Zugvögel Beiträge

Hin und wieder zurück – ein Wiedersehen

Liebe Trischen-Blogfolger*Innen,

still stehe ich auf dem Hüttenumlauf und warte auf die durchziehenden Singvögel. Der Zug ist in vollem Gang. Manchmal schwirrt die Luft vor lauter Wiesenpiepern, die sich auf den Weg in den Süden machen und mit aufgeregtem „ist-ist“ an mir vorbeifliegen. Ab und zu mischen sich auch andere Rufe hinzu. Diese Woche habe ich zum Beispiel mein erstes „zriehh“ (Rotdrossel) und „wääP“ (Bergfink) des Herbstes vernommen.

Rotdrossel

Ich begrüße die Durchzügler wie alte Freunde, auch wenn es manchmal einen kleinen Moment dauert, bis mein Kopf schaltet und z.B. das „e-dü“ der Ohrenlerche einzuordnen vermag. Schließlich habe ich sie zuletzt vor etwa sechs Monaten gehört. Aber habe ich den Ruf erkannt, liegt er mir wieder im Ohr und begleitet mich durch den Winter.

Für einen kurzen Moment habe ich dann ein kleines Glücksgefühl im Bauch. Ich versuche mir vorzustellen, welchen Weg der Vogel schon zurückgelegt hat und wie wohl sein Brutgebiet aussieht. Ich träume dann von endlosen Wäldern und weiten grünen, stellenweise auch kargen Landschaften, die bald unter einer Schneedecke versinken werden. Und für kurze Zeit packt mich das Fernweh.

Trottellumme

Dann mischt sich zu dem Glücksgefühl ein bisschen Wehmut hinzu. Denn die Durchzügler zeigen auch, wie viel Zeit vergangen ist. Fast sieben Monate – vergangen wie im Flug.

Aber heute hatte ich einen für mich seltsam beruhigenden Gedanken: Auch wenn ich in 1,5 Wochen die Insel verlassen muss, wird auch in Zukunft alles seinen gewohnten Gang gehen. Zug- wie Brutvögel werden kommen und gehen. Genauso wie das Wasser. Der Sand wird weiter über den Strand wehen, die Insel wandern, der Strandflieder blühen und der Queller sich rot verfärben. Es ist völlig egal, ob ich hier bin oder nicht, Trischen bleibt.

Und so kann ich auf dem Hüttenumlauf stehen und mich wieder freuen. Freuen, über die Raubmöwen die scheinbar mühelos über die Wellenkämme fliegen. Freuen, über das Odinshühnchen, das mit einer hektischen Fröhlichkeit in der Südostbucht nach Nahrung sucht. Und freuen über die Trottellumme, die am Strand eine Pause einlegte und zufällig meinen Weg kreuzte.

Ihre Melanie Theel

 

Fernweh

Liebe Blogfolger*Innen,

wohlig grabe ich die Zehen in den Sand. Die Sonne scheint mir auf den Kopf, eine leichte Brise zerzaust mir die Haare und die Luft fühlt sich angenehm warm an. Vor mir glitzert das Wasser blau im Licht, der Horizont ist ganz weit weg. Freiheit – endlich barfuß über den Strand stromern. Das Knacken der Muschelschalen unter meinen Füßen und den kommenden Sommer in allen Ecken und Winkeln der Insel spüren.

Was für mich den kommenden Sommer ankündigt, bedeutet für andere: Aufbruch. Für viele Vogelarten wird es nun höchste Zeit in die Brutgebiete zurückzukehren, denn das Zeitfenster für die Brut ist eng. Gestern hat sich ein großer Teil der Weißwangengänse auf den Weg in ihre arktischen Brutgebiete gemacht. Ab dem Morgen zogen pausenlos Trupps an mir vorbei. Leider hatte ich mit dem Wetter etwas Pech, denn gegen Vormittag konnte ich auf dem Wasser kaum noch etwas sehen und die „Ketten“ verschwanden in trübem Grau. Und doch hatte ich in knapp 3,5 Stunden Beobachtungszeit ca. 21.000 Weißwangengänse zusammen. Unglaublich, das miterlebt zu haben! Ein bisschen drängt sich mir die Frage auf, wie viele es wohl gewesen wären, hätte ich den Tag über weiter beobachten können. Aber auch so bin ich mehr als glücklich.

Die Weißwangengänse sind jedoch nicht die einzigen, die sich auf ihren Weg in die Brutgebiete vorbereiten. Auch der Abzug der Ringelgänse und der arktischen Limikolen (Watvögel) steht kurz bevor. Bei den Limikolen ist dies gut zu sehen, denn sie mausern fleißig in ihr Brutkleid. Die Alpenstrandläufer laufen nun also mit schwarzen Bäuchen durch das Watt, sodass sie aussehen, als hätten sie gerade ein kleines Schlammbad hinter sich. Das farbenfrohe Brutkleid ist einerseits wichtig für die Balz, andererseits bietet es eine optimale Tarnung in der Tundra. Nicht alle Vogelarten vollziehen solch einen optischen Wandel über das Jahr, auch wenn alle ihre Federn regelmäßig erneuern müssen. Schließlich stellen diese das wichtigste Werkzeug für den Flug dar.

