Anne Evers Beiträge

Nachtrag und Vorschau

Liebe LeserInnen,

vor genau zwei Monaten habe ich Trischen verlassen. Und wie im letzten Beitrag angekündigt, melde ich mich noch ein letztes Mal, bevor ich dann endgültig den Hüttenschlüssel an meinen Nachfolger Till übergeben werde.

Es ist einen Beitrag zum Mikroplastik vor Trischen, dem wir im Sommer auf der Spur waren und eine Ankündigung für die Festtage.

 

Mikroplastik „fischen“

Anfang September haben wir vor Trischen im Rahmen des „Weniger ist Meer“-Projektes nach Mikroplastik „gefischt“. Zweimal vor der Südspitze und einmal im Norden der Insel. Dazu wird ein sogenannter Mantatrawl in die Strömung gehalten. Für 30 Minuten werden kleinste Partikel in dem feinen Netz aus Gaze eingefangen, während etwa 6.000 Liter durch das Netz strömen. Am Ende des Netzes befindet sich ein kleiner Fangtrichter, in dem sich die Partikel sammeln. Diese werden noch an Bord ausgesiebt und in Schalen überführt, um die Proben später auf ihre einzelnen Bestandteile, und ob sie von organischer oder künstlicher Herkunft sind, zu untersuchen.

 

Da die Partikel so winzig sind, kann man mit dem bloßen Auge nichts erkennen. Daher habe ich die Proben an Caro und Lauren von „Weniger ist Meer“ gegeben. Sie haben diese im Labor des Alfred-Wegener-Instituts auf Helgoland mit speziellen Analysegeräten ausgewertet. Das Ergebnis lautet: In allen drei Proben haben sie Plastikpartikel gefunden, insgesamt vier Partikel. Diese tragen Namen wie Fiberpolyester und Polyethylen. Ein Partikel war aus Lack oder Ähnlichem mit dem Farbton Ultramarinblau. Wenn ich daran denke wie viel Plastikmüll sich im Laufe der Saison am Strand von Trischen angesammelt hatte, verwundert es mich eigentlich nicht auch Mikroplastik im Wasser zu finden.

 

Wir haben lange darüber gesprochen, ob vier Partikel auf etwa 18.000 Liter Meereswasser nun viel oder wenig Verschmutzung bedeutet. Caro erzählte mir, dass sie in anderen Proben mehr und teilweise auch größere Partikel gefunden haben. Aber ob das nun heißt, dass es vor Trischen tatsächlich weniger Mikroplastik gibt als anderswo, kann man mit nur drei Proben nicht sagen. Dazu müssten Probennahmen im viel größeren Stil durchgeführt werden.

Wenn Sie mich fragen, dann spielt es keine Rolle ob viel oder wenig. Kein Mikroplastik muss unser Ziel sein! Denn ist es erst im Wasser, dann findet es seinen Weg in die Tiere und schließlich auch in unsere eigenen Körper, wo es viel Unheil anrichten kann.

Das Thema ist unglaublich vielfältig: Wo kommt Mikroplastik her, was hat es für Auswirkungen, wie können wir es vermeiden. Wie das Team von „Weniger ist Meer“ empfehle dazu den Plastikatlas der Heinrich Böll Stiftung!

 

„Kamera läuft“

Wenn Sie noch mehr Lust auf das Wattenmeer und Trischen haben, dann können Sie am 23. Dezember um 20.15 Uhr im NDR Fernsehen die Dokumentation „Land zwischen den Strömen“ anschauen. Hier im Blog berichtete ich schon über den Besuch der „Johanna von Amrum“ vor Trischen. Ich bin selbst sehr gespannt, wie es geworden ist und wo die „Johanna von Amrum“ sonst noch festgemacht hat.

Liebe LeserInnen,

ich wünsche Ihnen einen besinnlichen Ausklang des Jahres, schöne Festtage und freue mich wie Sie im kommenden Jahr neue und spannende Geschichten über die „Perle des Wattenmeeres“ zu erfahren.

Herzlichst Ihre Anne

 

Danke!

Liebe LeserInnen,

ich bin jetzt seit einigen Tagen zuhause, wo ich mich schon wieder gut eingewöhnt habe. Heute habe ich dann die Seite „Trischen in Bildern“ um den letzten Monat Oktober ergänzt. Beim öffnen der Seite sehe ich, das 17 Kommentare im Gästebuch eingegangen sind – so viele wie noch nie!

Ich bin zutiefst gerührt von den vielen lieben Worten und dem Lob – vielen Dank dafür!

