Rastvögel Beiträge

Schwenk um Schwenk dem Glück ein bisschen näher

Liebe Trischen-Blogleser*Innen,

Montag, 24.7.2023. Ich habe mich mal wieder hinter der Hüttenwand verschanzt. Eigentlich ist Juli, aber anscheinend hat das Wetter das in letzter Zeit vergessen. Ich will mich nicht beschweren – ich mag das Nordseewetter. Grautrüber Himmel und Wind, der mir den Nieselregen ins Gesicht peitschen lässt, das alles weckt meine Lebensgeister und lässt mich das ein oder andere Mal den Strand in Regenmontur auf- und abhüpfen.

Aber der Wind lässt eben nicht nur mich hüpfen, sondern auch das Spektiv wackeln, weshalb die Auswahl der richtigen Hüttenwand entscheidend ist. So stehe ich also da und suche die Südostbucht ab, genauer gesagt die Vögel, die durch das auflaufende Wasser langsam in meine Richtung getrieben werden. Alpi-Alpi-Alpi-Knutt-Alpi. Huch, was war da? Hatte der Alpi (Alpenstrandläufer, Calidris alpina), da nicht etwas Farbiges am Bein? Nochmal einen Schwenk zurück. Tatsächlich, seine Beine werden durch mehrere bunte Ringe verziert. Ich kann nur noch nichts erkennen. Während ich im Stillen heimlich die Sonne verfluche, die natürlich gerade jetzt scheinen muss, warte ich bis der Alpi langsam näherkommt und hoppla…davonfliegt. Gemeinheit!

Aber so leicht will ich mich nicht geschlagen geben. Da kommt mir schonmal ein Alpenstrandläufer mit Ring vor das Spektiv und ich kann ihn nicht ablesen und damit auch keinem Beringungsprojekt zuordnen. Wie spannend wäre es zu wissen, wo der Alpi beringt wurde und wohin ihn seine Flügel bisher getragen haben.

Also mache ich mich am nächsten Tag auf in Richtung Südspitze. Ich bin lange vor Hochwasser da, damit ich nicht alle Rastvögel aufscheuche, die sich bei Hochwasser gerne an der Südspitze tummeln. Und wieder verschanze ich mich im Windschatten, dieses Mal aber hinter den Dünen, und warte, warte, warte. Endlich kommen sie. Erst wenige, dann ganz viele. Immer näher trippeln sie vor mir an der Wasserkante entlang und ich lasse das Spektiv heiß werden, indem ich fleißig am Schwenken bin und Alpi für Alpi durchmustere, immer auf der Suche nach einem bunten Beinschmuck.

Und da ist er! Ich kann mein Glück kaum fassen, den einen Vogel unter so vielen wiederzufinden. Also schnell ablesen, denn schon ist er wieder weg. Und da ist noch ein zweiter! Dieses Mal jedoch mit einer weißen Flagge am Bein. Nur leider kann ich die Ziffern nicht erkennen. Erst später am PC erfahre ich, dass der Vogel in einem Projekt in Polen beringt wurde, auch wenn sich das Individuum leider nicht zuordnen lässt. Und der Alpi mit den bunten Ringen? Tja, auch ihn konnte ich bisher nicht eindeutig zuordnen. Entweder ich habe einen Fehler bei der Ablesung gemacht, oder das Projekt ist auf der Plattform https://cr-birding.org/ noch nicht eingetragen.

Vielleicht sind da ja noch mehr? Ich schwenke weiter Alpi für Alpi durch die Reihen. Moment mal, dieser hier sieht anders aus. Ich sehe nur das Rückengefieder, aber das wirkt irgendwie dunkler. Abwarten. Der Vogel dreht sich. Hat er da Streifen auf dem Kopf? Und der Schnabel wirkt so komisch, als wäre er an der Spitze abgeknickt worden. Hmm. Es dauert ein bisschen, bis sich der Gedanke in meinem Kopf manifestiert. Ein Sumpfläufer! Sumpfläufer (Calidris falcinellus) sind eher seltene aber regelmäßige Durchzügler an der Küste und zwischen den ganzen anderen Limikolen gar nicht so einfach zu entdecken.

Alpenstrandläufer (Calidris alpina) mit Sumpfläufer (Calidris falcinellus) in der Mitte

Mit einem Sumpfläufer und zwei beringten Alpis habe ich an diesem Tag mein Glück ganz schön strapaziert und so mache ich mich hüpfend, mit Glücksgefühl im Bauch, auf den Rückweg zur Hütte.