 

Limikolen im Wandel: Alpenstrandläufer (oben) und Sanderling (unten) in der Mauser vom Schlicht- zum Brutkleid

 

 

So sehr ich mich auch über ihren bunten Anblick freue, schwebt auch ein bisschen Wehmut mit. Ich habe mich so an den Anblick der Limikolen und das „roar roar“ der Ringelgänse gewöhnt, dass ich sie ganz bestimmt vermissen werde. Allzu leer wird es auf Trischen aber nicht werden, denn die ersten Eiderenten treffen bereits zur Mauser ein. Noch sind es vergleichsweise wenige Individuen, doch schon bald werden tausende von Eiderenten den Strand und die Sandbänke bevölkern. Während beispielsweise Alpenstrandläufer und Sanderling nach und nach ihr Gefieder erneuern, ersetzen die Entenvögel ihre Schwung- und Steuerfedern auf einmal – weshalb sie für einige Zeit flugunfähig sind. Um so wichtiger, dass es noch Plätze wie Trischen gibt, an denen sie in dieser Zeit möglichst störungsfrei rasten können.

Ihre Melanie Theel

Goldhähnchen Blues

Liebe Blogleserinnen und -leser,

die letzten paar Tage stürmt es fast ununterbrochen. Auch wenn ich nicht direkt von dem Wind durchgeschüttelt werde, fühle ich mich am Ende des Tages völlig ausgelaugt und ein bisschen desorientiert. So oder noch schlimmer müssen sich die Goldhähnchen fühlen, die mich derzeit fast täglich an der Hütte begrüßen. Meistens sind es nur ein oder zwei Individuen, deren leise „zri“ oder „zü“ Rufe aus dem Holzstapel unter der Hütte, in dem sie Schutz gesucht haben, erklingen. Und jedes Mal, wenn ich ihre Rufe oder ein aufgeregtes Flattern aus den Augenwinkeln wahrnehme, wird der Tag ein kleines bisschen besser. Die kleinen Punker-Flauschkugeln sind nicht nur unglaublich süß, sondern zeigen wieder einmal, dass Größe nichts über Stärke aussagt.

Wintergoldhähnchen zum Beispiel sind kleiner als Zaunkönige und wiegen etwa 4-7g. Damit sind sie nicht nur unsere kleinsten heimischen Brutvögel, sondern stellen auch europaweit die kleinste Vogelart da. Sie kommen in ganz Mitteleuropa bis nach Skandinavien, Vorderasien und Südwestsibirien vor. Die nordöstlichen Populationen verlassen im Winter ihre Brutgebiete und ziehen weiter südlich, wobei sie teilweise auch das Meer überqueren müssen. Und das ist auch der Grund, weshalb ich hier von ihnen berichte. Denn wenn ich mir vorstelle, wie sich die Winzlinge durch den Sturm kämpfen, bin ich einfach nur beeindruckt. Bei Wetterumschwüngen und auf Hochseeinseln wie Helgoland sind zu den Zugzeiten immer wieder geschwächte Tiere zu finden, die notlanden mussten, um Energie zu tanken. Sowieso nicht besonders scheu, sind die Goldhähnchen dann im wahrsten Sinne des Wortes „völlig durch den Wind“ und flattern einen Meter neben den Füßen herum – so wie bei mir an der Hütte.

Übrigens: ein naher Verwandter des Wintergoldhähnchens ist das Sommergoldhähnchen. Hauptunterscheidungsmerkmale sind: ein breiter weißer Überaugenstreif, ein schwarzer Augenstreif sowie ein eher orangener Scheitel. Daher wirken die Sommergoldhähnchen immer etwas grimmig, während die Wintergoldhähnchen einen eher erstaunten Eindruck machen. Aber wieso jetzt Sommer- und Wintergoldhähnchen? Schließlich sind Wintergoldhähnchen als deutsche Brutvögel nicht nur im Winter hier anzutreffen. Grund ist vermutlich das Zugverhalten des Sommergoldhähnchens. Der größte Teil der deutschen Population zieht im Winter nämlich in wärmere Gefilde, weshalb es hier im Winter deutlich seltener zu finden ist als das Wintergoldhähnchen.

Und um nun den Bogen zurück nach Trischen zu schlagen: was bedeutet der Goldhähnchen Blues für mich? Bei Tee und leckeren Keksen vor dem Ofen etwas Energie tanken und dann raus in den Sturm zum Seawatchen oder Feuerholz machen! Denn auch wenn ich nicht mit Flugkünsten glänzen kann, dann doch hoffentlich mit Ausdauer und guter Laune bei Sturm und Kälte.

