1,2,3, ganz Viele…

Eine zentrale Aufgabe einer Vogelwartin ist, na klar, Vögel beobachten und dokumentieren. Das mache ich natürlich nicht einfach so nach Lust und Laune, sondern habe da genaue Vorgaben.

Nicht nur auf Trischen, sondern an ganz vielen Stellen im Wattenmeer werden zum Beispiel regelmäßig rastende Vögel erfasst. Das ist eine nicht ganz leichte Übung, denn hier gibt es vor allem im Frühjahr und im Herbst wirklich viele Vögel zu zählen. Diese nutzen die nahrungsreichen Wattflächen, um auf dem Zug zwischen ihren Winter- und Brutgebieten „aufzutanken“. Viele Vögel verbringen den Winter an der Westküste Afrikas. Im Frühjahr fliegen sie von dort aus zu uns ins Wattenmeer. Sie legen dabei hunderte oder gar tausende Kilometer zurück. Im Wattenmeer bleiben sie für einige Wochen, um sich mit Muscheln, Schnecken und Würmern ordentliche Fettpolster anzufressen. Diese brauchen sie, für den anstrengenden Weiterflug nach Norden. Für die Brut fliegen manche Vögel nämlich bis in die Tundragebiete im Norden Skandinaviens oder Russlands. Nach der Brut geht ihre Reise dann umgekehrt wieder zurück, so dass wir im Herbst wiederum viele Rastvögel bei uns beobachten können.

Ohne Rastplatz wäre so eine lange Reise für die Vögel nicht zu schaffen. Für sie ist ein intaktes Wattenmeer mit reichlich Nahrung überlebensnotwendig. Gut, dass es als Nationalpark und Weltnaturerbe geschützt ist.

Also plane ich meine erste Rastvogelzählung für Trischen und greife dazu erst einmal zum Tidenkalender. Ich schaue nach, wann Hochwasser ist. Denn bei Niedrigwasser tummeln sich die Vögel auf den weiten Wattflächen um zu fressen. Erst die aufkommende Flut zwingt sie, sich auf den Rastplätzen zu versammeln. Hier kann ich sie dann zählen.

Anfänglich geht die Zählung gut los. Gut zu erkennen sind die großen Brachvögel und die auffälligen Kiebitzregenpfeifer. Dann mache ich mich an die kleineren Vogelarten wie Sandregenpfeifer und Alpenstrandläufer. Da wird es schon etwas schwieriger. Zudem kommt das Wasser schneller in die Bucht gelaufen als ich erwartet habe. Ich muss mich schon ganz schön beeilen. Ich bin noch nicht ganz fertig, wird es in der Gruppe plötzlich unruhig und größere Schwärme fliegen hoch und auf die andere Seite der Insel aus meinem Blickfeld heraus.

„Na toll. Das war wohl nichts!“.

Also nehme ich mir wieder den Tidenkalender und plane eine neue Zählung am Abend. Diesmal bin ich schlauer und fange früher an. Und so klappt es diesmal auch schon viel besser. Etwa 5.000 Vögel habe ich an dem Abend gezählt. Ein kleiner Einblick, wenn man bedenkt das im Wattenmeer jährlich Millionen von Zugvögeln Rast machen. Dennoch sind die Zählungen wichtig, um Veränderungen in den Vogelbeständen frühzeitig zu erkennen. Nur so können wir wissen, ob es der Vogelwelt im Wattenmeer gut geht.

Weitere Informationen zu Rastvögeln im Wattenmeer…

Anne Evers

Vogelwartin 2020/21