Wie man 5.700 Vögel zählt – Brutvogelerfassung auf Trischen

Auf Trischen brüten jedes Jahr rund 5.700 Brutpaare von etwa 30 verschiedenen Vogelarten. Als Naturschutzwartin ist eine meiner Hauptaufgaben, diese Brutvögel zu zählen. Doch wie zählt man so viele Vögel, die alle durcheinander fliegen und ihre Nester gut verstecken? Und wie stellt man fest, ob es sich um einen Brut- oder Rastvogel handelt? Ganz einfach ist das nicht, vor allem, weil die Vögel über die gesamte Insel verteilt brüten – immerhin 170 Hektar groß! Manche Arten gut sichtbar in großen Kolonien, andere hingegen ganz versteckt mitten in den Salzwiesen.

Austernfischer legen ihre gut getarnten Eier in eine Sandkuhle

Da Ornitholog*innen es lieben, zu zählen und zu erfassen, gibt es zum Glück standardisierte Methoden, um die Anzahl der Brutvögel in einem bestimmten Gebiet zu ermitteln. Diese Methoden sind je nach Art unterschiedlich.

Die einfachste Zählweise betrifft Arten, die durch ihren typischen Gesang ihr Revier markieren – wie der Rotschenkel oder die Feldlerche. Ich erfasse diese durch drei morgendliche Begehungen entlang einer festgelegten Route, die die gesamte Insel abdeckt. Dabei notiere ich jedes Verhalten, das auf ein Brutrevier hinweist, beispielsweise Reviergesang, Warnrufe oder Futter tragende Individuen, punktgenau auf einer (digitalen) Karte. Nach drei Begehungen werte ich meine Karten aus. Wenn ich an allen drei Terminen an etwa derselben Stelle brutanzeigendes Verhalten der gleichen Art notiert habe, wird dieses als sogenanntes „Papierrevier“ gewertet. Wird ein Futter tragender Altvogel oder sogar ein Nest entdeckt, gilt dies als sicherer Brutnachweis – dafür reicht dann auch ein einmaliger Nachweis. Das Papierrevier trägt seinen Namen, weil es auf der Karte eingezeichnet wird und nicht unbedingt dem tatsächlichen Reviermittelpunkt des Brutpaars entspricht.

Dieser Rotschenkel nutzt das Hüttengeländer gerne als Singwarte

Dieser Rotschenkel brütet nahe der Hütte und nutzt das Hüttengeländer gerne als Singwarte

Koloniebrüter wie Flussseeschwalben oder Lachmöwen werden anhand von Fotos der Kolonie gezählt. Diese Fotos ermöglichen es mir, alle Vögel in Ruhe zu zählen, ohne dass sie sich bewegen. Die Anzahl der Vögel wird anschließend mit dem Faktor 0,7 multipliziert. Da zwei Vögel ein Brutpaar ergeben, aber nie alle Vögel gleichzeitig sichtbar oder anwesend sind, nimmt man nicht die Hälfte, sondern einen etwas höheren Wert.

Als dritte Methode kommt auf Trischen zusätzlich eine Drohne zum Einsatz, die von Fachleuten gesteuert wird. Sie fliegt in 100 Metern Höhe auf einem festgelegten Transekt entlang und macht orthogonale Fotos von der Insel. Später können die brütenden Vögel dann anhand der Drohnenfotos ausgezählt werden. Diese Methode funktioniert besonders gut für große Arten wie Silber- und Heringsmöwen oder Kormorane, die von oben gut erkennbar sind und gut sichtbar brüten.

Ein Ausschnitt aus der Kormorankolonie auf Trischen

Für Arten wie die Brandgans, die versteckt unter Altgras oder in kleinen Höhlen brüten, wende ich eine andere Methode an: Ich zähle die Anzahl der balzenden Paare vor der Brutzeit und schließe daraus auf die Anzahl der Brutpaare.

Klingt kompliziert und verwirrend? Ist es auch! Natürlich gelingt es nicht, in einem so weitläufigen und unübersichtlichen Gelände alle Brutpaare bis aufs letzte Paar genau zu erfassen. Aber mit diesen Methoden kommt man ziemlich nah dran. Und da die Erfassung jedes Jahr nach dem gleichen Muster erfolgt, erhalten wir über die Jahre einen guten Überblick darüber, wie sich die Brutpaarzahlen entwickeln, welche Arten zunehmen oder abnehmen. So können wir Rückschlüsse ziehen und wichtige Erkenntnisse für den Naturschutz gewinnen.

 

Und hier kommt jetzt noch ein wenig Werbung in eigener Sache:

Wenn du auch Lust hast als Naturschutzwart*in ein halbes Jahr auf Trischen zu verbringen oder du jemanden kennst: Schau gerne mal in unsere Stellenausschreibung rein oder leite sie an interessierte weiter! Bis zum 15. Juni 2025 könnt ihr euch als Trischenwart*in 2026 beim NABU S-H bewerben. Wir freuen uns über eure Bewerbungen 🙂

 

Bis bald,

eure Mareike Espenschied

Nachwuchs bei Familie Sandregenpfeifer

Letzten Samstag erlebte ich am Strand eine Szene, die mich kurz stutzen ließ: Ein Sandregenpfeifer lief rufend vor mir her, setzte sich, beugte sich zur Seite, stand wieder auf und schleifte plötzlich einen Flügel über den Sand, als wäre er gebrochen. Für einen Moment dachte ich, der Vogel sei verletzt. Doch schnell wurde mir klar: Er ist völlig gesund und verleitet nur.

