.“ Es ist nur die Rede davon, man wolle die „Ziele“ nicht ändern, nichts von den Richtlinien selbst…“
17:00 Die Abschlussrunde hat begonnen…
Die EU-Kommission fasst die wesentlichen Aussagen der bisherigen Debatten zusammen. Es scheint, dass sie viele der Vorschläge für eine bessere Umsetzung aufgreifen wollen. Zum Beispiel mehr Unterstützung und Fortbildung für alle, die mit Planung und Rechtssprechung im Bereich Naturschutz zu tun haben.
Die Kommission sieht, dass es neben den Konflikten in der Agrarpolitik auch viele gemeinsame Ziele mit der Landwirtschaft gibt.
Natürlich wird die Kommission hier keine Entscheidung treffen- aber die Beweislage und die Stimmung auf der Konferenz ist so eindeutig, dass es ein wahrer Affront wäre, wenn sie dies ignorieren würden.
16:50 Irische Agrarlobby sieht nur Probleme und zweifelt Studie der Kommission an…
… wogegen sich die Experten verwahren. Der europäischer Anglerverband dagegen bekennt sich in einem Statement zu den Richtlinien, sehr gut!
16:45 Österreichische Unterstützung für die Naturschutzrichtlinien
Ein Bündnis von NGOs aus Österreich hat in diesem Sinne an die EU-Kommission geschrieben und zitiert aus dem Brief.
16:40 Die Umweltverbände sehen EU-Unterstützung ihrer Mitgliedschaft in Gefahr
Clairie Papazoglou, Direktorin von BirdLife Zypern, betont, dass viele Naturschützer in ganz Europa der EU bei Schutz des Naturerbes vertrauen. Dieses Vertrauen würde schwinden, wenn die Standards geschleift werden. Ihre bulgarische Kollegin unterstützt sie dabei, und ergänzt: in Bulgarien sind viele Tourismusbetriebe und Landwirte froh über Natura 2000. Denn dies gibt ihrem Land einen Mehrwert.
16:35 Und hier ein klares Wort an die Gegner der Natur
Die Gegenkampagne von NatureAlert, befeuert vor allem von deutschen und österreichen Lobbies behauptet, die EU-Naturschutzrichtlinien hätten keinen Mehrwert. Jetzt wird klar: sie haben KEINE Belege dafür geliefert im Rahmen der Fitness-Check-Studie. Für das Gegenteil gibt es jedoch eine erdrückende Beweislage.
16:30 Die internationale Naturschutzunion (IUCN) ist klar gegen eine Änderung der Naturschutzrichtlinien
Luc Bas, Chef des Europa Büros der Internationalen Naturschutzunion IUCN, betont, dass alle IUCN-Mitglieder, weltweit, Staaten, NGOs und Unternehmen gegen Rückschritte in der Umweltgesetzgebung sind. Die neuen Sustainable Development Goals sagen das auch sehr klar! IUCN sieht einen starken EU-Mehrwert der Naturschutzrichtlinien.
16:25 Der erste Vortrag auf deutsch: der Verband der Gesteinsabbauer (UEPG)
Dirk Fincke, Generalsekretär (Zitate sinngemäß): „Die Gesteinsabbauer sind gezwungen, auch in Natura-2000-Gebieten abzubauen. Normalerweise sind die Flächen, die wir nach dem Abbau der Natur zurückgeben wertvoller als zuvor…Es gibt eine gute Zusammenarbeit mit den Umweltverbänden, dies sollte in der Studie mehr anerkannt werden. Dies ist nämlich ein wichtiger Mehrwert der Naturschutzrichtlinien, die das auch möglich gemacht haben.“
„Ein wichtiger Mehrwert der Naturschutzrichtlinien ist für uns auch die vergleichbare Rechtsgrundlage in allen EU-Staaten. Die Frage, ob man die Richtlinien ändern muss oder nicht, haben wir lange diskutiert. Wir wollen diese erst beantworten, wenn der Fitness-Check abgeschlossen ist…“
16:20 Auftritt der Kritiker der Naturschutzrichtlinien
Jetzt spricht Marc de Rooy für das niederländische Ministerium für „Infrastruktur und Umwelt“. Er beginnt direkt mit den vielen Problemen, die sie mit den Naturschutzrichtlinien haben. Es klingt bei ihm, als blockieren diese die Wirtschaftsentwicklung und sogar die Sicherheit vor Sturmfluten der Niederlande.
Eine kryptische Aussage zum Schluss: er würde sich freuen, wenn die Experten der Kommission aufzeigen können, wie die Umsetzungsprobleme zu lösen wären, ohne die Naturschutzrichtlinien zu ändern…
16:15, Brauchen wir die EU um Natur zu schützen? Die Fakten sagen ja, manche Lobbies sagen nein…
Alle Umfragen zeigen, dass die Europäer von der EU erwarten, die Natur zu schützen. Eine Abschwächung von Standards würde die EU-Skepsis noch weiter befeuern.
Der Vertreter von Estland sagt: Die Naturschutzrichtlinien sind gut. Sie sind auch geeignet um mit dem Wolf umzugehen!