Demnächst wird es dann noch einen „richtigen“ Beitrag geben. Im September haben wir nämlich mit der Luise nach Mikroplastik gefischt. Die Proben liegen noch bei mir zuhause. Sobald diese am Binokular ausgewertet sind, werde ich ausführlich darüber berichten.

bis dahin,

herzliche Grüße

Ihre Anne

 

Was bleibt

Liebe LeserInnen,

dies wird der letzte Beitrag sein, den ich aus Trischens kleiner Vogelwärterhütte schreibe. Morgen wird die „Luise“ das letzte Mal in diesem Jahr an der Südspitze anlegen, um abends wieder Richtung Meldorf zu fahren.

Ein Freund meinte einmal zu mir: „Die Zeit auf Trischen wird dich bestimmt verändern“. Und ja, ich stimme ihm zu. Ich habe viel gelernt. Ich habe Vögel, Pflanzen und Insekten bestimmt, viel Neues entdeckt.

Aber neben diesen fachlichen Dingen, hat sich vor allem meinen Blick auf mich selbst verändert.

Wenn ich von der Hütte aus am Horizont entlang schaue, sehe ich tausende Windräder und riesige Containerschiffe. Damit diese in den Hamburger Hafen einfahren können, wird die Elbe massiv ausgebaggert und das Ökosystem des Flusses stark beeinträchtigt. Im Norden sehe ich eine gigantische Muschelzuchtanlage, bebaute Ferienorte an der Küste. Und natürlich meine Nachbarsinsel, die Ölbohrinsel „Mittelplate A“ mit der dazugehörigen Raffinerie am Festland. Eine Industrielandschaft. Trischen wirkt dann gleich doppelt wie eine Insel.

 

Mein Leben in den letzten Monaten hier war denkbar einfach. Gerade mal 16 Quadratmeter zum Arbeiten, Essen und Schlafen, ein paar Solarzellen für zwei Steckdosen, ein Gasherd und ein Holzofen. Ich habe alles gehabt was ich brauche – habe nichts vermisst.

Ich weiß das mein „normales“ Leben mit dieser Industrielandschaft zu tun hat. Mein Lebensstil und mein Konsum bedingen, das es weniger Orte wie Trischen und mehr Orte wie die Ölbohrinsel gibt. Manchmal vergesse ich das im Alltag. Hier auf Trischen wurde mir dieser Umstand täglich vor Augen geführt. Aber ich weiß auch, dass ich mich jeden Tag aufs Neue entscheiden kann. Entscheiden was ich tue, was ich kaufe (ob ich überhaupt etwas kaufe) und was ich wirklich brauche.

Das ist es, was bleibt.

Ich bedanke mich für Ihr Interesse und die vielen Rückmeldungen im Gästebuch – es war mir eine echte Freude!

Und da Sie jetzt gerade auf den Bildschirm des Computers oder auf ihr Handy schauen, bleibt mir nur noch der Appell, den Peter Lustig in der Kindersendung Löwenzahn immer am Ende gesagt hat: „Und jetzt: Abschalten“.

Herzlichst

Ihre Anne

Ab in den Süden

Liebe LeserInnen,

in einem Beitrag Ende September hatte ich schon vom Beginn des herbstlichen Vogelzugs berichtet. Heute, knapp drei Wochen später, ist der Herbstzug in vollem Gange. Da ich mir vor drei Wochen noch gar nicht vorstellen konnte, wie das sein würde, möchte ich heute noch einmal darüber berichten.

Die Erfassungsmethode ist die gleiche geblieben – morgens bei Sonnenaufgang stehe ich auf dem Hüttenumlauf und schaue nach Norden. Im Gegensatz zu Ende September aber, erlebe ich an manchen Tagen einen Vogelzug der absolut überwältigend ist. Mit dem ersten Licht des Tages höre ich die Vögel, kann sie aber noch nicht sehen. Etliche Tiere haben die Nacht in den Dünen und Salzwiesen der Insel verbracht und rufen schon aus der Vegetation heraus. Dann, sobald das Licht hell genug wird, fliegen sie auf und los geht´s. In einem nicht enden wollenden Strom schwirren jetzt Kleinvögel, unter, neben und über die Hütte hinweg. Wie von einem gigantischen Magnet angezogen fliegen sie zielgerichtet und lautstark rufend Richtung Süden. Schaue ich raus aufs Meer kann ich auch dort, weiter entfernt, etliche Vögel sehen, die nach Süden fliegen. Bestimmen kann ich diese Vögel nicht, dafür sind sie zu weit weg. Es wird schnell klar: Die auf Trischen aufgenommenen Daten bilden nur einen Bruchteil von dem ab was sich hier morgens abspielt.

Aber nicht nur die Intensität des Zuges hat zugenommen, sondern auch das Artenspektrum. Dominierten Ende September noch die Wiesen- und Baumpieper, kommen in diesen Tagen viele Buch- und Bergfinken durch. Daneben fliegen Bluthänflinge, Erlenzeisige, Bach- und Gebirgsstelzen, sowie Stare. Einzelne Heckenbraunellen und Wintergoldhähnchen waren auch dabei. Auch die drosselartigen Vögel nehmen jetzt zu: Singdrosseln, Amseln und endlich auch die Rotdrosseln.