Dieses schauspielerische Talent zeigen viele Bodenbrüter, wenn sie Nachwuchs haben. Sie imitieren einen verletzten Vogel, um einen vermeintlichen Fressfeind von den Küken wegzulocken. Durch die scheinbare Hilflosigkeit ziehen sie die Aufmerksamkeit des Feindes gezielt auf sich, lenken dadurch von den Küken ab und locken ihn weg.

 

Verleitender Sandregenpfeifer

 

Das hat auch bei mir geklappt, aber ein Glück kenne ich dieses Verhalten. Es bedeutet nämlich: Der Nachwuchs bei den Sandregenpfeifern ist geschlüpft! Im Blogbeitrag vom 21.04.2025 , hatte ich bereits vom Nestfund unweit meiner Hütte berichtet (Blogbeitrag). Nun, knapp vier Wochen später, sind aus den Eiern tatsächlich Küken geschlüpft.

Wie viele Bodenbrüter sind Sandregenpfeifer-Küken Nestflüchter. Das bedeutet, sie verlassen bereits kurz nach dem Schlüpfen das Nest. Ihre Augen sind bereits geöffnet, sie sind von Anfang an mobil, mit einem feinen Daunenkleid ausgestattet und folgen ihren Eltern. Auch das ist ein cleverer Schutzmechanismus: Indem sie sich vom Nest entfernen, verringern sie das Risiko, entdeckt zu werden.

Zunächst zählte ich zwei Küken welche mit den Eltern am Strand unterwegs waren. Doch am nächsten Tag entdeckte ich noch ein drittes. Lediglich durch die Warnrufe der Eltern wurde ich auf sie aufmerksam und fand die Küken nur indem ich den Strand mit dem Fernglas absuchte und sie sich in dem Moment bewegten. Mit ihrer sandfarbenen Tarnung fügen sie sich nahezu perfekt in die Umgebung ein und sind zwischen all den Muscheln und Steinchen am Strand fast unsichtbar.

 

Sandregenpfeifer-Küken können sofort nach dem Schlüpfen laufen

 

Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die kleine Familie sehe. Um sie nicht zu stören, mache ich nun selbstverständlich einen großen Bogen, wenn ich in der Nähe bin. Gerade in dieser empfindlichen Phase ist Rücksichtnahme besonders wichtig – jeder unnötige Stress kann gefährlich für die Jungvögel sein.

Die Küken werden etwa nach 24 Tagen flügge, also flugfähig sein. Bis dahin sind sie auf den Schutz und die Führung ihrer Eltern angewiesen. Ich werde natürlich weiter beobachten und berichten, wie es der kleinen Familie in den nächsten Wochen ergeht.

Und noch eine gute Nachricht: Direkt neben dem Pfad, der vom Strand zu meiner Hütte führt, habe ich ein weiteres Gelege entdeckt – vier Eier liegen dort, gut getarnt im Sand. Auch dieses Nest werde ich genau im Auge behalten – und euch natürlich auch hier auf dem Laufenden halten.

 

Bis bald,
eure Mareike Espenschied

Ein “Rothausschwanz“ allein auf Trischen

Am vergangenen Wochenende war es wieder so weit: Wie jedes Jahr am ersten Maiwochenende fand das deutschlandweite Birdrace statt – ein beliebter Wettbewerb unter Vogelnerds und Ornitholog*innen, bei dem es darum geht, innerhalb eines Tages möglichst viele Vogelarten zu sehen oder zu hören.

Rastvögel zählen auf Trischen – die Springtidenzählung

Eine meiner Aufgaben hier auf Trischen ist die regelmäßige Erfassung der Rastvögel: Die Springtidenzählung – kurz STZ. Ziel dieser Zählung ist es, den Rastvogelbestand zu erfassen. Es geht darum, die Anzahl der Vögel zu dokumentieren, die im Wattenmeer eine Pause einlegen. Hier fressen sie sich satt, um gestärkt weiter in ihre Brutgebiete zu fliegen bzw. im Herbst in ihre Überwinterungsgebiete. Das Wattenmeer spielt dabei eine Schlüsselrolle: Es ist eines der bedeutendsten Rastgebiete für Zugvögel auf dem ostatlantischen Zugweg.

Eine (See)schwalbe macht noch keinen Sommer

Die ersten Wochen meines Aufenthalts auf Trischen war ich zugegebenermaßen äußerst sonnenverwöhnt, was den Start natürlich erleichterte. Ein ungewöhnlich trockener, klarer April bescherte mir viele milde Tage und viele Sonnenstunden. Doch letzte Woche kam er endlich – der langersehnte Regen. Es wurde grau, nass und windig. Ein Wetter, bei dem sich selbst eine Naturschutzwartin überwinden muss, die gut eingeheizte Hütte zu verlassen.