16:00, Fundamentale Fragen zum Ende der Debatte – „Relevanz und Mehrwert“
Am Ende der Konferenz geht es nun um einfache, aber doch fundamentale Frage. Sind die EU-Naturschutzrichtlinien noch modern und relevant? Und könnten die gleichen Ziele nicht auch durch rein nationale Gesetzgebung erreicht werden?
Marta Ballesteros, eine der Berater der EU-Kommission kommt nach einem Jahr Untersuchungen zu einem klaren Schluss: die Richtlinien bilden einen geeigneten rechtlichen Rahmen um die Probleme von Arten und ihren Lebensräumen anzugehen. Aber sie benötigen auch Maßnahmen in anderen EU-Politikbereichen, zum Beispiel in der Agrarpolitik.
Offensichtlich gibt es große Unterschiede bei der Frage, ob die Anhänge der Richtlinien geändert werden sollten. Alle Naturschutzverbände, aber auch einige Regierungen und Wirtschaftsvertreter sprechen sich dagegen aus – wichtiger sind Umsetzung und Rechtsicherheit. Dagegen stehen Lobbies, die sich davon erhoffen Wölfe zum Abschuss freizugeben, oder bei Planunsgprojekten nicht mehr auf Arten von EU-weiter Bedeutung Rücksicht nehmen zu müssen.
15:45, Britische Energienetzbetreiber wollen Rechtssicherheit, keine Änderung der Naturschutzrichtlinien
Es zeigt sich wieder, dass die Agrarlobby ziemlich isoliert ist in ihrem Widerstand gegen die Naturschutzgesetze.
15:35, Europäisches Umweltbüro fordert eine Agrarpolitik, die nicht nur auf dem Papier grün sind
15:25, die Agrarindustrie spricht: Naturschutz darf wirtschaftlicher Entwicklung nicht im Wege stehen
Liisa Pietola vom europäischen Agrarverband (COPA COGECA) stellt erstmal klar, dass sie die gegenwärtige Naturschutzpraxis in Europa für zu streng hält.Keinesfalls dürfte Naturschutz der Lebensmittelproduktion im Wege stehen, schließlich müsse man das Welternährungsproblem lösen…
Immerhin meint sie man müsse nicht unbedingt die Naturschutzrichtlinien selbst ändern, auf jeden Fall aber deren Anhänge (sprich den Schutz einzelner Arten aufheben). Die Gemeinsame Agrarpolitik trage schon viel bei zum Naturschutz, Verbesserungen könnten aber noch notwendig sein. Für eine Bewertung des „Greenings“ der letzten Agrarreform sei es noch zu früh. Und natürlich sollte alles freiwillig geschehen, ohne Zwang.
Meine Bewertung: Der Versuch die Welternährung gegen den Naturschutz auszuspielen ist nicht akzeptabel und unerträglich. Es geht der Agrarindustrie doch darum, mehr Profite aus dem Export von Lebensmitteln – und nicht darum die Lage von Bauern in Entwicklungsländern zu verbessern… Es scheint aber so zu sein, dass sich diese Lobby inzwischen etwas vorsichtiger zu den Naturschutzrichtlinien ausdrückt als zuvor – angesichts der erdrückenden Beweislast des Fitness-Checks und der immer größeren Koalition von Unterstützern der Richtlinien. Und vielleicht denkt dort ja auch jemand daran, dass man eine Rechtfertigung gegenüber der Gesellschaft braucht, wenn man im Jahr 40 Milliarden Euro an Subventionen erhält.
15:15, Was ist fit- Naturschutzgesetze oder die Agrarpolitik?
Jetzt geht es ans den Kern des Konflikts. Während der Vertreter der polnischen Regierung darstellt, welch große Leistung der Aufbau des Natura-2000-Netzwerks gerade in den neuen Mitgliedstaaten darstellt (die man nicht aufs Spiel setzen sollte), ist die Rede des irischen Ministeriums für Landwirtschaft und Fischerei kaum mit der Realität in Einklang zu bringen. Neben mir sitzt die Kollegin unseres irischen BirdLife Partners. Die Agrarindustrie in Irland kennt wenig Rücksicht mit der Natur, und entsprechend stark lobbyieren sie im Brüssel…
15:00, Zurück aus der „Mittagspause“
Eineinhalb Stunden Pause klingt nach schöner Entspannung bei gutem Essen… Das Essen war tatsächlich gut, aber Zeit zum Genießen war kaum. Wir von den Umweltverbänden waren in viele Gespräche verwickelt, vor allem mit Regierungsvertretern. Teilweise ging es einfach darum, ihnen Argumente zu liefern, warum eine Neuverhandlung der Naturschutzgesetze auch für sie gar keine gute Idee wäre. Sie alle müssten erst jahrelang verhandeln, dann neue Regeln in ihre nationale Gesetzgebung integrieren und gleichzeitig neuen Streit zwischen den Interessensgruppen schlichten. Und zwischendrin verteilten wir fleißig unsere Konferenz-Anstrecker…
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