Ihre Melanie Theel

Die Allerweichste mit dem schwarzen Körper

Niedrigwasser. Ich sitze unter meinem provisorischen Sonnensegel und blicke auf das Watt. Weit draußen auf der Sandbank und im Priel flimmern unter der Sonne unzählige schwarze Punkte. Sie sind nur zu erahnen, aber ich weiß, dass sie da sind. Bei der Springtidenzählung letzte Woche „zählte“ oder eher „rasterte“ ich rund 9.500 Individuen der Somateria mollissima, was in etwa bedeutet „die Allerweichste mit dem schwarzen Körper.“ Die meisten kennen sie jedoch unter der Bezeichnung „Eiderente“.

Ihren Namen trägt die Eiderente nicht ohne Grund, denn die Daunen ihres Gefieders sind ungewöhnlich weich und isolierend. Das hilft der Meeresente nicht nur bei den rauen Wetterbedingungen in ihrem Verbreitungsgebiet in der nördlichen Hemisphäre, sondern isoliert ebenfalls die Eier im Nest, welches die Eiderenten mit ihren Bauchdaunen auspolstern. Auch der Mensch hat schnell die isolierenden Eigenschaften der Eiderentendaune erkannt und für sich genutzt. Sie werden aus den Nestern gesammelt, gesäubert und als Füllmaterial für Decken und Kissen verwendet.

Wie die große Anzahl der Eiderenten auf Trischen vermuten lässt, handelt es sich bei den derzeit etwa 9.500 Individuen nicht um Brutvögel. Die Eiderenten stammen größtenteils aus der Ostsee und kommen ins Wattenmeer, um hier zu mausern. Sie führen eine sogenannte Vollmauser durch, erneuern also neben dem Körpergefieder auch ihr Großgefieder. Und so werden aus den herrlich gefärbten weiß-schwarzen Männchen mit grünem Nackenband, dunkel gefärbte Gesellen. Die Großgefiedermauser setzt nach der Mauser des Körpergefieders ein und umfasst Schwung- und Steuerfedern, weshalb die Eiderenten für einige Zeit flugunfähig sind. In dieser vulnerablen Lebensphase brauchen sie also einen möglichst ungestörten Ort mit ausreichenden Nahrungsgrundlagen.

Welche das sind, wird schnell bei einem Strandspaziergang klar. Neben den gemauserten Federn, zeugen nämlich auch Speiballen von ihrer Anwesenheit auf Trischen. Als Meeres- und Tauchenten findet die Eiderente ihre Nahrung am Meeresboden, meist in Form von Muscheln oder Krebstieren. Diese werden im Ganzen verschluckt und dann mithilfe ihres Muskelmagens geknackt. Damit das Knacken etwas einfacher geht, werden auch kleinere Steinchen mit aufgenommen. Der unverdauliche Rest, die Schale, wird nach oben gewürgt und findet sich in Form kleiner Bällchen am Strand wieder.

Speiballen der Eiderente: bei dieser Ente standen Miesmuscheln auf dem Speiseplan

Ich mag die auf den ersten Blick etwas plump wirkenden Enten sehr gerne. Wie sie so über das Wasser dümpeln, mit einem „plop“ abtauchen oder sich gelegentlich aufrichten und ihre Flügel „ausschütteln“ geben sie für mich ein Bild der vollkommenen Gelassenheit ab. Aber am allerliebsten höre ich ihnen an windarmen Abenden zu, wenn ihr Ruf weit über das Wasser schallt und bis zu meiner Hütte getragen wird. Das „oua“ wirkt ungemein beruhigend auf mich und passt perfekt zu der gemütlich wirkenden Ente und der friedlichen Abendstimmung auf Trischen.

Ihre Melanie Theel

1,2,3, ganz Viele…

Eine zentrale Aufgabe einer Vogelwartin ist, na klar, Vögel beobachten und dokumentieren. Das mache ich natürlich nicht einfach so nach Lust und Laune, sondern habe da genaue Vorgaben.

Nicht nur auf Trischen, sondern an ganz vielen Stellen im Wattenmeer werden zum Beispiel regelmäßig rastende Vögel erfasst. Das ist eine nicht ganz leichte Übung, denn hier gibt es vor allem im Frühjahr und im Herbst wirklich viele Vögel zu zählen. Diese nutzen die nahrungsreichen Wattflächen, um auf dem Zug zwischen ihren Winter- und Brutgebieten „aufzutanken“. Viele Vögel verbringen den Winter an der Westküste Afrikas. Im Frühjahr fliegen sie von dort aus zu uns ins Wattenmeer. Sie legen dabei hunderte oder gar tausende Kilometer zurück. Im Wattenmeer bleiben sie für einige Wochen, um sich mit Muscheln, Schnecken und Würmern ordentliche Fettpolster anzufressen. Diese brauchen sie, für den anstrengenden Weiterflug nach Norden. Für die Brut fliegen manche Vögel nämlich bis in die Tundragebiete im Norden Skandinaviens oder Russlands. Nach der Brut geht ihre Reise dann umgekehrt wieder zurück, so dass wir im Herbst wiederum viele Rastvögel bei uns beobachten können.