Ihre Melanie Theel

Wintergoldhähnchen

 

Sommergoldhähnchen

Vogelzug extrem

Liebe LeserInnen,

bisher ist der Vogelzug auf Trischen durch das nasskalte Frühjahr recht spärlich ausgefallen. Viel Wind, Regen und kalte Temperaturen machen eben auch den Zugvögeln keine Freude. Am Montag war dann seit längerem mal wieder ein richtig schöner Tag. Glatte See, eine leichte Brise und Sonnenschein ließen mich auf verstärkte Zugaktivität hoffen, zumal ich optimale Sicht hatte.

Kurz nach Sonnenaufgang, um 5:30 Uhr, ging es dann auch gleich richtig los: Weißwangengänse zogen.

Im Minutentakt kamen lange Ketten von Gänsen über Trischen geflogen. Kaum hatte ich einen Schwarm erfasst und notiert, tauchte schon der nächste am Horizont auf. Es war wie ein nicht enden wollender Strom von durchziehenden Gänsen, die Luft erfüllt von ihren lauten Rufen.

Die Größe der Schwärme variierte dabei von 60 – 3.000 Vögel.

Erst vier Stunden später wurde es langsam weniger, sodass ich um 10 Uhr meine Beobachtungen beendete. Zu dem Zeitpunkt hatte mein Magen schon längst lauthals nach Nahrung und Kaffee verlangt und es war wirklich Zeit für ein Frühstück!

Nachmittags kamen dann noch einmal weitere Gänse durch. Und am Ende des Tages hatte ich über 46.000 Weißwangengänse über Trischen gezählt!

Das Phänomen Vogelzug ist für mich am schönsten, wenn ich die Gelegenheit habe aktiv abziehende Vögel zu beobachten. Ich sehe diese Gänse und weiß, dass sie sich genau in diesem Moment auf den langen Weg in ihre sibirischen Brutgebiete machen.

Am Dienstag und Mittwoch kamen dann noch einmal insgesamt 24.000 Gänse durch, sodass ich in nur drei Tagen über 70.000 Gänse gezählt habe – ich wünsche ihnen eine sichere und gute Reise.

 

rastende Limikolen mit abziehenden Gänsen

 

Die schöne Branta

Liebe LeserInnen,

manche Vogelarten finden wir spannend, schön oder einfach faszinierend. Vielleicht weil sie niedlich, farbenfroh oder selten sind. Andere Arten finden wir dagegen langweilig oder manche sogar eher unsympathisch. Diese sind vielleicht überall zu sehen, weniger farbenfroh oder tun Dinge, die wir nicht gut finden, zum Beispiel andere kleinere und niedlichere Vögel fressen.

Ich bin ehrlich: Eine von diesen Arten war für mich immer die Ringelgans. Sie ist zwar nur zeitweise im Wattenmeer anzutreffen, aber dann immer in großer Anzahl. Sie ist grau-schwarz und tut im Grunde einfach nur das was Gänse eben tun. Fressen, umherfliegen und wieder fressen. Also nicht sehr aufregend. Na, jedenfalls habe ich ihnen nie viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Aber das hat sich auf Trischen verändert. Da sie momentan täglich direkt aus dem Hüttenfenster zu beobachten sind, habe ich mir sie noch einmal ganz genau angeschaut. Die Ringelgänse sind im Gegensatz zu anderen Gänsen sehr zierliche Vögel. Der schwarze Kopf und Hals mit dem schicken weißen Ring sieht einfach super aus. Zudem sind sie sehr gesellige Vögel und agieren unglaublich viel miteinander. Man merkt richtig, wie sie sich untereinander mit ihren Gesten und Rufen verständigen. Hier eine kleine Hörprobe:

Die bei uns vorkommende Ringelgans, Branta bernicla, ist eine von drei Unterarten. Sie brütet in Nordsibirien und überwintert an der europäischen Atlantik- und Nordseeküste. Im Frühjahr fliegen sie von dort aus zu uns ins Wattenmeer. Ende April bis Anfang Mai versammelt sich hier dann fast die gesamte Weltpopulation (!) der Branta bernicla, bevor sie weiter gen Norden ziehen.

Momentan halten sich auf Trischen etwa 1.000 Ringelgänse auf. Nur noch wenige Tage, und die Gänse werden Trischen verlassen, um sich auf den Weg Richtung Norden zu machen. Bis dahin werde ich sie noch öfter durchzählen, um die maximale Anzahl zu erfassen.

Ich freue mich hier die Gelegenheit zu haben mir die Ringelgänse in Ruhe ansehen zu können. Und das ist jetzt schon einer meiner Vorsätze für das Festland: „mir Zeit zu nehmen ganz genau hinzuschauen“. Denn die vermeintlich langweiligen und häufigen Vogelarten sind oft schöner und interessanter als man denkt. Aber in jedem Fall sind sie es alle wert immer wieder bestaunt zu werden.