Leicht zu unterscheiden: Die Singdrossel mit ihren dunklen Tupfen auf der Brust und die Rotdrossel mit den roten Flanken und den markanten hellen Streifen über den Augen.

Viele Vögel fliegen entlang der Dünenkanten und verlassen die Insel erst an ihrem südlichsten Punkt. Von hier aus fliegen sie flach über das Wasser in Richtung Cuxhaven. Auch wenn ich an der Nordspitze der Insel stehe, kann ich gut beobachten, wie sie aus dem nördlich gelegenen St. Peter-Ording übers Wasser kommen. Manche Arten fliegen bis ins Mittelmeergebiet, andere bis nach Südafrika. Wieder andere kommen aus dem hohen Norden, um hier im Wattenmeer den Winter zu verbringen. So vielfältig die verschiedenen Arten, so unterschiedlich sind ihre Lebenszyklen.

An der Südspitze von Trischen rasten die Vögel noch kurz in den Ähren vom Strandroggen, bevor sie über das Wasser Richtung Cuxhaven weiterfliegen. Greifvögel, wie die Kornweihe, nutzen diesem Umstand für die Jagd:

 

Ich finde es absolut faszinierend wie diese kleinen Vögel unterwegs sind, genau wissen, wo sie hinwollen und im Frühjahr auch wieder ihren Weg zurückfinden. Auch wenn wir schon so viel über die Vögel und ihr Verhalten wissen, so ist der Vogelzug nach wie vor ein Mysterium. Wahrscheinlich werden wir das Leben der Vögel nie ganz verstehen. Aber das ist vielleicht ja auch ganz gut so.

 

Von Wind und Wasser geformt

Liebe LeserInnen,

die Insel Trischen unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Inseln im schleswig-holsteinischen Nationalpark Wattenmeer. Der prägnanteste Unterschied aber ist ihre Unberührtheit. Bis Mitte der 40er Jahre wurde Trischen noch vom Menschen bewirtschaftet und durch umfangreiche Küstenschutzmaßnahmen beeinflusst. Steinpackungen bewahrten die Dünen vor dem Abbruch und ein Deich schützte den landwirtschaftlich genutzten Bereich vor dem Wasser der Nordsee. Doch dann kam alles anders. Mehrere Sturmfluten durchbrachen die Deiche, die Dünen wurden weggespült. Die Bewohner Trischens wurden ans Festland gebracht und man erklärte die Insel für „verloren“.

Aus heutiger Sicht kann man es auch anders formulieren: „Trischen wurde vom Einfluss des Menschen befreit“. Denn nachdem die Bewirtschaftung der Insel aufgegeben wurde, entwickelte sich die Insel frei, nur den Gesetzten von Wind und Wasser folgend. Was entstand, war eine wilde und dynamische Insel. Ein Ort, an dem man beobachten kann, was passiert, wenn der Mensch keinerlei Einfluss übt.

 Diese Dynamik kann ich in diesen Tagen quasi live miterleben

Unterhalb der Dünenkette hatten sich im Laufe des Sommers kleinere Primärdünen gebildet. Salzmiere und Meersenf hatten den angewehten Sand festgehalten. Diese Strukturen wurden immer größer und größer. Und so hatte die Insel Anfang September mächtig Sand angesammelt.

Am 23. September kam dann allerdings Sturmtief „Tim“ mit Sturmböen von bis zu 105 km/h hier vorbeigefegt. Das Hochwasser stieg 1,10 Meter über den Normalen Wasserstand. Große Wellen rollten auf den Strand. Am kommenden Tag habe ich dann den Strand inspiziert. Viele der Primärdünen waren gänzlich verschwunden. Von Salzmiere und Meersenf ragten nur noch die abgerissenen Wurzeln aus dem Sand. Die Dünen zeigten teilweise scharfe Kanten, wo das Wasser den Strandhafer und den Sand weggerissen hatte.

Die folgenden Bilder habe ich jeweils von exakt der gleichen Position aus gemacht. Sie zeigen deutlich die Veränderungen nach dem Sturm:

 

 

Nur eine starke Flut, und alles was sich über den Sommer gebildet hat ist verändert.

Aber schon am gleichen Tag fing der Prozess wieder von vorne an. Hinter jeder Muschel und jedem Stück Treibholz hatten sich winzige Sandhäufchen im Windschatten gebildet – der erste Schritt zur Entstehung einer Düne.

 

Ob Trischen zukünftig weiter schrumpft oder wächst entscheidet also allein das Meer und der Wind. Und wir selber dürfen staunend zuschauen.