Ohne Rastplatz wäre so eine lange Reise für die Vögel nicht zu schaffen. Für sie ist ein intaktes Wattenmeer mit reichlich Nahrung überlebensnotwendig. Gut, dass es als Nationalpark und Weltnaturerbe geschützt ist.

Also plane ich meine erste Rastvogelzählung für Trischen und greife dazu erst einmal zum Tidenkalender. Ich schaue nach, wann Hochwasser ist. Denn bei Niedrigwasser tummeln sich die Vögel auf den weiten Wattflächen um zu fressen. Erst die aufkommende Flut zwingt sie, sich auf den Rastplätzen zu versammeln. Hier kann ich sie dann zählen.

Anfänglich geht die Zählung gut los. Gut zu erkennen sind die großen Brachvögel und die auffälligen Kiebitzregenpfeifer. Dann mache ich mich an die kleineren Vogelarten wie Sandregenpfeifer und Alpenstrandläufer. Da wird es schon etwas schwieriger. Zudem kommt das Wasser schneller in die Bucht gelaufen als ich erwartet habe. Ich muss mich schon ganz schön beeilen. Ich bin noch nicht ganz fertig, wird es in der Gruppe plötzlich unruhig und größere Schwärme fliegen hoch und auf die andere Seite der Insel aus meinem Blickfeld heraus.

„Na toll. Das war wohl nichts!“.

Also nehme ich mir wieder den Tidenkalender und plane eine neue Zählung am Abend. Diesmal bin ich schlauer und fange früher an. Und so klappt es diesmal auch schon viel besser. Etwa 5.000 Vögel habe ich an dem Abend gezählt. Ein kleiner Einblick, wenn man bedenkt das im Wattenmeer jährlich Millionen von Zugvögeln Rast machen. Dennoch sind die Zählungen wichtig, um Veränderungen in den Vogelbeständen frühzeitig zu erkennen. Nur so können wir wissen, ob es der Vogelwelt im Wattenmeer gut geht.

Weitere Informationen zu Rastvögeln im Wattenmeer…

Gelbbrauen-Laubsänger auf Trischen

Ein Wunsch geht in Erfüllung: Der ersehnte Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus) zeigte sich heute auf Trischen.

Ein kleiner brauner Vogel huscht stumm und unscheinbar durch die Vegetation der Primärdünen an der Südspitze. Dass ich ausgerechnet dort den herbstlichen Durchzügler finden sollte, nach dem ich schon die ganze Zeit Ausschau halte, hätte ich wirklich nicht erwartet. An der Hütte, im Lockgebüsch oder in einer der Kartoffelrosen hätte ich schon eher mit ihm gerechnet. Doch als ich dem rastlosen Winzling ein Stückchen durch die Grasinseln im Sand folgte und endlich einen Blick durch das Fernglas auf ihn werfen konnte, hatte ich keine Zweifel: ein langer, deutlicher hellgelber Überaugenstreif und weißlich gelbe Flügelbinden auf den Großen und mittleren Armdecken ließen meinen Puls in die Höhe schnellen.

Nachdem ich hektisch ein paar Belegbilder schießen konnte, zeigte sich der Vogel dann doch überraschend fotogen. Zwischen den Gräsern der Primärdünen war er offenbar auf Nahrungssuche und ließ sich von dem neugierigen Vogelwart kaum beirren. Zwischendurch flog er allerdings im hohen Bogen ein Stückchen zur nächsten kleinen Grasinsel und so musste ich ihn immer wieder neu aufspüren.

Gelbbrauen-Laubsänger brüten in der sibirischen Taiga vom Nordural bis Ostsibirien. Als Langstreckenzieher überwintern sie eigentlich in Südostasien. Doch jedes Jahr zwischen Ende September und Ende Oktober sind auch in Europa zunehmend Gelbbrauen-Laubsänger zu finden. Vor allem an der Nordseeküste lohnt es sich dann nach dieser kleinen Besonderheit zu suchen. Während Gelbbrauen-Laubsänger-Beobachtungen z.B. auf Helgoland zur passenden Zeit garantiert sind, braucht man andernorts aber schon eine ordentliche Portion Glück.

So kommt es, dass auf Trischen seit 1976 bisher in nur vier Jahren Gelbbrauen-Laubsänger gesichtet wurden. Da habe ich also Glück gehabt und hoffe auf noch ein paar weitere Raritäten in den letzten Tagen.

Skuas auf Trischen

Wenn plötzlich die den Krabbenkuttern folgenden Möwen in Aufruhr sind, dann lohnt sich die Suche nach dem großen dunklen Räuber in der Ferne. Und wenn die Rastvögel auf der Insel zu Hochwasser in Panik geraten, geht die Skua (Stercorarius skua) vielleicht direkt vor dem Hüttenfenster der Nahrungssuche nach.